Entlastungsassistenten einstellen: Mehr Zeit – auch für ältere Kinder
Ina ReinschDürfen Ärztinnen und Ärzte einen Entlastungsassistenten einstellen, um sich der Erziehung ihrer Teenager zu widmen? Ein Urteil gibt interessante Antworten auf die Frage, was die Zulassungsverordnung eigentlich unter „Kind“ versteht und ob über 14-Jährige nicht auch einen Betreuungsbedarf haben können.
Wenn überhaupt, dann treten niedergelassene Ärztinnen und Ärzte in der Regel beruflich kürzer, solange die Kinder klein sind. Die Zulassungsverordung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) sieht deshalb ausdrücklich vor, dass Ärztinnen und Ärzte während der Zeit der Erziehung von Kindern bis zu einer Dauer von 36 Monaten einen Entlastungsassistenten einstellen können, wobei dieser Zeitraum nicht zusammenhängend genommen werden muss (§ 32 Abs. 2 Nr. 2 Ärzte-ZV).
Doch Lebensentwürfe und Lebenslinien sind so unterschiedlich wie die Menschen selbst. Eine Ärztin hatte gemeinsam mit ihrem Mann 1999 und 2005 zwei Kinder adoptiert. 2015 beantragte sie für die Betreuung des älteren Jungen, der inzwischen 15 Jahre alt war, eine Entlastungsassistentin für 20 Stunden wöchentlich bis 2017. Der Grund: Es bestand für die Zeit der Pubertät des Adoptivkindes die Gefahr einer Retraumatisierung, woraus sich ein Zeitbedarf ergab, der sich nicht mit einer vollen Arbeitstätigkeit als Selbstständige vereinbaren ließ.
Ärztin bleibt hartnäckig und klagt
Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) lehnte den Antrag jedoch mit der Begründung ab, dass der Junge mit 15 Jahren kein Kind im Sinne der Ärzte-ZV mehr sei. Von der Zulassungsverordnung seien in Anlehnung an das Jugendschutzgesetz nur Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres erfasst. Im Übrigen gebe es zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch andere Möglichkeiten, etwa die Beschränkung des Versorgungsauftrags.
Da ihr Widerspruch erfolglos blieb, klagte die Ärztin und gewann auch in zweiter Instanz vor dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (28.10.2020, Az. L 3 KA 31/20). Um sich zwischenzeitlich zu behelfen, hatte sie wegen ihres jüngeren Sohns einen Entlastungsassistenten beantragt und genehmigt bekommen. Dennoch wollte sie eine grundsätzliche Klärung der Frage herbeiführen.
Eine ausdrückliche Altersbegrenzung enthält die Vorschrift der Ärzte-ZV nicht. Und den Begriff des Kindes gebrauche der Gesetzgeber mit ganz unterschiedlicher Bedeutung. Die besagte Vorschrift in der Ärzte-ZV gibt aber selbst einen Hinweis, denn sie spricht von „Erziehung“ des Kindes. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch sind die Eltern bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes berechtigt und verpflichtet, es zu erziehen, so das Gericht.
Dass eine Balance zwischen freiberuflicher Tätigkeit und Familie auch bei Kindern erforderlich sein kann, die das biologische Jugendlichenalter erreicht haben, etwa im Zusammenhang mit Entwicklungsproblemen in der Zeit der Pubertät oder in Hinblick auf Schwierigkeiten in Schul- und Berufsausbildung, hielt das Gericht für selbstverständlich.
Das Argument, dass im Jugendschutzgesetz eine Altersgrenze von 14 Jahren gelte, befand das Gericht für nicht stichhaltig. Im Jugendschutzgesetz gehe es um den Schutz von Kindern und Jugendlichen. Ziel der Beschäftigung eines Entlastungsassistenten sei aber die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei selbstständigen Ärztinnen und Ärzten.
Allerdings machte das Gericht auch deutlich, dass es nicht 36 Monate pro Kind gebe, sondern nur einmal 36 Monate, egal wie viele Kinder zu betreuen sind. Denn mit 36 Monaten pro Kind ließe sich der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung nicht mehr vereinbaren.
Die Entscheidung verbessert das Recht von Vertragsärztinnen und Vertragsärzte, ihre Kinder bis zum 18. Geburtstag selbst zu betreuen und gleichzeitig ihren bisherigen Versorgungsauftrag aufrechtzuerhalten in den KV-Bereichen, in denen es bislang Schwierigkeiten mit der Genehmigung solcher Anträge gab. Dabei muss nicht begründet werden, aus welchem Grund ein älteres Kind Betreuung benötigt – sei es wegen schulischer Schwierigkeiten, psychischer Probleme, einer schwierigen Pubertät oder schlicht einer Lernunterstützung während des Corona-Lockdowns.
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