Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Finanzen

Warum klagen so viele unternehmerisch scheinbar erfolgreiche Ärzte über ihre Finanzsituation? Die einfache Diagnose lautet, dass sie ihre privaten Finanzströme nicht im Griff haben.

Viele von ihnen werden schon im Studium von Finanzvertrieben geködert und schließen spätestens nach dem Examen eine Vielzahl von unrentablen Sparverträgen ab, oftmals mit absurd hohen Monatsraten. Sie leisten sich oft zu viele Kredite, weil es Ihnen die Banken recht leicht machen. Und oftmals ist die private Ausgabenseite zu hoch, weil vermeintlich eine hohe Liquidität vorhanden ist.

Am medizinischen und unternehmerischen Geschick niedergelassener Ärzte verdienen somit eine Menge Menschen sehr viel Geld, weshalb Ärzte in Finanzvertrieben gerne LEO (leicht erreichbare Opfer) genannt werden.

Die Lösung liegt in der Fokussierung, denn die privaten Finanzströme benötigen genauso viel Aufmerksamkeit, wie die unternehmerischen in der Praxis.

Überschuss ist nicht gleich Gewinn

Der Praxisüberschuss steht nicht zur freien Verfügung, denn von diesem gehen noch Steuern und diverse Fixkosten ab, die berücksichtigt werden müssen. Das führt bei Praxisinhabern nicht selten dazu, dass man zwar einen vermeintlich hohen Gewinn verbuchen kann, dennoch aber das Gefühl hat, sich nichts leisten zu können. Das Geld verrinnt einem zwischen den Fingern.

Private Liquiditätsplanung schafft Ordnung

Daher ist es unumgänglich, dass man die Sorgfalt, die man für seine unternehmerischen Zahlen aufwendet, auch für seine privaten Finanzflüsse in gleichem Umfang walten lässt. Was für die Praxis die BWA ist für den privaten Bereich die Finanzplanung. Sie bildet das Navigationsinstrument für finanzielle Entscheidungen.

„Wer seinen Hafen nicht kennt, für den ist kein Wind der richtige“ – Seneca

Um sein finanzielles Ziel zu erreichen, ist es wichtig, sich mit diesem auseinanderzusetzen. Wofür oder wen investieren wir die ganze Arbeitszeit und generieren den Umsatz?

  1. Finanzielle Sicherheit
: Ich kann aufhören zu arbeiten, weil alle privaten Ausgaben gedeckt sind.
  2. Finanzielle Vitalität
: Ich kann mir zusätzlich noch die schönen Dinge des Lebens leisten.
  3. Finanzielle Freiheit: 
Ich kann vollkommen frei agieren und investieren, ohne zu arbeiten.

Diese Ziele haben sich weltweit als die finanziellen Masterziele herauskristallisiert, nach denen die meisten Menschen streben.

Status Quo: Wo stehe ich eigentlich?

Nachdem die Zielrichtung klar ist, ist es wichtig zu wissen, wo ich stehe. Welches finanzielle Potenzial steht mir zur Verfügung, um meine finanziellen Ziele einem Realitätscheck unterziehen zu können. Dazu ist es wichtig, den Liquiditätsbedarf zu ermitteln. Gerade bei Ärzten ist der Liquiditätsbedarf in der Regel sehr hoch. Zum Versorgungswerk gesellen sich regelmäßig viele private Altersversorgungsverträge, zahlreiche Kredite für Praxis, Eigenheim und vermietete Objekte, private Krankenversicherungen für die ganze Familie und ein generell hoher Lebensstandard. In den seltensten Fällen hat der Arzt darüber eine detaillierte Übersicht. Von einer Hochrechnung auf die kommenden Jahre ganz zu schweigen. Dabei kann man z.B. die Studienkosten der Kinder auch heute schon quantifizieren und in die Liquiditätsplanung einbinden.

Fundierte Liquiditätsplanung verschafft Überblick

Eine fundierte Liquiditätsplanung gibt eine detaillierte Übersicht über die aktuellen Kosten, plant zukünftige Ausgaben heute schon ein und unterzieht diese Ausgaben diversen Stresstests, wie z.B. Umsatzrückgang, Krankheit oder Tod.

Beispiel: Doktor H. 35 Jahre alt, verheiratet, 3 Kinder, überlegt ein Eigenheim zu bauen. Kosten des Projektes 1.200.000 €. Der Finanzierungsaufwand über Zins und Tilgung beläuft sich auf 66.000 € jährlich. Dr. H kann diese Investition aus seinem Liquiditätsüberschuss bestreiten. Dieser beläuft sich nach Abzug aller unternehmerischen und privaten Kosten auf 80.000 €, sodass ein Polster von etwas mehr als 1.000 € monatlich verbleibt.

Bei Krankheit sieht das Ganze anders aus. Er muss einen Arzt temporär anstellen, die Praxiseinnahmen reduzieren sich oder fallen ganz weg und die Krankentagegeldversicherung und Berufsunfähigkeitsabsicherung müssen die entstandene Lücke schließen. Der Überschuss wandelt sich mit Krankheitsbeginn in eine Unterdeckung von jährlich mehr als 80.000 €, die ausgeglichen werden muss. Keine gute Ausgangssituation, um schnell wieder zu genesen.

Dezidierte Betrachtung nach tatsächlichem Bedarf

Diese Berechnungen finden im normalen Alltag des Arztes wenig oder keine Berücksichtigung. Die Absicherungen werden in aller Regel nach der finanziellen Möglichkeit des Arztes oder dem verkäuferischen Geschick des Finanzberaters getroffen. Eine dezidierte Betrachtung nach dem tatsächlichen Bedarf findet nicht statt. Dabei sollte doch genau dies im Mittelpunkt aller finanziellen Entscheidungen stehen. Oftmals kommt bei einer genauen Betrachtung heraus, dass bereits getroffene finanzielle Entscheidungen den Arzt in seiner Existenz gefährden können, wenn mal nicht alles glatt im Leben läuft.

Ein guter Finanzplan bewahrt vor finanziellen Fehlentscheidungen. Die folgenden Fehler kommen bei Ärzten sehr häufig vor:

Typische Fehler beim Thema Steuern

Gerade bei steigenden Umsätzen in den ersten Jahren der Selbstständigkeit passiert es häufig, dass die Vorauszahlungen nicht den Umsätzen angepasst werden. Mehr Umsatz bedeutet natürlich auch mehr Steuerlast, die wiederum einer höheren Vorauszahlung bedarf. Passt man dies nicht rechtzeitig an, stehen Nachzahlungen an, die bei fehlender Liquidität weh tun können. Es empfiehlt sich daher ein separates Steuerkonto einzuführen und regelmäßig angepasste Zahlungen darauf zu tätigen. Die Höhe der monatlichen Einzahlungen werden vom Steuerberater bestimmt.

Abschreibungen in der Arztpraxis

Investiert man in seine Praxis, kann man die Investitionen steuerlich abschreiben. Man nennt dies Absetzung für Abnutzung (AfA). Diese Absetzungen führen dazu, dass man seine Steuerlast in der Praxis verringert und dadurch die freie Liquidität erhöht. Diese freie Liquidität ist eigentlich dafür geschaffen, um die Anschaffung zu tilgen. Dies wird in der Praxis häufig vernachlässigt.

Man verkonsumiert die geschaffene Liquidität und erhöht seinen Lebensstandard. Das kann dann zu einem Problem werden, wenn die Abschreibungsfrist abgelaufen und der Steuervorteil nicht mehr vorhanden ist. Plant man die Abschreibung mit seinem Steuerberater und baut den Abschreibungsplan in die Finanzplanung ein, kann man die Liquiditätsschwankungen vorhersehen und frühzeitig darauf reagieren.

Zu hohe Lebenshaltungskosten führen zu Finanzierungsproblemen

Eine fehlende Übersicht über die Lebenshaltungskosten kann zu einem Lebensstandard führen, den die Praxis so eigentlich nicht hergibt. Man nimmt vom Praxiskonto, was eben da ist und übersieht oft Zahlungen, die längerfristig anstehen. Die Urlaube sind zu weit, die Autos zu groß, die Geschenke zu teuer. Es fehlt das Controlling. Hier kann ein Unternehmergehalt Abhilfe schaffen.

Überweist man sich einen Fixbetrag pro Monat, mit dem man seine privaten Ausgaben decken kann, und stimmt diesen regelmäßig mit den Praxiseinnahmen ab, hat man eine gewisse Kontrollfunktion. Ist am Ende des Geldes noch Monat da, dann ist das Gehalt zu niedrig oder der Lebensstandard zu hoch. Hat man Reserven in der Praxis, kann man das Gehalt erhöhen. Hat man keine finanziellen Reserven muss der Lebensstandard gesenkt werden. Das Unternehmergehalt sollte auf ein separates Konto fließen, um die Finanzströme kontrollieren zu können.

Darlehensfalle für Ärzte

Man unterscheidet bei einer Finanzierung zwischen endfälligen Darlehen und annuitätischen Darlehen. Während beim annuitätischen Darlehen Zins und Tilgung über eine gewisse Laufzeit geleistet werden, zahlt man beim endfälligen Darlehen nur Zinsen. Die Darlehenssumme wird am Ende auf einen Schlag getilgt. Diese spart man parallel in einem extra Vertrag an. Das hat für den Arzt den Vorteil, dass er die gleichbleibenden Schuldzinsen steuerlich absetzen kann und für den Finanzberater hat es den Vorteil, dass er ein teures Finanzprodukt verkaufen kann.

Häufig wird in diesem Kontrakt mit Guthabenzinsen gerechnet, welche die Produkte nicht ansatzweise erreichen können und werden. Es entsteht eine Finanzierungslücke, die, je später sie erkannt wird, immer schwerer geschlossen werden kann. Zusätzlich ist dem Arzt oft nicht klar, dass die Liquiditätsbelastung deutlich höher sein kann, als bei einem annuitätischen Darlehen. Daher sollten beide Varianten beispielhaft in der Liquiditätsplanung langfristig berechnet und verglichen werden.

Noch schlimmer ist es, wenn dieses Konstrukt im privaten Bereich eingesetzt wird, da in diesem Fall, die Sollzinsen nicht abgeschrieben werden können.

Ein professioneller Finanzplan als Lösung

Ein professioneller Finanzplan hilft. Zuerst werden die Einnahmen und Ausgaben gegeneinander gestellt. Alle Finanzprodukte kommen auf den Prüfstein. Unrentable Finanzprodukte werden analysiert und danach eliminiert. Ein Kontensystem hilft, die Finanzströme zu entwirren und zu steuern. Mit einem Unternehmergehalt hat der Arzt Gewissheit darüber, mit welchem Geld er privat unproblematisch agieren kann. Mit der Klarheit über die Finanzen durch den Finanzplan, kommen dann auch die Ideen, die benötigt werden, um wirtschaftlich erfolgreich zu agieren. Der Fokus kann dann auch wieder mehr auf andere wichtige Dinge gelenkt werden, die durch finanziellen Stress oft zurückstehen müssen.

Karsten Matt

Honorarberater, Bürogemeinschaft Sincereo Investments

matt@sincereo.de