Frauen führen anders (Teil 2): Praxis-Dynamik gefährdet das Privatleben
André BernertAndré Bernert ist Geschäftsführer der Medical Management Partner und seit 2001 Arzt- und Zahnarztpraxis-Experte. Im zweiten Teil von „Frauen führen Praxen anders“ berichtet er wieder über wichtige Erkenntnisse aus seiner Beratertätigkeit. Tipps, die nicht nur für Praxisinhaberinnen interessant sind.
Achtung ist auch heute geboten. Ich werde diesmal weniger mit „Schubladen“ arbeiten und dem einen oder anderen vielleicht etwas weniger stark auf die Füße treten. Aber ich werde Ihnen Dinge verraten, die entscheidend dafür sind, ob Sie eine Praxis führen, die langfristig erfolgreich ist und ein Privatleben haben, mit welchem Sie glücklich und in der Balance sind.
Was man nicht plant, kann man nicht tun
Was nach meiner Erfahrung bei Praxisinhaberinnen oft fehlt, ist ein „echter“ Plan. Wo will ich eigentlich hin mit meiner Praxis? Ein richtiges Konzept, was die Praxis betrifft und ebenso die private Seite, Ihre Freizeit und Ihr Familienleben.
Früher mussten sich Frauen häufig entscheiden, Familie oder Karriere. Das ist zum Glück nicht mehr so. Trotzdem bleibt es eine Herausforderung beide Dinge erfolgreich zu meistern. 76 % der Praxisinhaberinnen schaffen es nicht. Sie sind entweder mit ihrer beruflichen oder mit ihrer familiären Situation unzufrieden.
Der Grund liegt für mich als Praxisberater auf der Hand. In nahezu jedem Fall wissen die Ärztinnen nicht, was für sie eine erfolgreiche Praxis und ein erfolgreiches Privatleben ausmacht. Sind es 200.000 Euro Umsatz und zwei Kinder oder 400.000 Euro und ein Segelboot? Wenn Sie Ihre Ziele nicht kennen, werden Sie nie den richtigen Plan haben und dementsprechend ohne Priorisierung handeln.
Achtung: Keinen Plan zu haben, bedeutet eine hohe „Hamsterrad-Gefahr“! Das gilt selbstverständlich auch für die männlichen Kollegen. Mit einem klaren Zielbild lassen sich dagegen verschiedene Pläne entwerfen. Und davon habe ich schon einige Hundert gecoacht. Es ist jedenfalls besser, von einem existierenden Plan bewusst abzuweichen oder diesen zu verändern, als keinen zu haben und einfach das „abzuarbeiten“ was anfällt.
Ziele verändern sich
Es ist logisch, dass Sie nicht Ihr ganzes Leben auf ein einziges Ziel hinarbeiten. Ziele verändern sich. Außerdem werden Sie neue Prioritäten setzen. Zumindest ist es nicht unwahrscheinlich, dass es so laufen wird. Auch aus diesem Grund unterscheidet man in kurz-, mittel- und langfristige Ziele. Alles Kurzfristige hat weniger mit Planung, sondern eher mit Organisation, Strukturen und Verhalten zu tun. Hierzu habe ich Ihnen im 1. Teil „Frauen führen Praxen anders“ Tipps mit auf den Weg gegeben. Unter mittelfristig verstehen mein Team und ich die kommenden 12 Monate und unter langfristig die nächsten 3 bis 5 Jahre. Je weiter Sie in die Zukunft blicken, desto verschwommener ist das Bild. Trotzdem funktioniert es nur so.
Stellen Sie sich folgende Fragen und schreiben sich die Antworten auf:
1. Wie sieht Ihre „Traumpraxis“, und ja, ich sage bewusst Traumpraxis, in 5 Jahren aus? Dazu gehört auch der „Wunschpatient“.
2. Wie viel Umsatz wollen Sie pro Jahr insgesamt machen? Bitte rechnen Sie mit dem Zahlungskalender.
3. Welches Image soll Ihre Praxis bei Ihren Patienten, Ihren Mitarbeitern und in Ihrem Umfeld haben? Wichtig für ein effizientes Patientenmarketing.
4. Wie viel Zeit wollen Sie wöchentlich für die Praxis aufbringen? Stichwort Work-Life-Balance.
5. Wie würden Sie Ihre familiäre Wunsch-Situation in drei kurzen Sätzen beschreiben? Auch diese Frage zielt auf Ihre Work-Life-Balance ab und ist entscheidend für Ihre Zufriedenheit.
Allein mit diesen Antworten werden Sie ein ganzes Stück weiter sein, weil Sie anfangen sich mit Ihrem Praxiskonzept ernsthaft zu beschäftigen. Dennoch gibt es weitere Kriterien, die Sie unbedingt berücksichtigen müssen. Zum Beispiel Ihr medizinisches Leistungsspektrum, Ihre Zielmitarbeiter, Ihre Kommunikation, ihr Führungsstil, das Praxisleitbild oder eventuell eine Wachstumsstrategie.
Steuerung nur auf Faktenbasis
Sind Sie noch auf Kurs? Eine Frage, die ich hin und wieder Ärzten stelle, wenn Sie bei uns in einem Workshop sind. Die Reaktion ist fast immer gleich, Stille und große Augen. Die meisten Ihrer Berufskollegen wissen nicht, ob sie noch auf Kurs sind. Sie kennen ihre Insel (Traumpraxis) nämlich gar nicht – Sie können schon bald einen Schritt weiter sein. Dann, wenn Sie Ihr Konzept geschrieben haben. Doch aufgepasst! Es kommen immer wieder Böen, die Sie von Ihrem Kurs abbringen können. Ist es eine große, wie zum Beispiel die Corona-Krise, dann werden Sie es schnell merken. Ist es aber nur eine kleine, werden Sie vielleicht viele Monate weitersegeln und erst ganz spät merken, dass Sie sich weit von Ihrem Ziel entfernt haben. Einer Zahnärztin ist genau das passiert. Sie hat eine Abrechnungskraft eingestellt, die sie entlasten sollte. Der Plan ist auch aufgegangen, zunächst. Doch der Schrecken kam später. Nach rund elf Monaten hat sie anhand der Steuerberaterdaten gesehen, dass sich die Kosten zwar deutlich erhöht haben, ihr Umsatz aber gleichgeblieben ist. Am Ende blieb 70.000 Euro weniger Gewinn. Genau das möchte ich Ihnen unbedingt ersparen. Steuern Sie Ihre Praxis nicht schätzungsweise oder nur aus dem Bauch heraus. Steuern Sie anhand von Zahlen, Daten und Fakten. Der Steuerberater stellt Ihnen nach Monaten Daten zur Verfügung, die für das Finanzamt von Bedeutung sind. Ein echtes Praxiscontrolling zeigt Ihnen direkt, dass Sie Ihren Kurs verlassen haben. Und ein richtig gutes Praxiscontrolling zeigt Ihnen sogar, wie Sie diesen wiederfinden und wo es Potentiale gibt, die wir heben können.
Praxiscontrolling für Frauen noch wichtiger
Frauen führen Praxen nicht nur anders, sie müssen es auch. Wenn Sie sich an den 1. Teil zurückerinnern, wissen Sie, dass Praxisinhaberinnen sich schneller gestresst fühlen als ihre männlichen Kollegen. Somit haben „Böen“ in frauengeführten Praxen viel früher negative Folgen. Finanzielle Sorgen führen eventuell zu Entlassungen und/oder Mehrarbeit. Mehrarbeit bedeutet weniger Zeit bei Ihrer Familie und weniger Zeit für sich selbst. Unzufriedenheit und Wut sind häufig die Folge. Verhindern Sie das! Nutzen Sie dazu den Drei-Punkte-Plan und lassen Sie die Praxis-Dynamik nicht Ihr Privatleben gefährden.
So geht’s:
1. Entwickeln Sie auf Basis Ihrer Traumpraxis und ggf. unseres Leitfadens (kostenlos erhältlich. Bei Interesse bitte Email an info@m-mp.de), Ihr individuelles Praxiskonzept.
2. Halten Sie Ihr Praxiskonzept dynamisch, Ihr Leben ist es schließlich auch. Sie sollten jährliche Praxisstrategie-Updates durchführen.
3. Führen Sie ein monatliches Praxiscontrolling ein, welches Ihre individuellen Ziele berücksichtigt.
Und zu guter Letzt: bleiben Sie patientenorientiert und lassen Sie sich dabei helfen, wo Ihre Praxis es braucht (Ihre Patienten tun das ja auch).