Deutsche Krankenhäuser: Profite vor Patientenwohl?
Marzena SickingIn Krankenhäusern wird zunehmend profitorientiert gehandelt, auf Kosten von Ärzten und Patienten. Das geht aus einer Studie hervor, die jetzt in Bremen vorgestellt wurde. Darin bestätigen Ärzte und Geschäftsführer aus verschiedenen Kliniken eine erschreckende Fehlentwicklung an deutschen Krankenhäusern.
Die beiden Leiter der Studie “Medizin im Krankenhaus zwischen Patientenwohl und Ökonomisierung” gingen ursprünglich der Frage nach, warum die Patientenzahlen in Krankenhäusern ständig steigen, während sich die Aufenthaltsdauer der Patienten immer weiter verkürzt. Dafür interviewten sie 60 Ärzte und Geschäftsführer in zwölf Bundesländern.
Die Autoren sind vom Fach: Prof. Dr. Karl-Heinz Wehkamp ist Facharzt für Frauenheilkunde und Professor für Gesundheitsmanagement am Socium Forschungszentrum der Universität Bremen. Prof. Dr. Heinz Naegler war bis zu seiner Emeritierung Honorarprofessor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin sowie langjähriger Krankenhausmanager in Wien und Berlin.
OPs ohne medizinische Notwendigkeit bestätigt
Die Ergebnisse der Studie, über die der NDR in einer Sondersendung berichtete, bestätigen, dass im Klinikalltag ein enormer ökonomischer Druck herrscht. Erschreckend ist allerdings, wie weit die Ökonomisierung der Krankenhäuser inzwischen geht: Die Befragten gaben zu, dass Patienten stationär aufgenommen werden, ohne dass es medizinisch notwendig sei. Man führe an ihnen “lukrative” Behandlungsmethoden durch. Außerdem würden Patienten teilweise aus rein wirtschaftlichen Gründen operiert. Nicht nur ein ethisch bedenkliches, sondern zudem auch rechtswidriges Vorgehen. Fast alle Ärzte geben an, dass wirtschaftliche Interessen des Hauses sie häufig in ihrer täglichen Arbeit beeinflussen.
Vertrauen in die Medizin steht auf dem Spiel
“Wir hätten noch viel mehr Ärzte interviewen können. Die meisten hatten geradezu ein Bedürfnis darüber zu sprechen, um Öffentlichkeit und Politik wachzurütteln”, berichtet Prof. Karl-Heinz Wehkamp. Es gäbe aber auch Beispiele einer guten Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Geschäftsführern, bei der es vorrangig um das Patientenwohl gehe, so Prof. Naegler.
Das Fazit der Studienleiter ist trotz der positiven Ausnahmen erschreckend: In deutschen Krankenhäusern komme es nachweislich zu Verletzungen medizinethischer Grundwerte. Das Vertrauen der Patienten in die Medizin steht auf dem Spiel. Sie empfehlen, einen neuen Kodex zu erarbeiten, dem sich alle Mitarbeiter eines Krankenhauses unterwerfen sollen und der sicherstellt, dass medizinisch nicht gebotene Leistungen unterlassen werden. Am Bett eines Patienten dürfe nicht gerechnet werden.