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Recht

In Zeiten von Instagram und TikTok ist das eigene Aussehen für junge Menschen wichtiger denn je. So auch für eine heute 28 Jahre alte Frau, deren Brüste bereits während der Pubertät asymmetrisch waren. Sie beantragte deshalb im Alter von 15 Jahren bei ihrer gesetzlichen Krankenversicherung die Übernahme der Kosten einer Mamma-Aufbauplastik (MAP). Die Kasse lehnte den Antrag ab. Die Frau klagte.

Brustangleichung auf eigene Kosten durchgeführt

Als sich abzeichnete, dass der Rechtsstreit sich hinziehen würde, ließ die Patientin den Brustaufbau auf eigene Kosten durchführen. Anschließend stellte sie einen Überprüfungsantrag mit Blick auf den ursprünglich negativen Bescheid. So wollte sie doch noch eine Kostenübernahme erwirken.

Vor Gericht hatte sie damit in erster Instanz auch Erfolg. Das Sozialgericht Hamburg befand, dass die Frau den optischen Makel zwar durch spezielle BHs und Kleidung habe kaschieren können (Az. S 46 KR 1137/16). Bei der Bewertung einer Entstellung dürfe jedoch nicht nur auf den bekleideten Zustand abgestellt werden. Vielmehr beeinträchtigten Neugier und abwertende Bewertung nahestehender Personen die psychische Gesundheit viel einschneidender. Dies gelte insbesondere für Jugendliche, die im schulischen Bereich mit Sport- und Schwimmunterricht sowie Klassenfahrten konfrontiert seien und ihre Sexualität entwickelten. Die aus dieser Entstellung resultierende psychische Belastung sei hier zudem – nach der gebotenen Betrachtung ex-ante – nur durch eine MAP zu behandeln gewesen.

Das Berufungsgericht und nun auch das Bundessozialgericht (BSG) teilten diese Rechtsauffassung nicht und entschieden zugunsten der DAK-Gesundheit (BSG, Az. B 1 KR 3/21 R). Das Argument: Die vorgelegten Bilder ließen weder im bekleideten noch im unbekleideten Zustand eine Entstellung erkennen. Auch rechtfertige die psychische Problematik der Klägerin keinen operativen Eingriff.

Gericht wollte keine körperliche Beeinträchtigung erkennen

Weder beeinträchtige die Mammadysplasie der rechten Brust die Frau in einer Körperfunktion, noch habe sie entstellend gewirkt. Denn für eine Entstellung genügt laut BSG nicht jede körperliche Abnormität. Vielmehr müsse es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die erwarten lasse, dass die Auffälligkeit sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi „im Vorbeigehen“ bemerkbar macht. Die Betroffenen müssen also ständig viele Blicke auf sich ziehen, zum Objekt besonderer Beachtung anderer werden und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen drohen.

Eine Entstellung könne zwar in eng begrenzten Ausnahmefällen auch an üblicherweise von Kleidung bedeckten Körperstellen möglich sein. In diesen Bereichen müssen die Auffälligkeiten jedoch besonders schwerwiegend sein. Erforderlich sei, dass selbst die Offenbarung im privaten und vertrauten Bereich die Teilhabe, etwa im Rahmen der Sexualität, nahezu ausschließen würde. Hierbei sei nicht das subjektive Empfinden der Betroffenen maßgeblich, sondern allein die objektiv zu erwartende Reaktion. Die Auffälligkeit müsse also evident abstoßend wirken. Das sei vorliegend nicht der Fall gewesen, sodass die Kasse die Kosten der OP nicht übernehmen musste.