Wie verändert Corona die Krankenhäuser?
A&W RedaktionIn der Corona-Pandemie ist die Bedeutung der Krankenhäuser für die medizinische Versorgung der Bevölkerung deutlich stärker in die öffentliche Wahrnehmung gerückt. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber mit zahlreichen regulatorischen Vorgaben in den Handlungsspielraum der Einrichtungen eingegriffen.
Auf dem Gesundheitskongress des Westens zeigte sich, dass die Debatte um den Strukturwandel und die Frage, welche Krankenhäuser künftig für ein funktionierendes Gesundheitssystem erforderlich sind, wieder Fahrt aufgenommen hat.
Strukturwandel rückt wieder auf die Agenda
In seiner Eröffnungsrede betonte der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl Josef Laumann, mit einem neuen Krankenhausrahmenplan bis spätestens Ende Februar 2021 Konsequenzen aus der Corona-Pandemie zu ziehen. Der Minister lobte die Zusammenarbeit der Häuser während der Corona-Krise. Hierzu zählte er auch das vorgezogene Projekt „Virtuelles Krankenhaus“ bei dem sich Kliniken vielfach bezüglich der Behandlung schwerer Beatmungsfälle von Spezialisten aus anderen Häusern beraten lassen konnten und auf diese Weise Verlegungen vermieden haben. Diese Zusammenarbeit soll für weitere Fachbereiche ausgebaut werden.
Das Planungskonzept, dass der Minister nun auf den Weg bringen will, sieht u.a. vor, dass sich die Krankenhäuser mit ihrer medizinischen Leistung bewerben sollen, „aber nur dann, wenn sie die vorgegebenen Qualitätsanforderungen beispielsweise des GBA erfüllen.“
Grundversorger oder Spezialisierung?
In der Session „Welche Krankenhäuser sich rechnen – und was Corona dabei verändert hat“ wagte Prof. Dr. Boris Augurzky, Leiter des Kompetenzbereichs „Gesundheit” beim RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, den Blick in die Zukunft. So habe COVID-19 gezeigt, dass manches doch sehr schnell gehen kann und Strukturen sich verändern. Nach seiner Einschätzung nimmt der Selektionsdruck weiter zu.
Mit Maßnahmen, wie dem Strukturfonds, Vorgaben an die Leistungserbringer oder Personaluntergrenzen forciere der Gesetzgeber zudem die Zentralisierung der Krankenhausstruktur. Die Mittel, die jetzt über das Krankenhauszukunftsgesetz bereitgestellt werden, seien gezielt zu nutzen. Den Daten des RWI zufolge gibt es bei der wirtschaftlichen Stabilität der Krankenhäuser große Unterschiede. So seien größere Häuser besser aufgestellt als solche mit wenigen Betten.
Gleichzeitig sieht er Ländlichkeit nicht als Nachteil. Ein Gesamtkonzept, das neben stationären Angeboten auch ambulante Leistungen oder Möglichkeiten zur Kurzzeitpflege anbietet, kann dort durchaus zukunftsfähig sein. Die diesem Konzept fehlende Spezialisierung wäre über Verbünde mit den im städtischen Bereich einzurichtenden Kliniken oder die telemedizinische Vernetzung mit anderen Zentren möglich. Augurzky betonte, dass die Träger Mut haben müssten, die erforderlichen Veränderungen anzugehen. Für das kommende Jahr gelte es, sich vorzubereiten, denn 2022 werde kritischer.
Defizitfinanzierung verhindert Reformen
Aus Sicht von Prof. Dr. Thomas Mansky, ehem. Leiter des Fachgebiets Strukturentwicklung und Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen an der Technischen Universität Berlin, sollte die Qualität bei der künftigen Krankenhausstruktur im Vordergrund stehen. Er betonte wie wesentlich die Spezialisierung der Einrichtungen auf die jeweiligen Behandlungen sei. Anhand von Daten zur Versorgung von Herzinfarkten zeigte er, dass – innerhalb von 30 Minuten Erreichbarkeit zum Krankenhaus – drei Fälle pro Tag erforderlich seien, um diese Qualität zu leisten.
Tatsächlich versorgten jedoch ein Viertel der Häuser gerade einmal 48 Infarkte im Jahr. Aus seiner Sicht sei es eine Zwei-Klassen Medizin, wenn Versicherte nicht in das Krankenhaus kommen, das für sie am besten geeignet ist.
Mit Blick in die Zukunft gelte es, den Veränderungen der Medizin gerecht zu werden und die wachsenden Möglichkeiten zu realisieren. Skaleneffekte gelten auch für Spezialisierungen, weshalb Mansky sich gegen eine Gießkannenfinanzierung von z.T. defizitären Strukturen aussprach.
Vielmehr forderte er ein Umdenken, das Qualitätsverbesserungen und die Sicherheit der medizinischen Versorgung ermöglicht. Hierbei seien die Unterschiede zwischen Ballungsgebieten und ländlichen Strukturen zu berücksichtigen, wobei er in den städtischen Gebieten mit vielen Kliniken sofortige Handlungsmöglichkeiten beschrieb. Aus seiner Sicht seien insbesondere kleinere und nicht spezialisierte Häuser von den Strukturveränderungen betroffen.
Finanzierung mit Fremdmitteln
Michael Gabler, Bereichsleiter Firmenkunden der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank) verwies darauf, dass in der Corona-Krise mit der Absage elektiver Eingriffe etwa ein Drittel der Behandlungstage im Quartal ausgefallen ist, womit Konsequenzen für die wirtschaftliche Lage verbunden sind. Die Herausforderungen für Krankenhäuser in der aktuellen Situation hat die apoBank auf ihrer Internetseite unter www.apobank.de/krankenhaeuser2020 beschrieben. Die Investitionsbedarfe sieht Gabler auch nach der Krise hoch. Bei der Ansprache von Nachwuchskräften sollte der Imagegewinn, den Fachkräfte zuletzt öffentlich erfahren haben, genutzt werden. Hinsichtlich des Strukturwandels betonte er, dass dieser lediglich verschoben sei, die Neuordnung des Marktes jedoch notwendig bleibe.
Damit Krankenhäuser sich langfristig aufstellen und den Strukturwandel bewältigen könnten, gelte es, auch die Möglichkeiten der Fremdfinanzierung zu kennen. Hierfür sei es unabdingbar, sich mit der eigenen Wirtschaftlichkeit auseinanderzusetzen, die Banken für eine Kreditfinanzierung prüfen müssen. Zu den Einflussfaktoren im Krankenhaussektor zählen neben der Analyse der Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung oder dem Liquiditätsmanagement die Besonderheiten des Sektors. Dazu gehören u.a. der eingeschränkte Zugang zum Kapitalmarkt, die Investitionsbereitschaft der Länder, die Struktur der jeweiligen Träger oder die Wirkung der Rettungsschirme.
In der gegenwärtigen Situation seien die wirtschaftlichen Aussichten sicherlich schwieriger zu ermitteln, weshalb Gabler empfahl, in Szenarien zu planen, um zu beurteilen, ob und wann ein Vorhaben lohnend sei. Die strategische Ausrichtung solle neben dem medizinischen Schwerpunkt auch einen passenden Finanzierungsmix in den Blick nehmen. Noch immer gäbe es im Markt Optimierungspotenzial bei der Zusammensetzung der kurz,- mittel- oder langfristigen Mittel. Dies lasse sich über eine aktive Auseinandersetzung in Zusammenarbeit mit der Bank bewältigen.
Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen
Stephan Buttgereit, IT-Koordinator bei der PVS holding GmbH, schilderte, inwiefern die Krankenhäuser bei der Digitalisierung noch Nachholbedarf haben. Beispielsweise liefe bei den Abrechnungen nur ein kleiner Teil digital. Zudem seien die Prozesse, selbst dort, wo digitale Daten zur Verfügung stehen, noch nicht optimal. Noch würden Daten in PDFs eingelesen, die dann nicht weiterverarbeitet werden können.
Insgesamt sieht er deutliche Verbesserungspotenziale für die Arbeitsabläufe. Aufgrund fehlender Technik würden zudem oftmals nicht alle Arbeiten konsequent erfasst. Ein Problem dabei sei die fehlende Intraoperabilität, wenn also in einer Einrichtung zu viele unterschiedliche Systeme nebeneinander bestehen, die noch nicht miteinander vernetzt sind. Das Zielbild einer Interoperabiltität, bei der die Krankenhäuser über Schnittstellen auch Daten nach extern tauschen können, sei daher noch erschwert zu erreichen.
Zusammenarbeit in der Praxis
Wie in vielen anderen Diskussionen auf dem Kongress, nahm auch Dr. Patrick Frey, Geschäftsführer der Rhein-Maas Klinikum GmbH, die Zusammenarbeit mit anderen Häusern in den letzten sechs Monaten als positive Begleiterscheinung aus der Krise wahr.
Hinsichtlich der Problematik bei der Digitalisierung betont er, dass es darum gehe die richtigen Lücken zu schließen. Krankenhäuser müssten genau prüfen, auf welche Maßnahmen sie setzen, denn zunächst einmal koste die Digitalisierung. Um nicht schlechte Prozesse einfach nur zu digitalisieren, gelte es, sich bewusst zu machen, dass Digitalisierung eine Transformation der gesamten Einrichtung bedeute.
Bei den Wachstumsfeldern für Krankenhäuser sieht er, entgegen aktueller Umfragen, nicht die Steigerung der stationären Erlöse an erster Stelle. Herausfordernd für die Zukunft sei neben der erschwerten Planung das ambulante Setting und der Wettbewerb mit Medizinischen Versorgungszentren, die nicht die Vorhaltekosten eines Grundversorgers hätten. Bei der Finanzierung stehen für ihn weniger Fremdmittel der Banken im Vordergrund. Interessant seien Kooperationen, beispielsweise mit der Industrie.
Herausforderung Ambulantisierung
Auch René Thiemann, Geschäftsführer der Hüttenhospital gGmbH, betonte die gute Zusammenarbeit der Kliniken in der Corona-Pandemie. Hinsichtlich der künftigen Entwicklung gelte es nicht an Strukturen festzuhalten, die sich nicht rechnen. Er beschrieb, wie er sein vergleichsweise kleines Haus als Grundversorger in der Region aus der Insolvenzgefahr bekommen hat.
Dabei waren insbesondere die Kostensteigerungen im Personalbereich, Pensionsverpflichtungen und die Schwierigkeit, mitarbeitende Ärzte im ländlichen Raum zu halten, herausfordernd. Über Fördermittel, einen Solidarpakt mit den Gesellschaftern und der Beteiligung von Mitarbeitern ist es ihm gelungen, die Insolvenzbedrohung zu beenden. Für die Zukunft zählt auch er die Ambulantisierung zu den größeren Herausforderungen.
Der Gesundheitskongress des Westens fand am 08. und 09. September 2020 statt. Aufgrund der Hygieneregeln wurden mit 280 Teilnehmern weitaus weniger als üblich im Kölner Kongresszentrum Gürzenich eingelassen. Mehr als 200 Teilnehmer nahmen online Teil und folgten den Kongress-Sessions per Videostream am Computer.