Ästhetische Chirurgie und Umsatzsteuer: Was Ärzte wissen müssen
A&W RedaktionLidstraffungen, Brustimplantate, Botox-Behandlungen: Solche Eingriffe können rein ästhetisch motiviert sein – oder eine steuerprivilegierte Heilbehandlung darstellen. Letzteres zu beweisen ist aber nicht ganz einfach.
Schönheitsoperationen können Heilbehandlungen und damit ausnahmsweise von der Umsatzsteuerpflicht befreit sein, wenn der Arzt dem Finanzamt gegenüber nachprüfbare detaillierte Angaben macht und die mit der jeweiligen Behandlung verfolgte therapeutische oder prophylaktische Zielsetzung belegen kann. Schafft er das nicht, muss er für die damit erzielten Honorare Umsatzsteuer abführen.
Die Feststellungslast für das Vorliegen einer Heilbehandlung trifft damit allein den Arzt – und die Anforderungen sind hoch. Um dem Gericht eine Nachprüfung des konkreten Einzelfalles zu ermöglichen, muss er mindestens anonymisierte Patientenakten vorlegen, in denen für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufgezeichnet sind. Zudem müssen die Dokumente Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen dargestellt sein. Das hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg in einem aktuellen Fall entschieden (Az. 5 K 5266/15).
Aufwendige Dokumentation erforderlich
Konkret ging es um eine Berliner Ärztin, die gegen die Kürzung ihrer umsatzsteuerfreien Erlöse aus Schönheitsoperationen geklagt hatte. Zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit der Eingriffe hatte die Frau Kopien von Honorarvereinbarungen vorgelegt. Dort war jeweils der geplante Eingriff genannt. Zudem enthielten die Papiere handschriftlichen Vermerke zur Diagnose. Das Finanzamt – und in der Folge auch das Finanzgericht – bewerteten das als nicht ausreichend.
Dem Gericht fehlte es insbesondere an nachprüfbaren detaillierten Angaben der mit der jeweiligen Behandlung verfolgten therapeutischen oder prophylaktischen Zielsetzung – und die ist elementar, um Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin juristisch anzuerkennen: Heilbehandlungen dienen danach der Diagnose, Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen, sie müssen also einen therapeutischen Zweck haben. Hierzu gehören zwar auch Leistungen zum Zweck der Vorbeugung und zum Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit. „Ärztliche Leistungen“, „Maßnahmen“ oder „medizinische Eingriffe“ zu anderen Zwecken sind hingegen keine Heilbehandlungen – und entsprechend auch nicht steuerprivilegiert.
Für den Bereich der sogenannten Schönheitsoperationen hat der Europäische Gerichtshof inzwischen eindeutig klargestellt, dass ästhetische Operationen dazu dienen müssen, „Personen zu behandeln oder zu heilen, bei denen aufgrund einer Krankheit, Verletzung oder eines angeborenen körperlichen Mangels ein Eingriff ästhetischer Natur erforderlich ist“ (EuGH, Urteil PFC Clinic, C-91/12). Zwar können die gesundheitlichen Probleme, die zu einer steuerfreien Heilbehandlung führen, auch psychologischer Art sein. Erfolgt der Eingriff jedoch zu rein kosmetischen Zwecken, reicht dies nicht aus.
Besser vorher zum Steuerberater
Um festzustellen, ob eine Maßnahme im Bereich ästhetischen Chirurgie als eine von der Umsatzsteuer befreite Heilbehandlung zu qualifizieren ist, müssen Finanzämter bzw. Gerichte daher stets eine Einzelprüfung anstellen. Die Anforderungen an den Nachweis des Vorliegens einer Heilbehandlung sind dabei hoch. Da der Arzt, wie erwähnt, die alleinige Feststellungslast trägt, sollte er sich beraten lassen, bevor er dem Finanzamt Unterlagen vorlegt. Um das Vertrauensverhältnis zu seinen Patienten und das Arztgeheimnis zu wahren, hat er die vorzulegenden Akten darüber hinaus zu anonymisieren, um dem Datenschutz Genüge zu tun.