Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Sozialrecht

Kürzertreten ist die eine Sache. Aber aufhören, nur weil man ins Rentenalter kommt? Für immer mehr Senioren und Seniorinnen in der Ärzteschaft scheint das keine Option mehr zu sein – und zwar nicht, weil sie weiterarbeiten müssen, sondern weil sie es wollen.

In vielen Praxen und Kliniken gehören Ärzte, die schon in Rente sein könnten, längst zum betrieblichen Alltag. Sie helfen, den allgegenwärtigen Fachkräftemangel zu mildern. Doch was bewegt die erfahrenen Kolleginnen und Kollegen zum Weitermachen?

Warum Ärzte im Ruhestand weiterarbeiten

Finanzielle Aspekte oder die Sorge vor Altersarmut ist es jedenfalls nicht. Das belegt eine Umfrage des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen. Rund 77 Prozent der Befragten geben vielmehr an, für ihr Selbstwertgefühl weiterzumachen und um weiterhin Wertschätzung zu erfahren (74 %). Das Gefühl, gebraucht zu werden, motivierte gut 72 Prozent. Etwas mehr als 59 Prozent fürchteten sich davor, nichts mehr zu tun zu haben. Die Zahlen stammen zwar bereits aus dem Jahr 2018, doch alles spricht dafür, dass die Motivation zum Weitermachen nach wie vor ähnlich und vor allem ähnlich hoch ist.

Dafür sprechen auch aktuelle Gesundheitsdaten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung: Allein unter Hausärztinnen und -ärzten verdreifachte sich der Anteil der Über-65-Jährigen von rund fünf Prozent im Jahr 2008 auf mehr als 15 Prozent in 2018. Das Durchschnittsalter der Hausärzte in Deutschland ist damit von 52,2 (2008) auf 55,3 Jahre (2018) gestiegen.

Vielfältige Möglichkeiten für Ärzte im Rentenalter

Weitermachen wie vor der Rente wollen allerdings nur die wenigsten. Die meisten bevorzugen flexible Beschäftigungsformen. 70 Prozent wünschen sich eine Teilzeitstelle. Mehr als die Hälfte votieren für eine 20-Stunden-Woche oder nur einen Arbeitstag pro Woche.

Auch was das Tätigkeitsgebiet angeht, sind die Älteren durchaus offen für Neues. Neben einer ärztlichen Tätigkeit als Vertretungsarzt in einer Praxis können sich viele auch eine Arbeit als medizinischer Gutachter, als Reise- oder Hotelarzt oder ein berufspolitisches Engagement vorstellen. Viele bieten sich in der Pandemie zudem als Helfer in den Corona-Impfzentren an. Meist werden die sogenannten Silver Worker bei ihren Einsätzen mit jungen Kollegen zusammenarbeiten. Diese Entwicklung bietet für alle Beteiligte Chancen, aber auch Risiken.

Junge Ärzte profitieren von Erfahrung der älteren

Zunächst zu den positiven Aspekten: Es ist seit Langem bekannt, das gemischte Teams (Männer und Frauen, Alte und Junge) erfolgreicher arbeiten als homogene Gruppen. Zudem können die Jungen von den Alten profitieren. Etwa wenn es darum geht, eine der begehrten Zulassungen in einem gesperrten Planungsbereich zu ergattern und sich der Junior und der Senior zunächst den vorhandenen Sitz teilen. Der Leistungsumfang einer Jobsharing-Praxis ist zwar auf das Abrechnungsvolumen begrenzt, dass die Praxis erzielte, bevor der neue Kollege ins Team kam. Auch ist der Juniorpartner, der sich mit einem Senior in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) zusammentut, erst einmal von seinem älteren Kollegen abhängig, da seine Zulassung an die Zusammenarbeit gekoppelt ist. Nach zehn Jahren der Zusammenarbeit oder bei Entsperrung des Planungsbereichs wandelt sich die beschränkte allerdings in eine unbeschränkte Zulassung um. Und bereits nach fünf Jahren wird der Juniorpartner bei einer Nachbesetzung bevorzugt behandelt, sollte der Praxispartner seine Zulassung zurückgeben.

Kräfteverhältnisse beim Jobsharing

Reibungsverluste kann es aber nicht nur wegen der unterschiedlichen Kräfteverhältnisse beim Jobsharing geben. Die steigende Zahl betagter Ärzte löst auch immer wieder Generationenkonflikte aus. Die Befürchtung der älteren Kollegen, nicht mehr ernst genommen zu werden, ist zwar unbegründet: Die überwältigende Mehrheit der jungen Ärzte schätzt und achtet vielmehr deren Erfahrung, die selbstständige Arbeitsweise und das hohe Qualitätsbewusstsein. Gut ein Drittel glaubt aber auch, dass die älteren Kollegen ihren beruflichen Aufstieg behindern.

Zudem scheint es, als schwinde mit zunehmenden Alter die Bereitschaft, die eigenen Fähigkeiten kritisch zu hinterfragen. Nur etwa 55 Prozent der Befragten halten es für erforderlich, sich ab dem 60. Lebensjahr einem Test zum Self Assessment zu unterziehen, um die eigene operative Leistungsfähigkeit zu überprüfen.

Haftpflichtschutz überprüfen

Bedenken sollten berufstätige Rentner überdies, dass sie auch im Alter eine ausreichende Berufshaftpflichtversicherung benötigen. Dabei sind zwei Bereiche zu unterscheiden: Der erste umfasst die sogenannte Nachversicherung. Sie ist deshalb so wichtig, weil auch Rentner stets damit rechnen müssen, wegen eines behaupteten Behandlungsfehlers von Patienten aus ihrer aktiven Zeit verklagt zu werden. Zwar entscheidet in der Regel der Zeitpunkt, zu dem der Arzt einem Patienten Schaden zugefügt hat, darüber, ob die Versicherung zahlt oder nicht. In vielen Fällen kann man sich aber intensiv darüber streiten, wann genau dieser Zeitpunkt war. Jüngere Versicherungsverträge enthalten daher in der Regel eine fünfjährige Nachhaftpflicht-Versicherung. Bei älteren Verträgen sollten Ärztinnen und Ärzte vor Aufgabe der Praxis beim Versicherer nachfragen, wie das Schutzniveau aussieht und ob sich, wenn nötig, eine Nachversicherung nachrüsten lässt.

Der zweite Bereich, den es abzudecken gilt, ist die eigentliche Ruhestandsversicherung. Ihr Abschluss ist nach der Berufsordnung für alle Ärzte vorgeschrieben, die auch im Rentenalter arbeiten wollen.

Honorarbasis, Privatbehandlung, Anstellung
Ärztinnen und Ärzte, die in der Rente weiter praktizieren wollen oder mit einer ärztlichen Tätigkeit auf einem anderen Gebiet liebäugeln, haben vielfältige Möglichkeiten. Sie müssen aber auch diverse rechtliche Vorgaben beachten.

  • Praxisvertretungen durch Ärzte im Rentenalter sind nur zulässig, wenn der Senior dasselbe Fachgebiet hat wie der vertretene Arzt.
  • Wer nach dem Verkauf seiner Praxis bzw. seines Kassenarztsitzes privatärztlich arbeiten will, muss dies der Ärztekammer melden und bedenken, dass private Krankenversicherer Behandlungskosten meist nur bei Niedergelassenen übernehmen.
  • Denkbar ist auch, sich im Rentenalter in Praxen, MVZ oder Kliniken anstellen zu lassen. Auch hier lohnt sich im Vorfeld eine rechtliche und steuerliche Beratung.

Autorin: Senta Dahland