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Beleidigungen, Drohungen oder sogar Körperverletzungen – Krankenhäuser in Deutschland verzeichnen immer mehr Fälle von Gewalt gegen ihre Beschäftigten. Das geht aus einer aktuellen repräsentativen Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) hervor. An der Befragung vom 08. bis zum 11. April 2024 nahmen bundesweit 250 Allgemeinkrankenhäuser ab 100 Betten teil.

Dabei gaben knapp drei Viertel (73 %) der Klinikleitungen an, dass die Zahl der Übergriffe auf ihr Personal in den vergangenen fünf Jahren mäßig (53 %) oder deutlich (20 %) gestiegen ist. Lediglich 4 % der Häuser vermeldeten einen Rückgang von Gewalt.

Vor allem Pflege und Notaufnahme von Gewalt gegen Mitarbeiter betroffen

In den meisten Kliniken (80 %) waren in erster Linie Angestellte im Pflegedienst Opfer von körperlicher und verbaler Gewalt. Nur 1 % der Krankenhäuser gab an, dass überwiegend der ärztliche Dienst betroffen war, und bei 19 % waren die Übergriffe nach diesen beiden Berufsgruppen etwa gleich verteilt. Die Notaufnahme war in der Hälfte der Kliniken der Bereich, in dem die meisten der Übergriffe stattfanden.

Als Hauptursache für Gewalt nannten 77 Prozent der Krankenhäuser einen besonderen Zustand des Patienten, beispielsweise bedingt durch Alkohol oder Schmerzen. Weitere häufig genannte Ursachen waren ein allgemeiner Respektverlust gegenüber dem Personal (73 %), eine spezielle Klientel wie Patienten mit Schizophrenie oder Demenz (69 %) und lange Wartezeiten (40 %).

Warum lange Wartezeiten zu Aggressionen führen

„Überlange Wartezeiten in den Notaufnahmen, verursacht durch Überlastung wegen Behandlungen, die auch ambulant durchgeführt werden können, führen zwar zu Unmut und Frust. Sie entschuldigen aber nicht, dass gegenüber den Mitarbeitenden im Krankenhaus viel zu oft die Schwelle zur Gewalt überschritten wird“, erklärte Prof. Henriette Neumeyer, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der DKG, in einer Pressemitteilung. „Es kann nicht sein, dass das Krankenhaus als letztes Glied in der Kette zum Austragungsort für gesellschaftliche Probleme wird und dass die Beschäftigten die Folgen fehlender Patientensteuerung am eigenen Körper zu spüren bekommen.“

Arbeitsausfälle und Kündigungen sind die Folgen der Angriffe in Kliniken

Die meisten Krankenhäuser gaben an, dass die Übergriffe gelegentlich (73 %) oder häufig (14 %) merkliche psychische Belastungen beim Personal nach sich zogen. In jeweils rund zwei Drittel der Kliniken kam es gelegentlich oder häufig dazu, dass die betroffenen Mitarbeitenden ihren Dienst vorzeitig beendeten, sich in ärztliche bzw. therapeutische Behandlung begaben oder sich arbeitsunfähig schreiben ließen. Knapp ein Viertel (24 %) nannten sogar Kündigungen als Folge der Übergriffe.

Zur Prävention und Bewältigung von Übergriffen auf das Personal setzten die Krankenhäuser unter anderem folgende Maßnahmen um: Deeskalationstrainings für Mitarbeitende besonders betroffener Stationen (65 %), die Umsetzung baulicher und technischer Maßnahmen wie Zutrittskontrollen oder Videoüberwachung (64 %) sowie klinikinterne Handlungsempfehlungen bzw. Leitlinien zum Umgang mit aggressiven Patienten oder körperlichen und verbalen Übergriffen (jeweils 60 %).

Krankenhäuser brauchen mehr Unterstützung beim Thema Sicherheit

Darüber hinaus setzten 28 % der befragten Kliniken Sicherheitspersonal ein, um ihre Mitarbeitenden vor Übergriffen von Patienten, Angehörigen, Begleitern und Besuchern zu schützen. Gleichzeitig sind bei 39 % bzw. 33 % die Kosten für das Sicherheitspersonal deutlich bzw. mäßig gestiegen. Eine gesonderte Refinanzierung dieser Kosten über die reguläre Fallpauschalenfinanzierung hinaus gab es in keinem der Häuser.

Angesichts der zunhemenden Gewalt befürworten fast alle (93 %) der befragten Kliniken eine Ausweitung der Strafverschärfung bei Angriffen gegen alle Krankenhaus-Beschäftigten, vergleichbar der Strafverschärfung für Übergriffe auf Rettungskräfte von 2017.

„Wir fordern eine konsequente Verfolgung der Straftaten und vor allem eine gesellschaftliche Debatte und politisches Handeln über zunehmende Gewalt, soziale Schieflagen und sinkende Hemmschwellen. Auch Strafverschärfungen für Übergriffe gegenüber Krankenhausbeschäftigten analog zu den Verschärfungen bei Angriffen gegen Rettungskräfte sind eine Option“, so Neumeyer.