4-Tage-Woche in der Arztpraxis: Wie kann das gut gehen?
Judith MeisterEs gibt kaum eine Branche in Deutschland, die derzeit nicht unter dem Fachkräftemangel leidet. Im Gesundheitswesen ist die Not sogar besonders groß. Dennoch wird ausgerechnet jetzt über die Einführung einer 4-Tage-Woche diskutiert. Doch was wären die Folgen für Praxen und Kliniken?
Arbeitslosigkeit? Überstunden? Das gab es vielleicht in den 1990er-Jahren. Wer jetzt ins Arbeitsleben startet, kann sich seinen Job nicht nur aussuchen. Viele Angehörige der sogenannten Generation Z legen auch größten Wert darauf, dass ihre Erwerbsarbeit der privaten Selbstverwirklichung nicht im Wege steht: Die Frage nach der „Work-Life-Balance“ wird daher oft schon im Vorstellungsgespräch gestellt. Und Praxischefs, die keine flexiblen Arbeitsmodelle anbieten, sind für diese Bewerbergruppe fast schon indiskutabel gestrig.
Die Tatsache, dass von einer großen Gewerkschaft gerade die flächendeckende Einführung der 4-Tage-Woche gefordert wurde, dürfte diese Entwicklung weiter befördern. Viele ärztliche Arbeitgeber stehen daher nun vor der Frage, ob und in welchem Umfang sie ihrer Belegschaft eine solche Option anbieten können – oder wollen.
4-Tage-Woche: Welche Modelle denkbar sind
Die Antwort darauf hängt nicht zuletzt davon ab, wie genau man ein solches Modell ausgestaltet. Denn während den meisten Arbeitnehmern eine Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich vorschwebt, ist es durchaus denkbar, auch eine arbeitgeber- und patientenfreundliche Variante zu etablieren.
- Umverteilen statt reduzieren: Um Arbeitnehmern einen zusätzlichen freien Tag ohne Gehaltseinbußen zu bescheren, bietet es sich zum Beispiel an, die Arbeit auf vier Tage zu verteilen statt auf fünf und die Arbeitszeiten pro Tag entsprechend zu verlängern. Wichtig es dabei allerdings, die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes zu beachten und die gesetzlich vorgeschriebenen Ruhe- und Pausenzeiten einzuhalten. Ist das nicht möglich, lässt sich die Arbeitszeit auch über mehr als eine Woche verteilen, sodass zumindest jede zweite Woche ein zusätzlicher freier Tag herausspringt. Gesamtstundenzahl und Vergütung bleiben auch in dieser Konstellation unverändert und entsprechen der klassischen 5-Tage-Woche.
- Teilzeitarbeit: Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass angestellte MFA oder Ärzte ihre Arbeitszeit auf eine 4-Tage-Woche umstellen. Die Arbeitszeit pro Tag bleibt gleich. Der zusätzliche freie Tag wird aber mit entsprechenden Gehaltseinbußen erkauft.
- Neue Praxisöffnungszeiten: Eine weitere Variante hat Anfang des Jahres der Virchowbund ins Spiel gebracht. Er regte an, den Praxisbetrieb grundsätzlich auf eine Vier-Tage-Woche umzustellen. Die ambulante Versorgung durch niedergelassene Haus- und Fachärzte könne wie bislang an den Tagen Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag stattfinden. Der Mittwoch soll dagegen für Verwaltungsarbeit und Fortbildung genutzt werden. Die Versorgung von Akutfällen könne, wie schon an Wochenenden und Feiertagen, über Bereitschaftsdienste geregelt werden.
Kreative Lösungen werden zur Pflicht
Die Auflistung zeigt, dass eine 4-Tage-Woche auch in Arztpraxen durchaus denkbar erscheint – zumindest, wenn alle Beteiligten bereit sind, an der einen oder anderen Stelle Kompromisse einzugehen. Das gilt ausdrücklich auch für die Arbeitgeberseite. Denn an einer flexiblen Arbeitszeitgestaltung dürfte, trotz – oder gerade wegen – des Fachkräftemangels, kein Weg mehr vorbeiführen, wenn Ärzte ihre Mitarbeiter dauerhaft binden wollen.
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