14 Prozent der Patienten betroffen: Patientensicherheit in Arztpraxen mangelhaft?
A&W RedaktionWie steht es in der ambulanten Versorgung um die Patientensicherheit? Schlecht, sagt eine Gruppe von Wissenschaftlern, die dieser Frage nachgegangen ist. Allerdings basieren die Erkenntnisse ausschließlich auf den Angaben von befragten Patienten.
Fehldiagnosen, falsche Verschreibung von Medikamenten, unzureichende Erhebung der Krankengeschichte: Patientinnen und Patienten wissen eine Menge über angebliche Mängel in der ambulanten medizinischen Versorgung zu berichten. Insgesamt 10.000 wurden von einem Team um den Marburger Gesundheitsversorgungsforscher Professor Dr. Max Geraedts zu Problemen bei niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten befragt. Die Forschungsgruppe veröffentlichte ihre Ergebnisse erstmals im Fachjournal “BMJ Open”.
Hintergrund der Befragung
Viele Menschen würden zuerst die Praxis von niedergelassenen Ärztinnen oder Ärzten aufsuchen, wenn sie medizinische Hilfe oder Rat benötigen; „trotzdem gibt es so gut wie keine Daten über Probleme mit der Patientensicherheit in der ambulanten Versorgung, weder in der Bundesrepublik noch international“, erklärt der Mediziner Max Geraedts von der Philipps-Universität Marburg, der die Studie leitete. Schätzungen gäbe es nur für den stationären Bereich und die würden zeigen, dass die Patientensicherheit sehr wohl verbesserungsbedürftig sei: Demnach erleiden 5-10 Prozent aller Krankenhauspatientinnen und -patienten unvorhergesehene Schädigungen.
Probleme mit niedergelassenen Ärzten dokumentiert
Wie es in der ambulanten Versorgung um die Patientensicherheit steht, wollten Geraedts und sein Team ebenfalls wissen und befragten mittels eines neu entwickelten Erhebungsbogens 10.000 Personen über 39 Jahre, die zufällig ausgewählt worden waren. Das Ergebnis: 14 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer berichteten über Probleme, die aufgetreten seien, wenn sie niedergelassene Ärztinnen oder Ärzte konsultierten. Die telefonische Umfrage dokumentiert mehr als 2.500 Einzelfälle.
Typische Probleme der Patienten
Bei 61 Prozent davon geht es um unzureichend erhobene Vorgeschichten der Patientinnen und Patienten oder um unzulängliche Diagnostik. In 75 Prozent der Fälle klagten die Betroffenen über schädliche Folgen wie unnötig lang anhaltende Schmerzen oder die Verschlechterung ihres Gesundheitszustands, die auf die Probleme bei der Behandlung zurückgingen; bei 35 Prozent der Vorkommnisse kam es demnach zu dauerhaften Schäden, 31 Prozent lösten weitere Arztbesuche, 14 Prozent Notfallbehandlungen und 10 Prozent Krankenhausaufenthalte aus. Auf Allgemeinmediziner entfielen 44 Prozent der Patientenberichte, auf Orthopäden 15 Prozent und auf Internisten 10 Prozent.
„Unsere Ergebnisse belegen, dass Probleme der Patientensicherheit in der ambulanten Versorgung häufig sind, oft mit Gesundheitsschäden einhergehen und zusätzliche Behandlungen nach sich ziehen“, resümiert Geraedts. „Die Ergebnisse können helfen, kritische Situationen zu erkennen und gezielte Maßnahmen zur Vermeidung von Problemen zu entwickeln.“
Patientenberichte sollen Verbesserung dienen
Darüber hinaus zeige die Studie, dass Patientenberichte eine wertvolle Quelle zur Identifizierung von Sicherheitsproblemen seien; sie könnten demnach dazu beitragen, die Patientensicherheit zu verbessern. Diesen Aspekt betont auch das „Aktionsbündnis Patientensicherheit“ APS in einer Stellungnahme: Grundsätzlich sei es schwierig, Probleme mit der Patientensicherheit zu erheben, weil die Einschätzung von professionellen Kräften und Betroffenen variiere. „Im Aktionsbündnis sind wir davon überzeugt, dass es von unschätzbarem Wert ist, die Patientinnen und Patienten selbst einzubeziehen, um die Sicherheit in der Versorgung zu bewerten und zu verbessern“, sagt Marcel Weigand, Generalsekretär im APS.
Der Mediziner Professor Dr. Max Geraedts lehrt Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie an der Philipps-Universität Marburg. Neben Geraedts Arbeitsgruppe beteiligte sich Dr. Johannes Leinert vom Sozialforschungs-institut Infas an der Studie. Der Gemeinsame Bundesausschuss, eine Einrichtung der Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen, unterstützte die zugrundeliegende Forschungsarbeit finanziell.