Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Wettbewerbsrecht

Was früher normal war, ist heute verboten: Die Gefahr, als korrupt zu gelten, war für Ärzte noch nie so groß wie heute. Dabei geht es allerdings nicht nur um einen möglichen Image-Schaden: Ärzte müssen sich auf steigende Untersuchungen und Verfahren von diversen Staatsanwaltschaften gefasst machen, wenn sie gegen die geltenden Richtlinien verstoßen. Allerdings ist die Verwirrung über die nun geltenden Regeln bei Ärzten noch immer sehr groß, viele Situationen erscheinen noch immer unklar.

Was Ärzte über die Neuregelung des § 299a Strafgesetzbuch (StGB) wissen sollten und vor allem, welche Situationen in Bezug auf den Korruptionsverdacht besonders gefährlich sind, zeigen die folgenden 5 Beispiele.

1. Fortbildungs-Sponsoring

Gemäß § 32 Abs. 2 und 3 der Muster-Berufsordnung für Ärzte (MBO-Ä) ist ein Sponsoring von ärztlichen Fortbildungsveranstaltungen durch die Pharmaindustrie grundsätzlich erlaubt. Daran hat sich auch mit Einführung des Anti-Korruptionsgesetzes nichts geändert: Eine Strafbarkeit nach § 299a StGB ist nicht zu erwarten, solange keine weiteren schädlichen „Tatumstände“, wie z.B. die Kostenübernahme für Freizeitaktivitäten des Arztes auf dieser Reise hinzukommen. Kritisch wird es für den Arzt, wenn er das Pharmaunternehmen als Gegenleistung für die Finanzierung künftig bei der Abgabe oder Verordnung von Arzneimitteln ohne sachlichen Grund bevorzugt oder er dazu gar aufgefordert wird. Sollte dies der Fall sein, ist der strafrechtliche Bereich eröffnet. Nicht berufswidrig und auch nicht strafrechtlich relevant ist hingegen der reine Versuch des Sponsors, sich durch die jeweilige Veranstaltung zu eigenen Werbezwecken hervorzuheben.

2. Kick-Back-Zahlungen, Rabatt- und Prämiensysteme

An Rabatt- oder Prämiensystemen der Pharmaindustrie sollten Ärzte sich auf keinen Fall beteiligen, denn damit machen sie sich im Zweifelsfall strafbar. Auch Kick-Back-Zahlungen sind in dieser Hinsicht mehr als problematisch.Auch hier gilt: Was früher grenzwertig war, ist heute möglicherweise strafbar.

In einem vom Bundesgerichtshof (BGH) entschiedenen Fall hatte eine Pharmareferentin unter der Bezeichnung „Verordnungsmanagement“ ein sogenanntes Prämiensystem für die Verordnung von Medikamenten aus ihrem eigenen Vertrieb entwickelt. Danach sollten Ärzte 5 % der Herstellerabgabepreise als (Geld)Prämie dafür erhalten, dass sie Arzneimittel des Unternehmens verordneten. Die Zahlungen wurden dabei als Honorar für fiktive wissenschaftliche Vorträge durch den jeweiligen Arzt ausgewiesen. Das System flog auf.

Die beteiligten niedergelassenen (Vertrags-)Ärzte wurden nicht verurteilt. Der BGH vertrat damals nämlich noch die Ansicht, dass die Ärzte nicht als Amtsträger oder Beauftragte der gesetzlichen Krankenkassen im Sinne der geltenden Bestechlichkeitsdelikte beurteilt werden dürften. Heute würde der Fall wohl anders ausgehen: Nach der Gesetzesänderung sind solche Modelle als strafbar anzusehen. Von der Teilnahme an derartigen Maßnahmen ist also dringend abzuraten.

3. Kooperation mit Hilfsmittelerbringern

Das gleiche Problemfeld ergibt sich für unzulässige Kooperationen niedergelassener (Vertrags-)Ärzte mit anderen Hilfsmittelerbringern. Das können beispielsweise Hörgeräteakustiker, Implantathersteller oder Orthopädieschuhmacher sein. Zusätzlich zum Anti-Korruptionsgesetz sind hier auch die berufsrechtlichen Vorschriften der §§ 31 und 33 MBO-Ä zu beachten: Nach diesen Vorschriften dürfen Ärzte ihre Patienten nicht ohne hinreichenden Grund an bestimmte Hilfsmittelerbringer oder sonstige Anbieter gesundheitlicher Leistungen verweisen.

Die Dienstleister widerrum dürfen nach § 128 Abs. 2 SGB Vertragsärzte sowie Ärzte in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen nicht mit Entgelt oder wirtschaftlichen Vorteilen an erteilten Aufträgen partizipieren lassen. Auch andere Zuwendungen im Zusammenhang mit der Verordnung von Hilfsmitteln sind nicht erlaubt.

Bei der Zusammenarbeit von Ärzten mit Unternehmen der Pharmaindustrie und Hilfsmittelerbringern (Hörgeräte, Kontaktlinsen, Verbände, Prothesen, Implantate etc.) muss der Arzt stärker als in den vergangenen Jahren auf unabhängige Entscheidungen achten. Die dazu bestehenden berufsrechtlichen und vertragsarztrechtlichen Vorgaben sind strengstens zu beachten. Wichtig: Die unabhängige Entscheidung sollte der Arzt auch in einer stringenten Dokumentation beweisen können. Für den Fall eines strafrechtlichen Vorwurfes können Entlastungsbeweise so leichter herbeigeführt werden.

4. Anwendungsbeobachtungen

Konsequenzen aus der neu eingeführten Gesetzesnorm ergeben sich auch für sogenannte Anwendungsbeobachtungen. Sofern diese nicht dem reinen Marketing (durch den Arzt) dienen und ihre Ergebnisse veröffentlicht werden, sind sie aus gesundheitspolitischer Sicht nach wie vor gewünscht.

Besteht allerdings der Verdacht, dass der Arzt durch die Teilnahme an einer vergüteten Anwendungsbeobachtung einen unerlaubten Vorteil genossen hat, wird es kritisch. In der Praxis bedeutet das: Entschädigungen, die an Ärzte für ihre Teilnahme an Anwendungsbeobachtungen gezahlt werden, müssen deshalb so gestaltet sein, dass sie nachweislich keinen  Anreiz für eine bevorzugte Verschreibung oder Empfehlung bestimmter Arzneimittel bieten.

Stellt sich in derartigen Vereinbarungen jedoch heraus, dass auffällig hohe Vergütungsregelungen getroffen wurden, wird diese regelmäßig als Indiz für das Vorliegen einer „Unrechtsvereinbarung“ und damit für einen entsprechenden Verstoß gegen das Anti-Korruptionsgesetz gewertet. Dies wird insbesondere dann angenommen, wenn die vorgesehene Vergütung den teilnehmenden Arzt nicht für seinen zusätzlichen Aufwand entschädigen soll, sondern ihm als Provision für die Bevorzugung bestimmter Präparate gezahlt wird.

5. Umgehung des Verbots der Zuweisung gegen Entgelt

Vorsicht ist auch bei der beruflichen Zusammenarbeit von Ärzten und anderen Heilberufen geboten, hier kann es künftig vermehrt zu Verfahren wegen des Verdachts der Korruption kommen. Grundsätzlich ist nach § 18 MBO-Ä ein Zusammenschluss zu Berufsausübungsgemeinschaften, Organisationsgemeinschaften, Kooperationsgemeinschaften und Praxisverbünden erlaubt. Berufs- und strafrechtlich verboten ist er allerdings, wenn damit vor allem das Verbot der Zuweisung gegen Entgelt (§ 31 MBO) umgangen werden soll. Wird also angenommen, dass hier eigentlich eine unlautere Bevorzugung bei der Zuweisung im Vordergrund steht, ist zukünftig der Straftatbestand des § 299a StGB eröffnet und der Arzt hat strafrechtliche Konsequenzen zu fürchten. Aus diesem Grunde sollten Vereinbarungen über bestehende Zusammenschlüsse überprüft und eine mögliche Strafbarkeit bei künftigen Vorhaben ausgeschlossen werden.

Praxishinweise für den Arzt

Die Neuregelungen im Korruptionsstrafrecht sind streng. Doch die Praxisfälle zeigen auch, dass niedergelassene Ärzte, die sich an die Regeln der Berufsausübung halten, vom vielfach zu beobachtenden Generalverdacht der Korruption freigestellt werden.

Zukünftig müssen Ärzte allerdings im Einzelfall genauer prüfen, auf welche Kooperationen Sie sich einlassen und ob das eigene Verordnungsverhalten wirklich den gesetzlichen Regelungen entspricht. Es ist auszugehen, dass auf Grundlage der neu geschaffenen Straftatbestände künftig die Staatsanwaltschaften vermehrt bei niedergelassenen Vertragsärzten tätig werden.

Es ist leider auch deshalb vermehrt mit Strafanzeigen zu rechnen, da nicht nur der möglicherweise benachteiligte Konkurrent oder Patient, sondern auch die Ärztekammer, bestimmte Wettbewerbsverbände sowie die privaten und gesetzlichen Krankenkassen entsprechende Strafanträge stellen können.

 

Erstveröffentlichungsdatum: 09/18