Inflation und Immobilienbesitz: Das zweischneidige Schwert
A&W RedaktionBetongold gilt als Klassiker, um sich abzusichern, wenn Geld immer weniger wert wird. Aber wie wirkt sich das schnell steigende Preisniveau tatsächlich auf die unbewegliche Anlageklasse aus und was bedeutet das für Häuslebauer oder Eigenheimbesitzer mit Finanzierungen?
Grundsätzlich ist eine Immobilie eine feine Sache, wenn die Inflation anzieht, denn solche Sachwerte gelten als langfristig wertstabilisierender Vermögensanker. Hinzu kommt, dass theoretisch bei Finanzierungen die reale Schuldenlast sinkt, wenn das Zinsniveau unterhalb der Inflationsrate liegt. „Allerdings muss man sich dazu diese Schulden grundsätzlich leisten können“, sagt Andreas Glogger, Geschäftsführer und Inhaber bei GLOGGER & PARTNER Vermögensverwaltung GmbH mit Standorten in Krumbach und Stuttgart. Gleichen Lohnsteigerungen die gestiegenen Preise für Energie, Lebensmittel und Co. nicht vollständig aus, schrumpft insgesamt nämlich das frei verfügbare Budget für die Kreditlast. „Wurde da zu knapp kalkuliert, kann das zu großen Problemen führen und sicher geglaubte Finanzierungen platzen lassen“, warnt der Finanzexperte. Auch als Investment sind Immobilien momentan nicht unbedingt immer eine gute Idee.
Ende des billigen Geldes
Seit einigen Jahren klettern die Preise für Immobilien im Schnitt kräftig. Natürlich gibt es hier große regionale Unterschiede und nicht jedes Haus ist gleich, aber in vernünftigen Lagen war eine Wertverdopplung keine Seltenheit. Das lässt sich auch am Hauspreisindex des Bundesamtes für Statistik ablesen, der von 83,9 im Jahr 2010 auf 154,7 im Jahr 2021 stieg. Eine Hauptursache dafür: Die lockere Geldpolitik der Zentralbanken führte zu niedrigen Zinsen, die Nachfrage nach dem Traum vom Eigenheim oder einem Immobilieninvestment als Alternative zu unverzinsten Einlagen stieg.
Heute ist die Ausgangslage aber eine ganz andere: Bei zum Teil zweistelligen Inflationsraten haben die Notenbanken umgesteuert. Das Zinsniveau, insbesondere bei Baugeld mit länger fixierten Konditionen, zog in den letzten Monaten kräftig an (s. Grafik). „Das führt jetzt nicht automatisch zu einem Preisverfall, aber die Nachfrage am Immobilienmarkt dürfte sinken“, sagt Andreas Glogger. Gleichzeit gefährdet der Preisanstieg den Erfolg von Neubauprojekten.
Neubau erfordert Reserven
Denn wer heute ein neues Haus baut oder ein bestehendes sanieren möchte, hat oft gleich gegen drei Kostentreiber zu kämpfen: Zunächst ist das Baumaterial oft schwer zu bekommen und kostet nicht selten erheblich mehr als noch im letzten Jahr. Zweitens braucht es Handwerker und die sind momentan meist so überbucht, dass kaum Angebote zu bekommen sind und wenn, dann oft nur zu Mondpreisen. Zusätzlich sind Baufinanzierungen, die es noch vor wenigen Monaten zu Konditionen von um oder sogar unter einem Prozent im Jahr gab, heute oft drei bis vier Mal so kostspielig. Soll der Traum vom Eigenheim nicht zum finanziellen Albtraum werden, muss hier mit viel Reserve kalkuliert werden.
Unwägbarkeiten für Eigenheimbesitzer
Wer zu den Glücklichen zählt, die bereits in ihrem Wohntraum sitzen, sollte sich jetzt darüber Gedanken machen, wie es nach der Zeit der hoffentlich lange vereinbarten Zinsbindung weitergeht. „Der Abschluss eines Forward-Darlehens hat in den letzten Wochen an Attraktivität verloren, da die Zinsen bereits stark gestiegen sind“, sagt Stefan Eberhardt, Geschäftsführer bei der e/r/w Vermögensmanagement GmbH mit Standorten in Villingen-Schwenningen und Stuttgart. Wer sich angesichts der höheren Belastungen durch die Inflation keine noch weiter steigenden Zinsen in den kommenden Jahren leisten kann, „sollte sich dennoch an seine Bank wenden und sich ein Angebot unterbreiten lassen.“
Zusätzlich gilt es, einen Notgroschen zu bilden, denn nicht nur Immobilienbesitzer, aber diese ganz besonders, müssen für überraschende Ausgaben gewappnet sein. „Wir empfehlen jeder Familie ein Liquiditätspolster von mindestens drei Monatsnettogehältern“, sagt Stefan Eberhardt und rät zusätzlich noch dazu, einen Jahresverdienst anzusparen. Hausbesitzer sollten in der aktuell schwierigen Lage auch so etwas wie den plötzlichen Verlust des Arbeitsplatzes verkraften können, und so kalkulieren, dass sie dann nicht in eine finanzielle Schieflage kommen. Da bleibt am Ende die Erkenntnis, dass Betongold in Inflationszeiten ein wertvoller Besitz sein kann, eine für jeden optimale Lösung ist es aber sicher nicht, insbesondere wenn das Geld schon jetzt knapp ist.
Wann rechnet sich ein Forward-Darlehen? |
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Es klingt in Zeiten von steigenden Zinsen und großer Unsicherheit nach einer prima Idee, eine demnächst auslaufende Baufinanzierung jetzt einfach zu verlängern. Durch ein sogenanntes „Forward-Darlehen“ lassen sich die Konditionen heute festschreiben, wenn in bis zu 5 Jahren eine Anschlussfinanzierung nötig wird.
Aber um zu wissen, ob sich ein solches Forward-Darlehen rechnet, bräuchte es eigentlich eine Glaskugel. Denn sinnvoll ist das alles nur, wenn bis dahin die Zinsen zulegen. Im Prinzip ist das eine Wette gegen die Bank, die einen gewissen Einsatz kostet. Denn umso länger im Voraus ein Forward-Darlehen abgeschlossen wird, desto mehr Zinsaufschlag wird fällig. Angenommen jemand hat eine Finanzierung mit einem Zinssatz von 3,5 Prozent im Jahr und die Zinsbindung läuft in drei Jahren aus. Will er schon heute festlegen, was seine Schulden dann die nächsten zehn Jahre kosten, wird dafür beispielsweise ein Aufschlag von 0,5 Prozentpunkt fällig. Das heißt, nur wenn bis dahin die Baugeldzinsen über 4 Prozent steigen, war das eine gute Idee. Liegen sie darunter, muss der Kredit trotzdem abgenommen werden und der Kreditnehmer zahlt mehr als er müsste. Bei sechsstelligen Kreditsummen sind das dann schnell einige tausend Euro Mehrkosten innerhalb der Zinsbindung. Deswegen gilt für Forward-Darlehen ähnliches wie für Versicherungen, je weniger sich jemand ein Risiko leisten kann, desto eher ist eine Absicherung sinnvoll. Ob sich das letztendlich wirklich gelohnt hat, kann erst hinterher entschieden werden. Baufinanzierungsexperten empfehlen als Faustregel, sich etwa 36 Monate vor Ablauf der Zinsbindung Gedanken über den Anschluss zu machen. Es spricht wenig dagegen, sich in diesem Zeitraum Angebote einzuholen, was die Konditionsabsicherung per Forward-Darlehen kosten würde und dann zu entscheiden, ob es das einem wert ist. |
Autor: Florian Junker