Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
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Für in Deutschland niedergelassene Ärztinnen und Ärzte gelten immer die hiesigen Sozialversicherungsvorschriften. Auch wenn sie zum Beispiel für eine Fortbildung oder einen Kongress ins Ausland fahren, unterliegen sie weiterhin dem deutschen Recht. Und hier kommt die sogenannte A1-Bescheinigung ins Spiel. Mit ihr können Ärztinnen und Ärzte nachweisen, dass für sie weiterhin das Recht des Entsendestaates gilt.

Die meisten Ärzte in Deutschland haben wahrscheinlich noch nie von ihr gehört. Und doch sollte die EU-Verordnung VO (EG) Nr. 883/2004 zur Pflichtlektüre für alle zählen, die regelmäßig auf Kongresse oder sonstige Dienstreisen ins Ausland fahren. Denn wer die Vorgaben des europäischen Regelwerks zum A1 missachtet, riskiert, dass die Reise zum kostspieligen Desaster wird: Fehlt das Formular zur Sozialversicherung, drohen Bußgelder von bis zu 10.000 Euro.

Welchen Zweck hat die EU-Verordnung VO (EG) Nr. 883/2004 und die A1-Bescheinigung?

Ziel der Verordnung ist es, die unterschiedlichen Sozialversicherungssysteme innerhalb der Mitgliedsstaaten der EU zu koordinieren. Geschäftsreisende, die vorübergehend außerhalb ihres Heimatlandes arbeiten, sollen nur zu Hause und nicht auch an ihrem Reiseziel Sozialversicherungsbeiträge zahlen müssen. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es die sogenannte A1-Bescheinigung. Mit diesem Papier weisen Selbststständige und Arbeitnehmer bei einer Entsendung ins Ausland nach, dass sie zu Hause versichert sind. Zugleich bietet das Formular die Gewähr dafür, dass die Reisenden bei ihrer beruflichen Tätigkeit im Zielland beitragsfrei bleiben.

Wer benötigt eine A1-Bescheinigung?

Alle Ärztinnen und Ärzte, die vorübergehend beruflich in einem der folgenden Länder tätig sind, benötigen seit 2010 eine A1-Bescheinigung: innerhalb der EU oder in Island, Liechtenstein, Norwegen, der Schweiz oder dem Vereinigten Königreich Großbritannien oder Nordirland. Können Ärzte bei einer Kontrolle, beispielsweise beim Frühstück im Hotel, keine entsprechende Bescheinigung vorlegen, drohen empfindliche Geldbußen.

Was gilt für andere Länder für die Entsendebescheinigung?

Für das sogenannte vertragslose Ausland wie zum Beispiel Mexiko oder Indonesien gibt es generell keine Entsendebescheinigung. Das bedeutet: Ob die deutschen Rechtsvorschriften bei vorübergehender Beschäftigung im vertragslosen Ausland vorliegen, haben Praxisinhaber im Rahmen der ihnen obliegenden Melde- und Beitragspflichten selbst zu prüfen.

Gibt es für Kurzaufenthalte Ausnahmen bei der A1-Bescheinigung?

Bei kurzfristigen oder kurzzeitigen (bis zu sieben Tagen) Dienst- oder Geschäftsreisen kann die A1-Bescheinigung auch nachträglich beantragt werden. Dies ist rechtlich zulässig und wird von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bestätigt.

Allerdings haben einige EU-Mitgliedstaaten ihre nationalen Vorschriften zur Bekämpfung von Sozialdumping und Schwarzarbeit in letzter Zeit verschärft und schreiben die Beantragung einer A1-Bescheinigung vor Beginn einer entsandten Tätigkeit zwingend vor. Das betrifft vor allem Frankreich und Österreich. Daher empfiehlt es sich, die Kontrollpraxis des Staates, in dem der Kongress oder eine Fortbildung stattfindet, zu beachten.

Fehlende A1-Bescheinigung wird teuer

Erforderlich ist eine solche Bescheinigung für alle Dienstreisen ins EU-Ausland und für geschäftliche Aufenthalte in Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz. Wichtige Information für Mediziner: Als geschäftlicher Aufenthalt gilt nicht nur die praktische Tätigkeit in einem ausländischen Krankenhaus. Auch wer einen Kongress oder eine Fortbildung in einem dieser Länder besucht, sollte stets eine solche Bescheinigung bei sich tragen.

Doch wer ist eigentlich für das Thema A1 zuständig und stellt eine solche Bescheinigung aus? Wie lange sind sie gültig? Und was passiert, wenn man den Zettel einmal vergessen hat? Hier sind die wichtigsten Antworten für Arbeitgeber und Selbstständige.

Wie wird die A1-Bescheinigung beantragt?

Praxisinhaber müssen eine A1-Bescheinigung elektronisch beantragen. Der Antrag auf Ausstellung einer A1-Bescheinigung mit einem Papierformular ist unzulässig, wenn für den jeweiligen Personenkreis (wie in diesem Fall selbstständig Tätige) ein elektronisches Verfahren eingerichtet ist. Die Online-Beantragung erfolgt über folgenden Link: https://standard.gkvnet-ag.de/svnet/. Vorteil: Seit Anfang 2021 ist auch die Pflicht zum Ausdrucken der A1-Bescheinigung weggefallen. Der elek­tronische Nachweis reicht aus.

Was tun, wenn die A1-Bescheinigung nicht rechtzeitig vorliegt?

Bei elektronisch gestellten Anträgen erhalten Ärztinnen und Ärzte einen Antragsnachweis, der zur Dokumentation des Antrags dient. Bei einem Kongress in Österreich empfiehlt es sich, zusätzlich einen Nachweis über die Anmeldung zur Sozialversicherung in Deutschland mitzunehmen. Das kann auch eine frühere A1-Bescheinigung sein.

Ist wirklich für jede beruflich bedingte Reise in der Europäischen Union eine A1-Bescheinigung erforderlich?

Ja, denn die Verordnung zum A1 kennt keine Bagatellgrenze. Selbst, wer grenznah wohnt und nur kurz seinen Dienstwagen im benachbarten Ausland volltanken will, braucht rein rechtlich auch für diese “Entsendung” eine A1-Bescheinigung!

A1-Bescheinigung auch für Durchreise beantragen

Wichtig: Ein Arzt, der, etwa auf dem Weg zu einem internationalen Kongress, mehrere Länder durchquert, braucht für jedes Einzelne eine A1-Bescheinigung: Fährt er also auf dem Weg von Köln nach Brüssel durch Holland, muss er sowohl für die Niederlande als auch für Belgien ein entsprechendes Dokument beantragen.

Was passiert, wenn man ohne A1-Bescheinigung erwischt wird?

Auf die leichte Schulter nehmen sollte man die Thematik im Ausland lieber nicht. Die Sanktionen variieren je nachdem, in welchem Land ein Arzt ohne das Dokument aufgegriffen wird. Sie können im Einzelfall aber ausgesprochen schmerzhaft sein. Zwar lassen es manche EU-Staaten genügen, wenn ein Arzt zumindest den Antrag auf die A1-Bescheinigung vorlegt, weil das endgültige Dokument zum Zeitpunkt der Entsendung noch nicht vorliegt.

Vor allem Österreich und Frankreich kassieren ab

Wer jedoch keinerlei Beleg für seinen Sozialversicherungsstatus liefern kann, muss mit drakonischen Strafen rechnen. Vor allem Österreich und Frankreich kontrollieren A1-Bescheinigungen inzwischen sehr streng und lassen z.B. Ärzte, die eine Fortbildung besuchen wollen, ohne diese Papiere oft gar nicht erst aufs Kongressgelände.

Noch unerfreulicher sind allerdings die finanziellen Folgen der neuen Regelungen. Wird ein Arzt zum Beispiel in Österreich ohne A1-Bescheinigung erwischt, kann die dortige Finanzpolizei von ihm nicht nur Sozialversicherungsbeiträge nach dem Landesrecht erheben. Es drohen auch Bußgelder von bis zu 10.000 Euro. Freiberufler zahlen sie stets aus eigener Tasche – und selbst Arbeitnehmer müssen damit rechnen, dass sie den Betrag erst einmal aus privaten Mitteln berappen müssen, bevor sie ihn (hoffentlich) von ihrem Arbeitgeber erstattet bekommen.