Gesundheits-Investments: 4 Nischen, die sich lohnen könnten
A&W RedaktionAuch wenn Pharma-Riesen den Markt scheinbar dominieren: Anleger können vom Wachstum vieler weiterer Gesundheits-Unternehmen profitieren. Diese sind zum Teil hochspezialisiert, etwa auf die Ausstattung von Biotechnologie-Laboren oder auf Schönheitsbehandlungen ohne OP. Die folgenden Beispiele zeigen einige Gesundheitsbereiche, die für Investoren derzeit besonders interessant sind.
1. Ausstatter für Biotechnologie-Labore
Diese Spezialisten wachsen im Windschatten der Biotechnologie-Branche, die immer wichtiger wird. Fast 50 % aller Medikamente, die europäische Pharmakonzerne derzeit entwickeln, sind sogenannte Biopharmazeutika, zum Beispiel gegen Krebs. Die Herstellung ist jedoch komplexer als bei anderen Medikamenten: Man muss dafür in großem Umfang Wirkstoff-Zellen züchten, vermehren, separieren, reinigen, konzentrieren und braucht dafür viele Spezialgeräte.
„Davon profitieren Unternehmen, die solche Labore ausstatten können, von kleinen Waagen über Kühlungs- und Filtersysteme bis zu großen Bioreaktoren“, weiß Hendrik Lofruthe, Portfolio Manager bei der apoAsset, einer Tochtergesellschaft der Deutschen Apotheker- und Ärztebank. In diesen Behältern, die mehrere Tausend Liter groß sein können, werden die Medikamente mit Bakterien, Pilzen oder Säugetierzellen produziert. Hersteller wie General Electrics (USA) oder die deutsche Merck KGaA sind darauf spezialisiert und besetzen damit eine wichtige Nische.
Diese wird nach Einschätzung Lofruthes bis 2020 noch größer. Zum einen, weil der „Biopharma“-Markt im Schnitt um 8-9 % pro Jahr wächst. Zum anderen, weil zusätzlich so genannte „Biosimilars“ auf den Markt kommen. Das sind günstige Nachahmer-Präparate für Biopharmazeutika, deren Patente bereits ablaufen – ähnlich wie bei Generika. Bis 2020 betrifft dies Patente mit einem Umsatz von über 40 Mrd. Euro. Die Produktion der Biosimilars ist jedoch genauso aufwändig wie beim Original. Davon können Labor-Zulieferer und ihre Anleger zusätzlich profitieren.
2. Strahlentherapie
Ein noch stärkeres Wachstum als Pharma und Biotechnologie verzeichnete zuletzt die Medizintechnik. Im Fokus dieser Unternehmen steht unter anderem ebenfalls die Krebstherapie, insbesondere durch Bestrahlungsgeräte. Jährlich erkranken mehr als 14 Millionen Menschen an Krebs, und vor allem in Schwellenländern ist die Sterberate hoch. In entwickelten Ländern erhält derzeit etwa ein Drittel der Krebspatienten eine Strahlentherapie. Wäre sie schonender und günstiger, könnte sie mehr als doppelt so vielen Patienten helfen, schätzen Marktbeobachter der internationalen Atomenergiebehörde IAEA.
Trotz vieler Verbesserungen in den vergangenen Jahrzehnten treffen die Strahlen nicht nur Krebszellen, sondern zum Teil auch gesundes Gewebe. Um dies zu reduzieren, entwickeln Hersteller Bestrahlungs- und Bildgebungsgeräte in einem. Dadurch könnten Ärzte die Behandlung live besser überwachen, zum Beispiel durch einen integrierten Magnetresonanz-Tomografen (MRT). Strahlenquelle und Magnetfeld dürfen sich dabei aber nicht gegenseitig beeinträchtigen.
Stärker und gleichzeitig schonender ist die Bestrahlung mit Protonen. Sie ist aber auch viel teurer. Daher stehen in Kliniken und Praxen weltweit über 10.000 herkömmliche Strahlengeräte, aber nur einige Dutzend Protonen-Beschleuniger. Um deren Zahl zu steigern, forschen die Hersteller an günstigeren Modellen – ein weiterer Schlüssel zu mehr Wachstum. Dominiert wird die Branche von den Unternehmen Elekta (Schweden) und Varian (USA), die 87 % des Marktes für Strahlentherapie beherrschen.
„Nachdem dieser Markt in den vergangenen Jahren vor allem in Schwellenländern stark gewachsen war, hat sich das Wachstum zuletzt abgeschwächt“, sagt Lofruthe. „Die Bewertungen sind aktuell relativ hoch, weshalb von einer Direktinvestition in diesem Bereich im Moment abzuraten ist“. Interessanter sei es derzeit für Anleger, sich bei MRT-Spezialisten umzusehen.
3. Hörgeräte
Eine weitere Wachstums-Nische sind Hörgeräte. Durch den demografischen Wandel steigt das Potenzial, da Schwerhörigkeit oft altersbedingt ist. Bisher nutzt nur jeder dritte Betroffene ein Hörgerät, anderen ist es unangenehm oder zu teuer. Doch die Branche wandelt sich stark. Neu entwickelte Geräte sind oft diskrete Mikro-Computer, die sich drahtlos mit dem Smartphone verbinden oder automatisch an die Umgebungsgeräusche anpassen.
Alternative Vertriebswege verändern die Branche ebenfalls und gehen weit über die bisherigen Spezialgeschäfte hinaus. Beispiele dafür sind die Optikerkette Fielmann oder die Apothekenkette Boots in Großbritannien, die in ihren Filialen Hörtests und Hörgeräte anbieten, ebenso die US-Warenhauskette Costco. „Für unsere Fonds apo Medical Opportunities und apo Medical Balance investieren wir aktuell nicht in Hörgeräte-Hersteller, sondern in einen weltweit tätigen Hörgeräte-Einzelhändler“, erklärt Fondsmanager Kai Brüning von der apoAsset. Der Handel profitiert davon, dass der Wettbewerb zwischen den Herstellern in diesem Jahr besonders hart ist. Viele Hersteller versuchen, mit neuen Produkten oder besonderen Angeboten Marktanteile zu gewinnen. Die Rivalität führt auch zu Preisdruck. Der Einzelhandel kann sich so die besten Angebote herauspicken.
Weltweit werden etwa elf bis zwölf Millionen Hörgeräte pro Jahr verkauft. 90 % davon teilen sich sechs Hersteller untereinander auf. Dieses Oligopol hat Vorteile für Anleger, ist aber einer der Gründe für die relativ hohen Preise, die bei Premium-Geräten mehrere Tausend Euro betragen. In manchen Ländern übernehmen das die Krankenkassen zu 100 % (Dänemark, Großbritannien) oder zum Teil, wie etwa in Deutschland, Frankreich und den USA. Doch sie prüfen das zunehmend kritisch. Denkbar wäre, dass sich künftig zusätzliche Billigangebote etablieren, zum Beispiel einfache Basis-Hörgeräte, die die Nutzer mit Hilfe von Online-Hörtests selbst anpassen.
4. Schönheit ohne OPs
Nicht zuletzt ist die ästhetische Medizin ein Motor des Gesundheitsmarkts. Allein in den USA ist der Umsatz im vergangenen Jahr um mehr als 10 % auf rund 13,5 Mrd. US-Dollar gestiegen. Mehr als die Hälfte davon sind OPs, doch der Markt für nicht-invasive Behandlungen wächst stärker.
Die OP-freien Methoden betreffen vor allem die Haut. Die fünf häufigsten sind Botox (49 % der Behandlungen) und Hyaluronsäure (25 %), beides gegen Falten, außerdem Haarentfernung (13 %), Hautverjüngung (7 %) und Hautabtragung (6 %). Allein diese Top-5 sind im vergangenen Jahr um rund 24 % gewachsen, die fünf häufigsten OPs „nur“ um rund 9 %.
Treiber ist die Zulassung vieler neuer Methoden. Die verschiedenen Verfahren verfolgen zum Teil gleiche Ziele, aber auf unterschiedlichen Wegen. Einen strafferen Körper versprechen zum Beispiel extreme Kühlung (das US-Unternehmen Zeltiq), Laser (Syneron Medical), thermische Energie (Thermi) und Ultraschall (Venus Concept). „Viele dieser Hersteller sind auch an der Börse notiert“, sagt Lofruthe. „Ihre Geschäftsideen sind fast so zahlreich wie die Problemzonen der Patienten und Kunden“. Über die Wirksamkeit ist sich die Fachwelt nicht immer einig. Im Unterschied zum sonstigen Gesundheitsmarkt ist diese Nische relativ abhängig von der Wirtschaftsentwicklung. Denn die Behandlung ist medizinisch oft nicht zwingend und wird in der Regel privat bezahlt.
Grundsätzlich sollten Anleger bei der Aktienauswahl nicht nur auf Wachstum setzen, sondern das Gesamtbild eines Unternehmens im Auge behalten, so machen es nämlich auch die Anlageexperten der Banken. „Wir suchen für unsere Fonds gezielt nach Unternehmen, die über ihre Produkte oder Dienstleistungen einen Nutzen für den Endkunden beziehungsweise Patienten stiften und ihr Geschäftsmodell nachhaltig umsetzen können“, sagt Brüning. „Dazu gehört eine schlagkräftige Position im Wettbewerb, sei es über Innovationen oder einen besonderen Service, mit denen sich Unternehmen von Rivalen absetzen können“. Auch das regulatorische Umfeld muss stimmen, da Kostenerstattungen die Nachfrage stark beeinflussen. Gerade bei kleinen Unternehmen sollte ferner auf eine überzeugende Finanzierungsstrategie geachtet werden. Sie muss sicherstellen, dass die Unternehmen über das nötige Kapital verfügen, um ihr Wachstum zu finanzieren.