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Finanzen

Mit 7,4 Prozent war die Inflationsrate im April 2022 so hoch wie seit 1981 nicht mehr. Damals waren infolge des Golfkriegs die Mineralölpreise stark gestiegen. Auch jetzt haben bedingt durch den Krieg in der Ukraine vor allem die Preise für Energie merklich angezogen und beeinflussen die hohe Inflationsrate. Doch auch Lebensmittel und andere Güter sind deutlich teurer geworden, der Verbraucherpreisindex legt zu. Viele Praxisinhaber befürchten, dass sich nun auch noch die Kosten für die Praxismiete verteuern könnten, weil der Index die Grundmiete nach oben treibt. Denn viele Gewerbemietverträge sehen eine sogenannte Indexmiete vor – und die kann Praxisinhaber jetzt teuer zu stehen kommen.

Die Indexklausel, auch Gleitklausel, Preisklausel oder Wertsicherungsklausel genannt, findet sich in sehr vielen Gewerbemietverträgen. Sie knüpft die Höhe des Mietzinses an einen bestimmten Index an, zum Beispiel den vom Statistischen Bundesamt ermittelten Verbraucherpreisindex. Sie soll inflations- und deflationsbedingte Verschiebungen sowohl im Sinne des Vermieters als auch im Sinne des Mieters ausgleichen. Sie bezieht sich im Gewerbemietrecht in der Regel auf die vereinbarte Kaltmiete. Betriebs- und Nebenkostenvorauszahlungen werden von der Klausel nicht umfasst.

Echte und unechte Indexklauseln

Bei Indexklauseln unterscheidet man zwischen sogenannten echten und unechten Gleitklauseln. Geregelt ist das Ganze im Preisklauselgesetz (PrKG), das seit 2007 gilt. Bei einer echten Gleitklausel führt die Änderung der Bezugsgröße im vereinbarten Index unmittelbar zu einer Änderung der Grundmiete. Verändert sich beispielsweise der vom Statistischen Bundesamt ermittelte Verbraucherpreisindex um fünf Prozent, verändert sich auch die Miete automatisch um fünf Prozent. Die unechte Gleitklausel passt die Grundmiete nicht automatisch an, sondern es bedarf weiterer Handlungen der Vertragsparteien. Eine solche Klausel kann zum Beispiel so formuliert sein: „Verändert sich der vom Statistischen Bundesamt ermittelte Verbraucherpreisindex um fünf Prozent, soll die Angemessenheit der Miete überprüft und die Miethöhe neu vereinbart werden.“

Unechte Gleitklauseln sind grundsätzlich zulässig und wirksam. Echte Gleitklauseln sind dagegen eigentlich unzulässig. Im Gewerbemietrecht können echte Gleitklauseln aber ausnahmsweise zulässig sein, wenn sie bestimmte Vorgaben nach dem PrKG erfüllen. Dies ist der Fall, wenn

  • die Mietänderung durch die Änderung eines vom Statistischen Bundesamt oder einem Statistischen Landesamt ermittelten Preisindex für die Gesamtlebenshaltung oder eines vom Statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaft ermittelten Verbraucherpreisindex bestimmt wird und
  • der Vermieter für die Dauer von mindestens zehn Jahren auf das Recht zur ordentlichen Kündigung verzichtet oder der Mietvertrag auf mindestens zehn Jahre abgeschlossen wurde oder der Mieter das Recht hat, die Vertragsdauer auf mindestens zehn Jahre zu verlängern,
    und
  • weder Mieter noch Vermieter durch die Indexklausel unangemessen benachteiligt werden.

Eine unangemessene Benachteiligung liegt zum Beispiel dann vor,

  • wenn eine Mieterhöhung bei einem Anstieg der Bezugsgröße vereinbart wird, umgekehrt aber keine Mietsenkung bei einem Absinken der Bezugsgröße;
  • wenn sich die Miete überproportional verändern soll, also beispielsweise der Verbraucherpreisindex um fünf Prozent steigt, die Miete aber um sechs Prozent. Im umgekehrten Fall gilt das aber nicht, da dies den Mieter nicht benachteiligt.

Berechnung der Mieterhöhung ist fehleranfällig

Verstößt eine echte Gleitklausel gegen diese Vorgaben, ist sie unzulässig, aber nicht automatisch unwirksam. Möglich macht es eine Vorschrift im PrKG. Nach § 8 tritt die Unwirksamkeit einer Indexklausel nämlich erst zum Zeitpunkt der rechtskräftig festgestellten Unzulässigkeit der Klausel ein – also mit einem rechtskräftigen Urteil. Bis dahin ist die Klausel anwendbar. Mieter können Mietzahlungen, die auf Grundlage einer unzulässigen Indexklausel geleistet wurden, nicht zurückfordern.

Bei einer Mietanpassung aufgrund einer Indexklausel ist die genaue Berechnung des neuen Mietzinses oft gar nicht so einfach. So wird bei der Berechnung der Indexänderung oft fälschlicherweise nicht zwischen einer Änderung des Indexes um Prozent und einer solchen um (Prozent-)Punkte unterschieden, was zu unterschiedlichen Ergebnissen führt. Während die Veränderung eines Indexes um (Prozent-)Punkte anhand der Indextabellen abgelesen werden kann, muss die prozentuale Veränderung erst berechnet werden. Helfen kann hier beispielsweise der Wertsicherungsrechner des Statistischen Bundesamtes (www.destatis.de, dort im Menü „Themen“ und unter „Wirtschaft“ das Thema „Preise“ anklicken).

5 Fragen an…

Beate Heilmann, Rechtsanwältin für Mietrecht in der Kanzlei Heilmann Geyer Kühnlein Rechtsanwälte, Berlin

Frau Heilmann, was sollten Praxismieter bei Indexmietverträgen jetzt beachten?

Es ist auf jeden Fall sinnvoll, sich die Klausel genauer anzusehen: Um welche Art von Klausel handelt es sich – eine mit automatischer Anpassung oder eine Verhandlungsklausel? Ist sie wirksam oder unwirksam? Verhandlungsklauseln sind für den Mieter vorteilhafter, denn manche Vermieter verpassen den Zeitpunkt, zu dem sie über die Miete verhandeln können. Rückwirkend können sie die Mieterhöhung dann aber nicht mehr geltend machen.

Welche Gleitklauseln treten denn in der Praxis häufiger auf?

Sogenannte Automatikklauseln, die eine automatische Anpassung der Miete vorsehen, sind recht weit verbreitet. Hier muss nach neuerem Recht im Streitfall gerichtlich geprüft werden, ob die Klausel wirksam ist. Das ist der Fall, wenn sie die im Preisklauselgesetz genannten Anforderungen erfüllt.

Woran es in der Praxis dabei oft hapert ist, dass der Mieter nicht auf die möglichen zehn Jahre Mietdauer kommt, die das Gesetz vorschreibt. Das ist aber Voraussetzung für die Wirksamkeit der Klausel. Ein weiterer häufiger Fehler ist, dass einige Klauseln nur eine einseitige Mieterhöhung vorsehen, aber keine Absenkung der Miete bei sinkendem Index.

Eine gescheiterte Automatikklausel ist zwar unwirksam. Was Mieter aber wissen sollten: Sie wird in der Regel umgedeutet in eine Verhandlungsklausel. Außerdem bergen diese Klauseln ein Risiko: Wenn ich mich als Mieter darauf berufe, dass die Klausel unwirksam ist, das Gericht aber zu einer anderen Einschätzung kommt, laufe ich Gefahr, dass ich einen erheblichen Zahlungsrückstand habe. Das kann zu einer fristlosen Kündigung führen. Eine Heilungsmöglichkeit gibt es hier nicht.

Eine Verhandlungsklausel oder unechte Gleitklausel sieht vor, dass bei einer Steigerung des Index neu über die Miete verhandelt wird. Muss der Mieter der Mieterhöhung hier zustimmen?

Ja, denn die Mieterhöhung ist eben keine Automatik. Wenn der Vermieter Verhandlungen verlangt und sich das im Rahmen der Parameter hält, die Mieterhöhung also nicht höher ausfällt als die Indexsteigerung, dann besteht für den Mieter eine Zustimmungspflicht.

Bei einer Automatikklausel oder echten Gleitklausel erhöht oder erniedrigt sich der Mietzins dagegen automatisch. Müssen Mieter den Index hier immer im Blick behalten und von sich aus bei einem steigenden Index die Miete erhöhen?

Im Prinzip ja, da es sich eben um eine Automatik handelt. Verpasst man das, befindet man sich ganz schnell im Zahlungsverzug. Das stellt ein gewisses Risiko dar und kann theoretisch sogar zu einer fristlosen Kündigung führen. Man kann aber diskutieren, ob der Vermieter nicht vorher abmahnen muss. Verpasst er die Mieterhöhung selbst, könnte man eine Kündigung auch als treuwidrig ansehen. Hilfreich wäre es hier, im Mietvertrag eine Hinweispflicht des Vermieters mit einer Neuberechnung einzubauen, ohne die man nicht in Zahlungsverzug kommt.

Was können Praxisinhaberinnen und -inhaber gegen eine Erhöhung ihrer Praxismiete aufgrund einer Indexklausel tun?

Wenn die Klausel wirksam ist, können Praxisinhaber wenig machen. Trotzdem würde ich auf jeden Fall dazu raten, das Gespräch zu suchen und über die Mieterhöhung zu verhandeln. Ärzte als Mieter sind hier nicht ganz chancenlos. Denn sie sind zahlungskräftige und verlässliche Mieter. Solche Nachmieter muss der Vermieter erst einmal wiederfinden. Gerade wer schon zehn oder 15 Jahre Mieter in der Praxis ist und gute Beziehungen pflegt, sollte den Vorstoß wagen. Denn es ist zu befürchten, dass es zu weiteren Kostensteigerungen nicht nur bei der Grundmiete kommen wird. Auch die Heizkostenvorauszahlungen steigen zum Teil schon kräftig.