Privatpatienten: GOÄ-Abrechnung der „kleinen Chirurgie“
Dieter JentzschIm GOÄ-Abschnitt I. sind mit den Positionen 2000 bis 2015 wesentliche Leistungen der „kleinen Chirurgie“ aufgeführt. Die dem Abschnitt vorangestellten „Allgemeinen Bestimmungen“ sollen verhindern, dass im üblichen Ablauf aufeinanderfolgende Leistungen doppelt berechnet werden. Durch geschickte Auswahl der Nummern, können Sie Ihr Honorar juristisch korrekt steigern.
Wer die Abrechnungsmöglichkeiten der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) überblickt, kann bessere Honorare erzielen. Dazu müssen allerdings alle Regeln der GOÄ verstanden und bei der Rechnungsstellung beachtet werden.
Bessere Honorare bei kleinen chirurgischen Leistungen sind möglich
Gerade bei den sogenannten kleinen chirurgischen Leistungen stehen die Chancen für bessere Honorare gut. Schon der genaue Blick auf alle GOÄ-Bestimmungen lohnt sich.
Verbände nicht extra nach GOÄ-Nummer 200 abrechenbar
Ausdrücklich neben operativen Leistungen (auch Ätzung, Fremdkörperentfernung) ausgeschlossen sind Verbände nach GOÄ-Nummer 200. Auch neben Punktionen, Infusionen, Transfusion oder Injektionen kann Nummer 200 nicht berechnet werden, wenn mit dem Verband nur der Einstich versorgt wird. Begründung: Grundsätzlich ist in solchen Fällen nämlich die GOP 200 Bestandteil der Hauptleistung. Beispielsweise wäre eine Leistung nach GOÄ 2000 „Erstversorgung einer kleinen Wunde …“, ohne eine abschließende Abdeckung nicht vollständig erbracht und damit auch nicht honorarfähig.
Keine Regel ohne Ausnahme: Muss das versorgte Areal aber aus medizinischem Grund zum Beispiel komprimiert oder aber fixiert werden, dürfen neben der Hauptleistung auch diese Verbände berechnet werden.
Dann sind Verbände abrechenbar
Wird zum Beispiel an einer Extremität eine entzündete oder vereiterte Wunde behandelt, ist zunächst GOP 2006 richtig. Wird der Körperteil zusätzlich über mindestens zwei große Gelenke fixiert, tritt Nummer 204 hinzu.
Ein Verband ist auch berechenbar, wenn es zu einer Nachblutung gekommen ist.
Begründung: Die Leistungen ab Nummer 2000 (Kapitel L) gelten als operative Leistungen. Da nur der kleine Verband nach Nummer 200 neben operativen Leistungen ausgeschlossen ist, entstehen im selben Behandlungsfall um die weiteren medizinisch notwendigen Verbände keine Diskussionen.
Auswahl der Leistung möglich
Ergibt eine ärztliche Nachschau nur die Notwendigkeit eines weiteren kleinen Verbandes nach Nummer 200, können Ärzte sogar wählen, ob sie 1 + 5 für Beratung und symptombezogene Untersuchung abrechnen, damit sie nicht mit den „Allgemeinen Bestimmungen der GOÄ, Abschnitt B, Nr. 2“ in Konflikt geraten. Hier ist es günstiger, im selben Behandlungsfall auf den Ansatz des Verbandes nach Nummer 200 neben 1 + 5 zu verzichten, denn so ergibt sich ein höheres Honorar.
Materialeinsatz korrekt abrechnen
Nach der GOÄ darf der entstandene Materialeinsatz entsprechend § 10 GOÄ berechnet werden. Anders als die Honorarzuschläge, die direkt hinter der entsprechenden GOÄ-Nummer stehen müssen, dürfen diese Kosten nach § 12 GOÄ hinter den abgerechneten Leistungen stehen. Wird aus wirtschaftlichen Gründen ein Verband nicht berechnet, so steht Ihnen dafür trotzdem der Auslagenersatz zu. Zusätzlich belegt der Eintrag des nicht berechneten Verbandes in der Patientenakte,dass dieser angelegt wurde.
Denken Sie an Honorarzuschläge der Abschnitte „B II und B V“
Bei allen Wundversorgungen sollten Ärztinnen und Ärzte die Inhalte der Erst- oder Folgekontakte nicht vergessen. Sie befragen die Patienten zunächst nach dem Entstehen der Wunde oder zum Heilungsverlauf (Nr. 1) und inspizieren die Wunde (mindestens Nr. 5). Weil verletzte Patienten auch häufig zu „Unzeiten“ in die Praxis kommen oder sogar zu Hause besucht werden, sollten Ärzte auch die Honorarzuschläge der Abschnitte „B II und B V“ im Auge behalten.
Ersatz von Auslagen
Wer häufiger Wunden versorgt, hält in der Praxis einen Vorrat an Anästhetika, Verbandmaterialien und Medikamenten vor. Achtung: Vertragsärztinnen und -ärzte der GKV erhalten mit dem so genannten Sprechstundenbedarf einen kostenfreien Ersatz. Diese Materialien und Medikamente werden ausschließlich für die Versorgung der GKV-Versicherten zur Verfügung gestellt und dürfen nicht für Selbstzahler und Privatversicherte verwendet werden.
Auslagen für Privatversicherte
Der Einkauf aller Materialien und Medikamente für Selbstzahler und Privatversicherte muss gesondert erfolgen und auch belegt werden. Den Praxisinhabern entstandenen Auslagen dürfen den Patienten nur „1:1“ berechnet werden. Und für eine einzelne Auslage höher als 25,56 € muss der Rechnung ein Beleg beigefügt sein.
Fallstricke bei Abrechnung von Material
Angebrochene Großpackungen, die ungenutzt ablaufen, dürfen nicht berechnet werden, sondern nur der konkrete Aufwand für den jeweiligen Patienten.
Kosten durch unnötige Bevorratung vermeiden
Wer teure Materialien (z.B. Kunststoffverbände, Impfstoffe usw.) nicht bevorraten möchte, kann sie rezeptieren und sich von den Patienten direkt wieder ersetzen lassen. Das entlastet die Praxis organisatorisch und finanziell, weiter schützt dieses Verfahren vor Forderungs(teil)ausfall. Näheres zur Auslagenberechnung steht in § 10 Abs. 1 + 2. Hier ist noch einmal detailliert aufgezählt, was als Auslage berechnet werden darf und was nicht. Da der Verordnungstext auch bei der letzten Novelle (1996!) nicht verändert wurde, können zum Beispiel auch Auslagen für an Patienten ausgegebenen Einmalmundschutz oder Einmal-OP-Abdecktücher berechnet werden. Weitergehende Information zum Ersatz von Auslagen finden Sie in Folge 5 der GOÄ-Serie.
Wichtig zur Anästhesie
Nach § 10 Abs. 2 dürfen Reagenzien und Narkosemittel zur Oberflächenanästhesie dem Betreffenden nicht in Rechnung gestellt werden. Wird mit Hilfe einer Injektion oder Infusion betäubt, gehören auch die Auslagen dieser Anästhetika in die Liquidation.
Wundgröße
Auch was eine „kleine oder große Wunde“ ist, spielt bei der Rechnungsstellung nach GOÄ eine wichtige Rolle. Hier haben sich Richtlinien, die auch für die gesetzlichen Unfallversicherungsträger gelten, durchgesetzt:
Raum = kleiner oder größer als 1cm³
Länge = kürzer oder länger als 3 cm
Fläche = kleiner oder größer als 4 cm²
Zuschläge zu ambulanten Operationen
Weiter lohnt sich ein Blick in den GOÄ-Abschnitt „C VIII“. Hier sind besondere Zuschläge aufgeführt, die bei ambulanten Operations- und Anästhesieleistungen fällig werden. Die über 300 dort aufgezählten zuschlagsfähigen Positionen stammen aus nahezu allen Fachgebieten. Schon Nummer 2010 = „Entfernung eines tiefsitzenden Fremdkörpers …“ löst den Zuschlag 446 mit dem Einmalbetrag von 17,49 € aus. Allerdings wird kein Zuschlag gezahlt, wenn die entsprechende Nummer nicht in „C VIII, Allgemeine Bestimmungen Punkt 3“ steht.
Höhere Steigerungssätze anwenden
Ärztinnen und Ärzte sollten zudem das Instrument der Höherbewertung nutzen. Es kann bei allen chirurgischen Leistungen dazu kommen, dass die Kriterien des § 5 GOÄ, nämlich Schwierigkeit, Zeitaufwand und Umstände bei der Ausführung überdurchschnittlich sind. Dann können die einzelnen Leistungspositionen in der Spanne vom 2,3-fachen bis zum 3,5-fachen GOÄ Faktor berechnet werden. Der genaue Grund für die höhere Honorarforderung muss angegeben sein. Beispiel: Bei einer extrem verschmutzten großen Wunde wird die GOÄ-Nummer 2004 angesetzt. Das Honorar zum Einfachsatz beträgt 13,99 €, zum üblichen 2,3-fachen Satz liegt es bei 32,17 € und es kann bis zum 3,5-fachen Satz auf 48,96 € gesteigert werden. Begründung: „Erhöhte Schwierigkeit durch extreme Verschmutzung der Wunde (ggf. mit zusätzlich erschwerter Sicht).“ Wichtig ist die individuelle und nachvollziehbare Begründung pro stärker gesteigerter GOÄ-Nummer.
Richtige Nummern Nutzen
Je nach Indikation kann man abwägen, welche Abrechnung nach der GOÄ finanziell besser für einen ist. Ganz wichtig ist, dass man die Kosten für abrechenbare Materialien auch in der Rechnung ansetzt und somit nicht darauf sitzen bleibt. Letztlich sollte man, sofern begründbar, auch die Möglichkeiten eines höheren Steigerungsfaktors nutzen, um adäquat bezahlt zu werden.