Wie künstliche Intelligenz dabei helfen kann, die No-Show-Rate in Kliniken zu senken
A&W RedaktionJede Praxis und jedes Krankenhaus kennt das Problem der No-Shows: Patienten, die ihre Termine nicht wahrnehmen und diese auch nicht absagen – nicht nur ein Ärgernis. sondern auch ein relevanter Kostenfaktor. Neue KI-Anwendungen sollen dabei helfen, die Wahrscheinlichkeit für ein Nicht-Erscheinen des Patienten zu erkennen und einzukalkulieren. Wie das funktionieren kann, erklärt Dr. Erion Dasho im folgenden Beitrag.
In einer aktuellen Umfrage berichteten deutsche Ärzte und Zahnmediziner von No-Show-Raten von bis zu 30 Prozent. Dies führt zu erheblichen Unannehmlichkeiten – sowohl organisatorisch als auch finanziell: Die reservierten Zeiten stehen anderen Patienten nicht zur Verfügung, können nicht abgerechnet werden und die Verwaltung muss zusätzlichen Aufwand betreiben, um neue Termine zu vereinbaren. Jährlich über 5.000 Euro Verlust aufgrund des Nicht-Erscheinens von Patienten sind auch in Arztpraxen Standard.
Zudem kann das Versäumen eines Termins für die Patienten selbst gesundheitliche Schäden bedeuten, wenn Diagnosen zu spät gestellt, Behandlungen zu spät begonnen oder nicht kontinuierlich durchgeführt werden. Kurz gesagt, das Nicht-Erscheinen eines Patienten zu Behandlungsterminen ist für niemanden vorteilhaft. Je niedriger die Anzahl dieser Vorfälle ist, desto besser für alle Beteiligten.
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz zur Vorhersage von No-Shows
Um die Rate zu senken, setzen immer mehr Gesundheitsdienstleister ihre Hoffnungen auf Künstliche Intelligenz (KI) und Maschinelles Lernen (ML). Diese Technologien analysieren umfangreiche Datensätze, um Muster zu erkennen, die, bezogen auf dieses Beispiel, auf eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für ein Nicht-Erscheinen des Patienten hinweisen.
Anhand dieser prädiktiven Analysen können medizinische Einrichtungen Maßnahmen ergreifen, wie das Versenden von Erinnerungen oder das Anbieten alternativer Termine. Die Vorhersage basiert auf einer kombinierten Analyse historischer Patientendaten sowie sozioökonomischer Faktoren wie Alter, Geschlecht, früherem Terminverhalten, Art der Konsultation und anderen relevanten Variablen. So kann die KI vorhersagen, welche Patienten mit hoher Wahrscheinlichkeit ihren Termin nicht wahrnehmen werden.
KI-gestützte Anwendungen bieten die Lösung
Wie diese Lösung im konkreten Fall aussieht, zeigt das Beispiel eines großen Krankenhauses im Mittleren Osten. Es kämpfte mit einer hohen No-Show-Rate von 18 Prozent und beschäftigte vier Mitarbeiter, die sich nur um die Terminvereinbarungen kümmerten. Trotz gängiger Praktiken wie Textnachrichten, E-Mail-Erinnerungen und Voicemail-Benachrichtigungen konnte das Problem nicht zufriedenstellend gelöst werden. Selbst das Überbuchen von Terminen führte nicht zu den gewünschten Resultaten. An manchen Tagen waren die Termine gut ausgelastet, während an anderen Tagen alle gebuchten Patienten erschienen, was zu einer Überlastung des Personals und zu Unzufriedenheit bei den Patienten führte. Es wurde deutlich, dass ein datenbasierter Ansatz erforderlich war.
Einsatz von ML zur Vorhersage von No-Shows im KKESH
In Zusammenarbeit mit InterSystems hat das King Khalid Eye Specialist Hospital (KKESH) ein Machine-Learning-Modell entwickelt, um No-Shows vorherzusagen. Das Modell nutzt Patienten- und historischen Daten, um Muster zu erkennen und wiederkehrende Faktoren für das Nicht-Erscheinen von Patienten zu identifizieren. Zu den Einflussfaktoren gehörten der Monat, der Wochentag und die Uhrzeit des Termins, die Zeitspanne zwischen Buchung und Termin, die Distanz zwischen Wohnort und Krankenhaus, der Zugang zu Verkehrsmitteln, die Angst vor ärztlichen Behandlungen, die Anzahl der Personen im Haushalt und weitere Aspekte.
Wenn die KI eine Wahrscheinlichkeit von mehr als 70 Prozent für ein Nicht-Erscheinen eines Patienten identifizierte, wurden die für die Terminbuchung zuständigen Mitarbeiter gewarnt. Sie überbuchten den Termin mit einem anderen Patienten, falls nach maximal drei Anrufversuchen keine Bestätigung des Patienten für sein geplantes Erscheinen vorlag. Bei einer über 90-prozentigen Wahrscheinlichkeit für ein Nicht-Erscheinen boten spezielle Supervisoren zusätzliche Unterstützung an, beispielsweise bei der Organisation der Anreise und Abreise.
ML-Anwendung zahlt sich aus
Durch den Einsatz von Machine Learning konnte das Krankenhaus bessere Einblicke in die Patientendaten gewinnen und somit die Versorgungsqualität steigern. Vor der Einführung der KI hatten die Klinikmitarbeiter 500 Patienten pro Woche angerufen. Dank KI sank diese Zahl auf 100 Patienten, weil nur jene mit einer No-Show-Wahrscheinlichkeit von über 70 Prozent kontaktiert werden. Dadurch wurde die Anzahl der Mitarbeiter im Call-Center von vier auf eine reduziert, und die übrigen drei Mitarbeiter konnten an anderen Stellen im Krankenhaus eingesetzt werden. Die frei gewordenen Termine wurden mit einer Woche Vorlauf an andere Patienten weiter vergeben. Insgesamt konnte die No-Show-Rate von 18 Prozent auf 10 Prozent reduziert werden.
Mit diesem neuen datengesteuerten Ansatz ist das KKESH in der Lage, täglich mehr Termine zu vereinbaren und gleichzeitig unzählige Stunden an verlorener Produktivität des Personals zu vermeiden. Die Wartezeit für Patienten wird verkürzt und der Zugang zur Versorgung erleichtert. Das Krankenhaus arbeitet weiter an der Optimierung der Workflows mit dem Ziel, die No-Show-Rate auf 5 Prozent zu senken.
Über den Autor
Dr. Erion Dasho ist als Clinical Advisor bei InterSystems tätig und verfügt über 20 Jahre Erfahrung in allen Bereichen der Wertschöpfungskette des Gesundheitswesens. Unter anderem hatte Dr. Dasho Funktionen im öffentlichen Gesundheitswesen, in der medizinischen Grundversorgung, in der Krankenhausversorgung, in der strategischen Entwicklung von Gesundheitssystemen, in der Telemedizin und in der elektronischen Gesundheitsfürsorge (eHealth) inne. Nach einem Medizinstudium in Allgemeinmedizin und Augenheilkunde erwarb Erion einen Master in Public Health sowie einen BAC+5⁰-Abschluss in internationalem Unternehmensmanagement.