Mehr frühreife Mädchen in der Pandemie – Forschende liefern mögliche Erklärung
Dr. Melanie SöchtigMit Beginn des Lockdowns aufgrund der Coronapandemie sind die Fälle von Mädchen, welche vorzeitig in die Pubertät kommen, merklich angestiegen. Eine türkische Forschergruppe hat jetzt herausgefunden, woran das liegen könnte.
Der Beginn der Pubertät wird von verschiedenen Faktoren wie Hormonen, Genen, Umwelt- und Ernährungsbedingungen beeinflusst. Das durchschnittliche Alter, in dem Mädchen in die Pubertät kommen, ist von etwa 17 Jahren im frühen neunzehnten Jahrhundert auf etwa 13 Jahre in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts gesunken. In den letzten 30 Jahren wurde dahingegen nur ein geringfügiger Rückgang des mittleren Alters beim Eintritt in die Pubertät verzeichnet.
Doch die Anzahl der Konsultationen mit Verdacht auf eine vorzeitige Pubertät in den letzten beiden Jahren hat Aufmerksamkeit erregt. Seit März – als in vielen Ländern der Lockdown eingeläutet wurde – konnte ein signifikanter Anstieg der Fälle gegenüber dem Vorjahr unter anderem in zwei Studien aus der Türkei und Italien festgestellt werden. Die Ursachen hierfür sind bislang unklar.
Medienkonsum im Visier
Die Ergebnisse einer aktuellen Tierstudie deuten jetzt darauf hin, dass ein Zusammenhang mit der vermehrten Nutzung digitaler Medien bestehen könnte. In ihren Experimenten hielten die Forschenden 18 unreife weibliche Ratten bis zum Eintritt ihrer Pubertät in einem normalen 24-Stunden-Tageszyklus mit zwölf Stunden Helligkeit und zwölf Stunden Dunkelheit. Dabei setzten sie die Tiere aus den beiden Interventionsgruppen für sechs bzw. zwölf Stunden einem Lichtspektrum aus, das durch seinen hohen Blaulichtanteil dem von LED-Bildschirmen ähnelt.
Während bei Ratten aus der Kontrollgruppe die Pubertät durchschnittlich nach 38 Tagen einsetzte, waren es bei den Tieren unter Blaulichtexposition 32 bzw. 30 Tage. Darüber hinaus wiesen die Ratten aus der Interventionsgruppe niedrigere Melatoninspiegel und höhere Spiegel der Geschlechtshormone Östradiol und luteinisierendes Hormon auf als ihre Artgenossen.
Zwar können die Erkenntnisse dieser Studie nicht direkt auf den Menschen übertragen werden, doch liefern sie einen weiteren Erklärungsansatz für den Zuwachs frühreifer Mädchen während des Lockdowns. Weitere Hypothesen bestehen dahingehend, dass eine Gewichtszunahme aufgrund reduzierter körperlicher Aktivität, Ängste im Zusammenhang mit der Pandemie oder das Coronavirus selbst einen Einfluss auf den Eintritt der Pubertät haben könnten.