Erst genehmigen lassen, dann verschreiben: Arzt bleibt auf Kosten für medizinisches Cannabis sitzen
Marzena SickingMedizinisches Cannabis ist für viele Patienten die letzte Hoffnung. Dennoch sollten Ärzte sich ohne vorherige Genehmigung der Krankenkasse nicht zu einer Verordnung hinreissen lassen. Ansonsten kann es für sie leider teuer werden.
Verordnet ein Vertragsarzt Cannabisarzneimittel ohne die nach § 31 Abs. 6 Satz 2 SGB V vorgeschriebene vorherige Genehmigung durch die Krankenkasse, ist die Prüfungsstelle auf Antrag der Krankenkasse verpflichtet, den Arzt für die entstandenen Verordnungskosten in Regress zu nehmen. Das hat das Sozialgericht Stuttgart entschieden (Az. S 12 KA 469/20).
Streit um Kostenübernahme für medizinisches Cannabis
Die Kläger verordneten ihrem Patienten Dronabinol. Erst danach stellten sie einen Antrag auf Kostenübernahme einer medikamentösen Behandlung mit Cannabis bei der Krankenkasse. Gegen den daraufhin erfolgten Regressbescheid der Prüfungsstelle erhoben die Ärzte Klage. Begründung: die angewandte Therapie sei aus medizinischer Sicht wirksam gewesen und habe einen medizinischen Zusatznutzen für den Patienten gehabt – was von der Krankenkasse auch nicht bestritten wurde. Eine sonst nicht zu vermeidende stationäre Behandlung hätte höchstwahrscheinlich zu einer erheblichen Verschlechterung des psychischen Zustandes des Patienten sowie zu einem erheblichen Mehrkostenaufwand geführt.
Kein Spielraum im Genehmigungsverfahren
Die Verordnung war unstrittig sinnvoll. Dennoch bleiben die Ärzte auf den Kosten sitzen. Denn die Gesetzeslage lässt keinen Spielraum zu, wie die Richter erklärten. Angesichts der eindeutigen gesetzlichen Regelung in § 31 Abs. 6 Satz 2 SGB V bleibe für das Argument, die Verordnung sei medizinisch sinnvoll oder sogar notwendig gewesen, kein Raum.
Selbst in besonders eilbedürftigen Situationen lasse der Gesetzgeber ganz bewusst nicht eine nachträgliche Genehmigung genügen, sondern verpflichte vielmehr die Krankenkasse zu einer besonders raschen Entscheidung (§ 31 Abs. 6 Satz 3 SGB V). Der durch eine unzulässige Arzneimittelverordnung eingetretene Schaden entfalle auch nicht dadurch, dass dieselben Kosten (oder gar höhere Kosten) bei rechtmäßiger anderweitiger Verordnung entstanden wären. Der Regress wegen unwirtschaftlicher Verordnung setze ferner kein Verschulden des Arztes voraus. Der Beklagten habe bei der Festsetzung des Regresses auch kein Ermessensspielraum zugestanden.
Quelle: Sozialgericht Stuttgart