Praxisabgabe: oft leichter als gedacht
Melanie HurstFrüher konnten Ärztinnen und Ärzte ihre Praxis so lukrativ verkaufen, dass der Erlös den gewohnten Lebensstandard auch im Alter sicherte. Diese Zeiten sind zwar vorbei – trotzdem machen jetzt Kollegen, die in den vergangenen zehn Jahren in den Ruhestand gingen, neue Hoffnung.
Für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte stellt der Erlös aus der Praxisabgabe eine wichtige Säule ihrer Altersvorsorge dar. Doch viele sorgen sich mittlerweile, ob sie ihre Praxis noch so einfach verkaufen können wie die Kollegen aus früheren Zeiten. Die gute Nachricht vorweg: Tatsächlich verläuft die Praxisabgabe einfacher, als viele denken. Das zeigt eine aktuelle Befragung der apoBank.
So lange dauert der Praxisabgabeprozess
Für die Studie wurden 400 selbstständige Heilberufler und Heilberuflerinnen befragt. Die eine Hälfte ging innerhalb der letzten zehn Jahre in den Ruhestand, die andere Hälfte möchte die Praxis in den nächsten sechs Jahren abgeben. Bei den Ergebnissen war vor allem die Diskrepanz zwischen Vorstellung und Wirklichkeit interessant. Denn diese klafft häufig ganz schön auseinander. So befürchten die noch tätigen Ärzte, dass der gesamte Praxisabgabeprozess 28 Monate dauern wird. In der Realität benötigten ihre Ruhestands-Kollegen aber nur 20 Monate. Ganz anders als gedacht entwickelte sich auch die Praxisübergabe. Nur 31 Prozent planen einen sofortigen Ausstieg, doch 55 Prozent der Ruheständler stiegen sofort aus. Vor allem die Frauen fackelten nicht lange. 63 Prozent hörten sofort auf, während es bei den Männern 49 Prozent waren.
Häufige Gründe für die Praxisabgabe
52 Prozent der Berufstätigen nennen als Hauptgrund für die geplante Praxisabgabe, dass sie mehr Zeit haben und das Leben genießen wollen. Tatsächlich sind es genauso viele, die aus einem ganz anderen Grund den Arztberuf an den Nagel hängten. Denn 52 Prozent der Ex-Praxisinhaber hörten auf, weil sie schlicht das Rentenalter erreicht hatten. Als zweithäufigster Grund wurde mehr Zeit haben und das Leben genießen genannt (46 %).
Auch bei den anderen Gründen gab es Abweichungen. „Veränderung in der Berufsausübung“ (37 % der noch Aktiven versus 34 % der Ruheständler), „weniger Arbeit und Verantwortung haben“ (32 % versus 39 %) und „attraktives Angebot“ (15 % versus 13 %).
Die größten Herausforderungen bei der Abgabe einer Praxis
Auch hier malen sich die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte die Zukunft schwärzer aus, als sie teilweise ist. Die meisten (69 %) befürchten große Schwierigkeiten, um einen Interessenten für ihre Praxis zu finden, nur 17 Prozent erwarten geringe Probleme. Zum Glück können die Ruhestands-Kollegen etwas Entwarnung geben. Denn ihre Erfahrung war eine andere. 37 Prozent hatten zwar große Schwierigkeiten einen Interessenten zu finden, doch bei 52 Prozent klappte es gut.
Allerdings findet auch jeder zehnte Niedergelassene keinen Nachfolger. „Die Gründe sind vielfältig“, sagt Daniel Zehnich, Bereichsleiter Gesundheitsmarkt und Beteiligungen bei der apoBank. „Mal handelt es sich um eine Praxis auf dem Dorf, mal um eine mit zu geringem Ertrag. Deswegen ist es besonders wichtig, sich rechtzeitig mit dem Thema Abgabe zu beschäftigen und diese aktiv vorzubereiten.“
Die Berufstätigen sorgen sich zudem darum, keinen guten Erlös zu erzielen (53 %). Tatsächlich konnten immerhin 55 Prozent der Ex-Praxisinhaber eine zufriedenstellende Summe aushandeln. Auch bei den Punkten „Planung und Organisation“ sowie „Praxiswert marktgerecht einschätzen“ sieht die Wirklichkeit rosiger aus als befürchtet. 64 Prozent bzw. 67 Prozent hatten damit keine Schwierigkeiten. Weitere Informationen, wie Sie Ihren Praxiswert richtig einschätzen können, finden Sie auch hier: https://www.arzt-wirtschaft.de/praxis/praxisverkauf/damit-sie-alles-richtig-machen/
An wen niedergelassene Ärzte ihre Praxis am häufigsten übergeben
Für viele Niedergelassene ist es ein Herzenswunsch, ihr Lebenswerk und ihre Patienten in gute Hände zu übergeben. Und doch ist es für 63 Prozent noch nicht absehbar, an wen sie ihre Praxis abgeben werden. Auch die meisten nicht mehr Aktiven (53 %) wussten vorher nicht, wer der Nachfolger wird. Bei 31 Prozent der Hausärzte und 26 Prozent der Fachärzte war es eine Kollegin oder ein Kollege, bei sieben bzw. zwei Prozent ein Familienmitglied. Auch das persönliche Netzwerk war hilfreich und führte bei 17 Prozent bzw. 23 Prozent zum Erfolg.
Wie viel Geld Ärztinnen und Ärzte für ihre Praxis erhalten
Schaut man in die Statistik, dann erhalten Ärzte beim Praxisverkauf grundsätzlich in den Großstädten am meisten. Eine hausärztliche Einzelpraxis kostet dort im Schnitt 114.300 Euro, auf dem Land sind es mit rund 81.300 Euro deutlich weniger. „Die Kaufpreise von Arztpraxen hängen ähnlich wie bei Immobilien eng mit der Lage zusammen“, erklärt Daniel Zehnich. Die fachärztlichen Kolleginnen und Kollegen dürfen sich dagegen über mehr Erlös freuen. Für eine gynäkologische Praxis wird zum Beispiel im Schnitt über 250.000 Euro bezahlt, für eine orthopädische sogar rund 507.000 Euro.
Aber können die Abgabewilligen auch immer den Erlös realisieren, den sie sich wünschen? In der aktuellen Umfrage sagten nur 36 Prozent der Hausärzte, dass sie ihren Wunschpreis durchgesetzt hatten. 58 Prozent mussten ihn reduzieren, vier Prozent konnten ihn erhöhen. Bei den Fachärzten erzielten 50 Prozent den genannten Preis, 40 Prozent weniger und zehn Prozent mehr. Auch, wenn Niedergelassene nicht den gewünschten Preis erzielen: Sie können zumindest von Steuervorteilen profitieren, wenn sie ihre Praxis verkaufen. Sie können zum Beispiel den sogenannten „halben Steuersatz“ in Anspruch nehmen, um den Verkaufserlös steuerbegünstigt zu erhalten. Dieser beträgt 56 Prozent des normalen Steuersatzes und kann nur einmal im Leben in Anspruch genommen werden. Damit Sie dabei alles richtig machen und nicht leer ausgehen, sollten Sie auch das neueste Urteil des Bundesfinanzhofs dazu kennen: https://www.arzt-wirtschaft.de/finanzen/steuern/halber-steuersatz-nach-praxisverkauf/
Praxismodernisierung wirkt sich positiv auf Verkaufspreis aus
Die Hälfte der Befragten modernisierte ihre Praxis im Vorfeld, um später einen besseren Verkaufspreis zu erreichen. Rückblickend sagen die meisten, dass sich diese Investitionen gelohnt haben. Auf einer Skala von eins bis fünf – gar nicht gelohnt bis äußerst gelohnt – lagen 20 Prozent der Hausärzte und 27 Prozent der Fachärzte im Bereich äußerst gelohnt, dicht gefolgt von 40 Prozent der Hausärzte und 32 Prozent der Fachärzte, die sich auf Platz vier dieser Skala einordneten. Für nur fünf Prozent der Hausärzte und neun Prozent der Fachärzte war die Modernisierung nutzlos.
Welche Modernisierungsmaßnahmen Praxisinhaber vor der Abgabe durchführten
Auf Platz Eins der Maßnahmen zur Rentabilitätssteigerung landeten Digitalisierungsmaßnahmen. Aber auch die Senkung der Betriebskosten, Personalentwicklung, Renovierung der Praxis und Energieeffizienzmaßnahmen sowie neu angeschaffte Geräte standen hoch im Kurs. Auf welche zehn Punkte Sie noch achten können, um Ihre Praxis erfolgreich zu verkaufen, sehen Sie hier: https://www.arzt-wirtschaft.de/praxis/praxisverkauf/10-dinge-auf-die-aerzte-beim-praxisverkauf-achten-sollten/
Was Ärztinnen und Ärzte mit dem Kauferlös machen
Die meisten finanzieren sich ihren Ruhestand mit dem Erlös aus ihrem Praxisverkauf. Viele nehmen das Geld auch, um langfristig ihr Vermögen damit weiter aufzubauen. Außerdem wird es für schlechte Zeiten zurückgelegt, in Immobilien investiert oder verschenkt, vererbt und verliehen.
Kauferlös allein reicht nicht für die Altersvorsorge
Auch, wenn die Realität nicht so düster aussieht, wie von vielen befürchtet: Allein durch den Praxisverkauf kann der gewohnte Lebensstandard nicht gewährleistet werden. So stellten 57 Prozent fest, dass sie aus dem Verkaufserlös ihre Altersvorsorge nur zum Teil decken konnten. „Daher sollte die Altersvorsorge idealerweise nach mehreren Seiten hin erfolgen“, rät Reinhard Pfingsten, Chief Investment Officer der apoBank. „Die Rente aus dem Versorgungswerk ist eine wichtige Basis, aber die private Altersvorsorge und Vermögensbildung sind wichtige Ergänzungen – und je früher sie beginnen, desto besser.“