Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Sozialrecht

Die Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern und Selbstständigen beschäftigt Behörden, Gerichte und die Betroffenen seit Jahren. Dennoch bleibt der Gesetzgeber bis lang eine Definition schuldig, wann genau ein Mensch sich in einer abhängigen Beschäftigung befindet, und wann nicht.

Die finale Deutungshoheit bleibt damit bei den Sozialrichtern. Und obwohl die Ärzteschaft in Sachen Scheinselbständigkeit viel Kummer gewohnt ist, gibt es immer noch überraschende Urteile.

Kein Schichtdienst – trotzdem Arbeitnehmerin

So entschied unlängst das Landessozialgericht Hessen: Eine Ärztin, die in einer Reha-Klinik die Urlaubsvertretung für die Leiterin der Orthopäde übernimmt und daher an einzelnen Tagen im Monat eine orthopädische Sprechstunde abhält, ist abhängig beschäftigt, auch wenn sie keinen Stations-Dienst leistet (LSG Hessen Az. L 8 BA 52/20).

Die Entscheidung ist bemerkenswert, denn normalerweise gelten zur Abgrenzung von Arbeitnehmern und Selbstständigen die folgenden Kriterien:

Arbeitnehmer ist – grob vereinfacht – wer seine Leistung zu festen Arbeitszeiten erbringt  und zum Beispiel im Schichtdienst eingeteilt ist. Er muss zudem in die Prozesse oder die Infrastruktur des Auftraggebers eingegliedert sein, dessen Räumlichkeiten nutzen und unmittelbare den Weisungen seines Auftraggebers unterliegen (vgl. § 7 Abs. 1 SGB IV).

Sprechstunden an einzelnen Tagen reichen aus

Vorliegend war die Ärztin gerade nicht zum Schicht- bzw. Stations-Dienst eingeteilt, sondern hielt nur an einzelnen Tagen Sprechstunden ab. Diese fanden zwar in der Klinik statt, an Weisungen ihres Auftraggebers war die Frau aber nicht gebunden, zumal sie ja eine Kollegin in leitender Funktion vertrat.

Das allerdings hielt das Gericht nicht davon ab, die Frau zur Arbeitnehmerin zu machen. Das Argument: Bei „Diensten höherer Art“ sei das Weisungsrecht des Arbeitgebers eher eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert. Das bedeute, dass  gerade bei Leitungspositionen – trotz fachlicher Weisungsfreiheit – eine abhängige Beschäftigung gegeben sein kann.

Kein unternehmerisches Risiko

Vielmehr stellte das Gericht darauf ab, dass die Frau einen festen Stundensatz erhielt, Räumlichkeiten, Arbeitsmittel und Geräte von der Klinik nutzen durfte und die konkreten Arbeitszeiten und -orte nicht selbst bestimmen konnte. Auch habe sie kein unternehmerisches Risiko zu tragen. Damit sei sie nicht selbstständig, sondern als Arbeitnehmerin einzuordnen.

Unerheblich sei in diesem Zusammenhang auch, ob sie ihre honorarärztliche Tätigkeit als Haupterwerbsquelle oder im Nebenerwerb ausübt, ob sie dafür eine hohe oder niedrige Stundenvergütung erhält und es sich nur um kurzfristige und seltene Arbeitseinsätze handelt. Vielmehr zeige die tatsächliche Durchführung der Vertragsbeziehung nach Meinung des Gerichts eine Eingliederung der Ärztin in eine fremdbestimmte Arbeitsorganisation und damit eine anhängige Beschäftigung.