Konflikte am Arbeitsplatz lösen mit der Jeder-gewinnt-Methode
A&W RedaktionEin Streit mit den Praxiskollegen lässt die Produktivität sinken und die Kosten steigen. Umso wichtiger ist es, dass Ärztinnen und Ärzte rechtzeitig eingreifen, damit der Praxiserfolg nicht gefährdet wird. In der Psychologie hat sich dafür vor allem die Jeder-gewinnt-Methode bewährt.
Die Jeder-gewinnt-Methode in 6 Schritten
Bei dieser Methode verstehen sich die Konfliktbeteiligten als Partner, nicht als Gegner. Sie setzen ihre Macht nicht ein, sondern suchen gemeinsam nach einer für alle Beteiligten akzeptablen Lösung. Kreatives Denken geht dabei vor Schnellschuss-Lösungen. Dabei hilft ein strukturiertes Schema zur Konfliktlösung.
1. Den Konflikt erkennen und definieren
Wichtig ist eine präzise und wertfreie Formulierung. Ich-Botschaften sind in dieser Phase besonders geeignet. Ebenfalls sehr wichtig ist das aktive Zuhören. Ein kleines Beispiel: Sie stellen Ihren Standpunkt präzise dar. Der Mitarbeiter meldet mit seinen eigenen Worten zurück, was er von Ihrer Äußerung verstanden hat – und zwar so lange, bis Sie sagen können: „Jawohl, das habe ich gesagt. Genauso sehe ich die Sache.“ Dann wiederholen Sie, was Sie verstanden haben, bis Ihr Mitarbeiter zurückmeldet: „Jawohl, das habe ich gesagt. Genauso sehe ich die Sache.“ Dieses Vorgehen wird nach seinem Erfinder Anatol Rapaport auch Rapaport-Technik genannt. Es hat sich sehr bewährt, weil es zu einer Entschärfung der Situation beiträgt und Missverständnisse beseitigt.
2. Alternative Lösungen suchen
Hier ist Ihre Kreativität gefragt, denn eine optimale Lösung lässt sich selten im Handumdrehen finden. Halten Sie sich in dieser Phase mit Kritik und Wertungen zurück. Lassen Sie alle Lösungen zu, wie im „Brainstorming“: Sammeln Sie zunächst alle möglichen Lösungen – auch die vermeintlich „verrückten“ – diskutieren und bewerten Sie sie dann.
3. Alternative Lösungen bewerten
In dieser Phase diskutieren Sie mit Ihrem Mitarbeitenden Pro und Contra. Auch jetzt gilt: Hören Sie aktiv zu.
4. Entscheidung treffen
Beide Seiten müssen sich zu einer Lösung bekennen, und zwar freiwillig. Drängen Sie den anderen Gesprächspartner nicht dazu, eine Lösung zu wählen, die für ihn nicht akzeptabel ist.
5. Entscheidung ausführen
Legen Sie definitiv fest: Wer tut wann was wie mit wem?
6. Lösung kontrollieren
Vereinbaren Sie das weitere Vorgehen. Finden Sie gemeinsam mit Ihrem Mitarbeiter Kriterien dafür, ob der eingeschlagene Weg gut war oder nicht. Vereinbaren Sie einen konkreten Termin, um diese Kontrolle der Lösung gemeinsam vornehmen zu können.
Die Vorteile dieser Methode:
Sie kostet zwar Zeit, führt auf längere Sicht aber zu einer erheblichen Zeitersparnis. Das Kooperationsverhalten verbessert sich, zeitraubende Widerstands- und Sabotagehandlungen unterbleiben. Die Verpflichtung und Motivation zur Ausführung der gemeinsam akzeptierten Lösung seitens aller Konfliktbeteiligten verbessert sich, die Identifikation mit der Lösung ist hoch. Alle Beteiligten profitieren an der Mitarbeit – das setzt Kreativität frei. Die Beziehungen (Wir-Gefühl) verbessern sich, sie werden authentischer, vertrauensvoller und herzlicher.
Aber die Jeder-gewinnt-Methode hat auch ihre Nebenwirkungen. Die Beziehungen untereinander werden ehrlicher und offener. Dies wird, insbesondere im Arbeitsumfeld, nicht von allen Beteiligten gewünscht. Allgemein akzeptable Lösungen für alle zu finden kostet manchmal mehr Zeit als die üblichen Vorgehensweisen wie Mehrheitsbeschlüsse, Drohungen, Überrollen, Anordnen und Ähnliches.
Bewusster Machtverzicht als Lösung
Manchmal ist es sehr schwierig, allgemein akzeptable Lösungen zu finden. Hilfreich ist es dann, den Konflikt neu zu formulieren, zusätzliche Fakten einzuholen, eine zeitlich begrenzte Lösung zu probieren.
Die „Jeder-gewinnt-Methode“ bedeutet bewussten Machtverzicht. Dies kann zu Irritationen führen, wenn der „Mächtige“ sich in anderen Situationen – aus welchen Gründen auch immer – erneut autoritär verhält. Mit diesem Konflikt werden Sie allerdings immer leben müssen, wenn Sie als Vorgesetzter Mitarbeiter führen, denn nicht in jedem Fall werden Sie Ihre Mitarbeiter an allen Entscheidungen so offen und kooperativ beteiligen können.
*Der Autor: Thomas Eckardt, Jahrgang 1959, ist diplomierter Psychologe und begleitet Unternehmer, Führungskräfte und Vorstände in allen Lebenslagen als Mental-Coach. Seine Erfahrungen hat er in verschiedenen Büchern zusammengefasst. Interessenten können sich auf seiner Homepage zu einem kostenlosen Newsletter anmelden. Weitere Informationen unter: https://eckardt.online/