Wie Kassenpatienten gedrängt werden, ihre Rechte aufzugeben
Judith MeisterDer Tätigkeitsbericht des Bundesamts für Soziale Sicherung wirft ein trauriges Schlaglicht auf die Praxis vieler Kassen, ihren Mitgliedern rechtswidrig Leistungen zu verweigern. Den Sachbearbeitern kann man dafür nur begrenzte Vorwürfe machen. Die Weisung kommt oft von ganz oben.
Kranken- und Pflegekassen versuchen offenbar mit zweifelhaften Methoden, Versicherte um ihre Leistungen zu bringen. Das moniert das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) in seinem aktuellen Tätigkeitsbericht. Das BAS führt die Aufsicht über die bundesunmittelbaren Träger der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung.
Der Bericht offenbart unglaubliche Praktiken: An der Tagesordnung sind offenbar zweifelhafte Anrufe und Anschreiben, wenn Versicherte einen Widerspruch gegen einen abgelehnten Bescheid einlegen. Und das Vorgehen hat System. Wörtlich heißt es in dem Papier: „Um sicherzustellen, dass die bundesunmittelbaren Krankenkassen die maßgeblichen Vorschriften zur Widerspruchsbearbeitung beachten, prüfte das BAS im Jahr 2022 verstärkt die Arbeitsanweisungen der Krankenkassen zur Widerspruchsbearbeitung.“
Täuschen und Tricksen zulasten der Patienten
Wenn Versicherte Leistungen bei ihrer Kranken- und Pflegeversicherung beantragen, ist es nicht ungewöhnlich, dass diese zunächst Leistungen ablehnen und die Betroffenen in Widerspruch gehen müssen, um doch noch an ihr Recht zu kommen.
In den Führungsetagen der Kassen scheint man solche Widersprüche allerdings nicht gerne zu sehen. Um die Mitarbeiter zu einer möglichst rigiden Bearbeitung zu bewegen, sieht laut dem Bericht „ein Großteil der geprüften Arbeitsanweisungen eine oder mehrere telefonische Kontaktaufnahmen der Krankenkassen mit den Versicherten vor, die das Ziel hatten, diese Versicherten dazu zu motivieren, ihren Widerspruch zurückzunehmen.“
Anders ausgedrückt: Weil die Kassen Leistungen nicht bezahlen wollen, auf die ihre Versicherten Anspruch haben, rufen die Mitarbeiter der Kassen mehrfach bei den Betroffenen an und fordern sie auf, den Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid zurückzunehmen.
„Zahlreiche Rechtsprobleme“ bei den Krankenkassen
Weiterhin bemängelt der Bericht, dass Versicherte vielfach „nicht umfassend über die Rechtsfolge einer Rücknahme des Widerspruchs informiert werden.“ Auch dieses Vorgehen geht zulasten der Betroffenen. Denn wenn ein Kassenpatient seinen Widerspruch gegen einen Bescheid zurücknimmt, ist die Leistungsverweigerung nicht mehr angreifbar und die Versicherten können keine Ansprüche mehr geltend machen.
Zu den „zahlreichen Rechtsproblemen“ bei den Praktiken der Krankenkassen gehört es laut BAS zudem, irreführende Schreiben an die Versicherten zu verschicken und darin den Eindruck zu erwecken, die Ablehnung des Widerspruchs sei bereits beschlossene Sache.
Elf Krankenkassen und zwei Pflegekassen habe man aufgrund dieses Vorgehens angemahnt. Um welche Anbieter es sich handelt, wurde nicht bekannt.