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Medizin

In einer Mitteilung vom 23. April 2022 berichtete die Weltgesundheitsorganisation WHO von mindestens 169 ungeklärten Hepatitis-Fällen bei im Allgemeinen zuvor gesunden Kindern. Die Meldungen kamen aus dem Vereinigten Königreich (114), Spanien (13), Israel (12), den Vereinigten Staaten von Amerika (9), Dänemark (6), Irland (<5), den Niederlanden (4), Italien (4), Norwegen (2), Frankreich (2), Rumänien (1) und Belgien (1). In Deutschland wurde vom RKI nun auch der erste Fall gemeldet.

Folgen teils dramatisch

Betroffen sind bisher Kinder im Alter von einem Monat bis 16 Jahren. Bei rund jedem zehnten Kind war eine Lebertransplantation erforderlich. Weiterhin wird von mindestens einem Todesfall ausgegangen. Klinisch äußerte sich die akute Leberentzündung durch deutlich erhöhte Leberenzyme, in Verbindung mit einer Gelbsucht. So lagen die Blutwerte für die Aspartat-Transaminase (AST) oder die Alanin-Aminotransaminase (ALT) über 500 IE/l. In vielen Fällen wurden zudem im Vorfeld gastrointestinale Symptome wie Bauchschmerzen, Durchfall und Erbrechen beobachtet.

Freispruch für die üblichen Verdächtigen

Die üblichen Viren, die eine akute Virushepatitis verursachen (Hepatitisviren A, B, C, D und E), konnten in keinem der Fälle nachgewiesen werden. Auch internationale Reisen oder Verbindungen zu anderen Ländern wurden nach den derzeit verfügbaren Informationen nicht als Risikofaktoren identifiziert. Von Reise- und/oder Handelsbeschränkungen für die betroffenen Länder sieht die WHO deshalb zum aktuellen Zeitpunkt ab.

In mindestens 74 Fällen wurden Adenoviren nachgewiesen, wobei molekulare Tests in 18 Fällen den F-Typ 41 identifizierten. Weiterhin wurde in 20 Fällen SARS-CoV-2 nachgewiesen und in 19 Fällen wurde eine Koinfektion mit SARS-CoV-2 und Adenoviren festgestellt.

Adenoviren im Visier

Im Vereinigten Königreich, wo bisher die meisten Fälle gemeldet wurden, wurde jüngst ein deutlicher Anstieg von Adenovirus-Infektionen – insbesondere in Stuhlproben von Kindern – beobachtet. Zeitgleich vermeldeten auch die Niederlande einen Anstieg der Adenovirus-Zirkulation in der Bevölkerung.

Laut WHO erklärt jedoch eine Adenovirus-Infektion nicht vollständig die Schwere des Krankheitsbildes in den gemeldeten Hepatitis-Fällen. So gebe es zwar Fallberichte über Hepatitis bei immungeschwächten Kindern mit einer Adenovirus-Infektion, aber es sei nicht bekannt, dass das Adenovirus Typ 41 bei ansonsten gesunden Kindern eine Leberentzündung verursacht.

Spurensuche läuft auf Hochtouren

Dennoch gilt es, möglichen Einflussfaktoren nachzugehen. Dazu gehören beispielsweise eine erhöhte Anfälligkeit bei Kleinkindern infolge einer geringeren Zirkulation von Adenoviren während der COVID-19-Pandemie, das mögliche Auftreten eines neuartigen Adenovirus sowie eine SARS-CoV-2-Koinfektion.

In den betroffenen Ländern laufen aktuell zudem weitere Untersuchungen. Diese umfassen detailliertere Anamnesen zu Klinik und Exposition, Umwelt- und Lebensmitteltoxizitätstests sowie zusätzliche virologische bzw. mikrobiologische Tests.