Angemessene Vergütung: Längere Patientengespräche richtig abrechnen
A&W RedaktionDie Sprechstunde trägt nicht umsonst ihren Namen. Sie bietet den idealen Rahmen für Gespräche mit Patienten, die einen erhöhten Redebedarf haben. Nutzen Sie die sprechende Medizin, um Ihren Behandlungserfolg zu steigern. Und gewusst wie, erhalten Sie dafür auch eine angemessene Vergütung.
Schon Paracelsus wusste: „Die beste Arznei für den Menschen ist der Mensch.“ Und so ist das ärztliche Gespräch eines der wichtigsten Werkzeuge, das Ihnen zur Verfügung steht.
Im Praxisalltag ist für Hausärzte ein ärztliches Gespräch mit weniger als zehn Minuten Dauer bereits mit der Versichertenpauschale nach Gebührenordnungsposition (GOP) 03000 abgegolten. Diese enthält obligatorisch einen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt und fakultativ die ärztliche Betreuung eines Patienten bei Kenntnis seines häuslichen und familiären Umfelds – Wissen, das Sie ohne ein Patientengespräch gar nicht haben können. Bei Fachärzten wie etwa Kardiologen oder Pneumologen werden Gespräche mit den Patienten im Wesentlichen über die fachärztlichen Grundpauschalen vergütet.
Problemorientiertes Gespräch
Doch was tun, wenn ein kurzes Gespräch nicht ausreicht? Wenn Sie einen medizinischen Sachverhalt ausführlich erläutern oder Ihre Patienten umfassend beraten möchten? Dann können sich Hausärzte diese Leistung mit der GOP 03230 und 14,06 € (128 Punkte) vergüten lassen, und zwar jeweils für vollendete zehn Minuten Gesprächsdauer pro Sitzung.
Das sogenannte problemorientierte ärztliche Gespräch, das aufgrund von Art und Schwere der Erkrankung erforderlich ist, kann sowohl mit dem Patienten als auch mit einer Bezugsperson geführt werden und ist nicht an eine lebensverändernde Krankheit gebunden.
Das Gespräch ist auch im Rahmen einer Videosprechstunde berechnungsfähig. Dann muss es durch die Angabe einer bundeseinheitlich kodierten Zusatzkennzeichnung dokumentiert werden. Wichtig: Für die Abrechnung gelten die entsprechenden Anforderungen gemäß Anlage 31b zum Bundesmantelvertrag – Ärzte (BMV-Ä).
Tipp: Achten Sie darauf, dass Sie nicht durch zu viele problemorientierte Gespräche in eine Plausibilitätsprüfung nach Zeitprofilen rutschen. Fachärzte können die GOP 03230 nicht in Rechnung stellen.
Psychosomatische Grundversorgung
Bei psychischen und psychosomatischen Beschwerden wendet sich etwa die Hälfte der Betroffenen am liebsten an die Hausärztin oder den Hausarzt – schließlich verbindet sie ein über die Jahre gewachsenes Vertrauensverhältnis.
Deshalb ist es für diese Arztgruppe empfehlenswert, eine Zusatzqualifikation zur Erbringung psychosomatischer Leistungen gemäß § 5 Abs. 6 der Psychotherapie-Vereinbarung zu erwerben.
Da auch bei vielen chronisch-funktionellen Beschwerden wie zum Beispiel dem Reizdarmsyndrom seelische Faktoren eine wichtige Rolle spielen, ist eine entsprechende Weiterbildung auch für fachärztlich tätige Internisten sinnvoll.
Vertragsärzte mit Qualifikation können seelische Krankheiten kompetent behandeln und die zugrundeliegenden Gesprächsleistungen adäquat abrechnen. Voraussetzung ist die Zulassung für die Erbringung und Abrechnung von Maßnahmen zur psychosomatischen Grundversorgung (A&W-KOMPAKT).
Welche GOP kommen infrage?
Als Gesprächsleistungen der psychosomatischen Grundversorgung können die differentialdiagnostische Klärung psychosomatischer Krankheitszustände mit der GOP 35100 und die verbale Intervention bei psychosomatischen Krankheitszuständen mit der GOP 35110 abgerechnet werden.
Beide Positionen werden mit je 193 Punkten beziehungsweise aktuell 21,21 € honoriert und dürfen nicht nebeneinander in Rechnung gestellt werden.
GOP 35100
Die GOP 35100 setzt neben einer differentialdiagnostischen Klärung psychosomatischer Krankheitszustände eine Zeitdauer der Leistungserbringung von mindestens 15 Minuten voraus – dauert das Gespräch länger, kann die GOP trotzdem nur einmal angesetzt werden.
Wichtig: Werden neben dieser Position andere diagnostische oder therapeutische Leistungen abgerechnet, die in der Leistungslegende ebenfalls eine Zeitvorgabe enthalten, muss die Kontaktzeit um insgesamt 15 Minuten überschritten worden sein.
Zu einer sauberen Dokumentation gehört verpflichtend ein Vermerk über ätiologische Zusammenhänge der Störung.
GOP 35110
Laut Leistungslegende muss für die Abrechnung der GOP 35110 eine verbale Intervention bei psychosomatischen Krankheitszuständen sowie eine systematische Nutzung der Arzt-Patienten-Interaktion stattgefunden haben. Auch hier gilt eine zeitliche Untergrenze von 15 Minuten. Der Arzt muss persönlich im Gespräch mit dem Patienten mindestens 15 Minuten tätig gewesen sein und darf währenddessen keine andere abrechnungsfähige Leistung erbracht haben – jedoch davor oder danach.
Die GOP 35110 kann bis zu dreimal täglich, jedoch nur einmal pro Sitzung abgerechnet werden. Bei mehreren, zeitlich getrennten Sitzungen pro Tag sind diese mit Uhrzeit zu dokumentieren.
Relevante Diagnosen
Der EBM (Einheitlicher Bewertungsmaßstab) nennt in der Leistungsbeschreibung zur psychosomatischen Grundversorgung keine Diagnosen.
Damit es nicht zu Streichungen kommt, sollten Sie sich an den in der Psychotherapie-Richtlinie § 26 Abs. 1 festgelegten Indikationen orientieren (siehe Tabelle).
In Abs. 2 heißt es, dass Psychotherapie auch neben oder nach einer somatisch ärztlichen Behandlung von Krankheiten oder deren Auswirkungen angewandt werden kann, wenn psychische Faktoren einen wesentlichen pathogenetischen Anteil daran haben und sich ein Ansatz für die Anwendung bietet. Das beinhaltet – für viele Hausärzte und Internisten wichtig – auch seelische Krankheit als Folge schwerer chronischer Krankheitsverläufe.
Bitte beachten: Ein Gespräch, das lediglich der Erziehungs-, Ehe-, Lebens- oder Sexualberatung dient, fällt nicht in die psychosomatische Grundversorgung.
A&W KOMPAKT
Voraussetzungen für die Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von Maßnahmen der psychosomatischen Grundversorgung:
- Nachweis einer mindestens dreijährigen Erfahrung in selbstverantwortlicher ärztlicher Tätigkeit
- Nachweis fachgebundener Theorieseminare von mindestens 20-stündiger Dauer
- Nachweis über die Reflexion der Arzt-Patient-Beziehung von mindestens 30-stündiger Dauer in regelmäßigen Abständen über einen Zeitraum von mindestens einem halben Jahr
- Nachweis der Vermittlung und Einübung verbaler Interventionstechniken von mindestens 30-stündiger Dauer
Nina Grellmann, A&W-Redaktion