Tiefschlag aus Karlsruhe: BGH stärkt Geschäftsmodell von Bewertungsportalen
Judith MeisterVom Pizzaservice bis zum Neurochirurgen: Bewertungen im Internet gibt es inzwischen für jede Branche. Doch nach welchen Kriterien vergeben die Portale die Gesamtnoten? Und können die Bewerteten darauf Einfluss nehmen? Das jüngste BGH-Urteil zu diesem Thema ist ernüchternd.
Die Marktmacht von Bewertunsportalen im Internet nimmt zu – und ein Ende des Trends ist nicht in Sicht. Im Gegenteil. In einem aktuellen Urteil hob das höchste deutsche Zivilgericht, der Bundesgerichtshof, ein anderslautendes Urteil der Vorinstanz auf und entschied: Es ist zulässig, dass eine Internetplattform (positive) Bewertungen von Nutzern nicht in die Gesamtnote einbezieht, wenn diese Bewertungen von einem im System hinterlegten Algorithmus als „nicht empfohlen“ eingestuft wurden. (BGH, Urteil vom 14.01.2020, Az. VI ZR 496/18). Das Argument: Die Differenzierung von Bewertungen in „empfohlen“ und „nicht empfohlen“ sei durch die Berufs- und Meinungsfreiheit geschützt. Gewerbetreibende müssten Kritik an ihren Leistungen und die öffentliche Erörterung geäußerter Kritik grundsätzlich hinnehmen.
Der im konkreten Fall vom Bewertungsportal „Yelp“ verwendete Algorithmus sei auch deshalb nicht zu beanstanden, weil die Berechnung des Gesamtwertes auf dem Portal transparent beschrieben werde. Entsprechend müsse auch den Usern des Portals klar sein, dass für die Gesamtnote des Unternehmens nur empfohlene Bewertungen berücksichtigt werden. Auf Yelp, gegen dessen Vorgehen die Betreiberin eines Fitnessstudios geklagt hatte, können die Nutzer Unternehmen, Restaurants und andere Dienstleister mit Noten zwischen einem und fünf Sternen bewerten und ihr Urteil mit Textbeiträgen begründen. Yelp unterteilt die Bewertungen dann in empfohlene und nicht empfohlene Beiträge. Dafür selektiert das Portal unter anderem nach der Qualität des Beitrags und der bisherigen Aktivität des Nutzers.
Im konkreten Fall hatte das Studio der Klägerin auf Basis von zwei Bewertungen nur 2,5 Sterne erhalten. Das erschien ihr ungerecht, da Yelp 74 überwiegend sehr positive Beiträge unberücksichtigt gelassen hatte.
Urteil gilt für alle Branchen
Auch wenn sich das Urteil konkret nur mit dem Geschäftsmodell von Yelp befasste, gehen Juristen davon aus, dass es Allgemeingültigkeit besitzt und die aufgestellten Grundsätze auch für andere Bewertungsportale gelten – wie etwa Jameda & Co. Damit sind Praxischefs, aber auch die Betreiber von MVZ und Krankenhäusern zum Handeln aufgerufen.
Sie sollten in regelmäßigen Abständen nach sich selbst googlen und überprüfen, ob sie im Internet (neue) negative Bewertungen erhalten haben. Wenn ja, gibt es zwei Möglichkeiten, um zu reagieren.
Stellt ein User bei seinem Verriss falsche Tatsachenbehauptungen auf („die Praxisräume sind schmutzig“, „Wartezeiten von drei Stunden und mehr“), können sich Ärzte in den meisten Fällen an den Betreiber des Portals wenden und eine Beseitigung des Kommentars verlangen. Schwieriger wird es, wenn die Bewertung nur eine subjektive Meinung wiedergibt („Ich hatte das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden“). In solches Fällen gelingt es nicht immer, eine Löschung des Beitrags zu erwirken. Einen Versuch ist es aber in jedem Fall wert.