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Recht

Wegen des Verdachts auf eine obstruktive Bronchitis, einer drohenden respiratorische Insuffizienz und des Verdachtes auf Bronchopneumonie weist ein Arzt einen 14 Monate alten Jungen in eine Klinik ein. Dort erhält das Kind Medikamenteninfusionen. Als sich der Zustand des kleinen Patienten verbessert, stellen die Ärzte von der Dauertropfinfusion auf eine intravenöse Antibiose um.

Die Gabe der Medikamente übernimmt in solchen Fällen routinemäßig das Pflegepersonal.

Dramatische Entwicklung

Als eine Kinderkrankenschwester dem Jungen sein Antibiotikum verabreicht, ist auch dessen Mutter im Raum, die dem Kind zuvor Kartoffelchips und Apfelstücke zu essen gegeben hat. Die Schwester sieht zwar, dass das Kind einen Chip in der Hand hielt und dass auf dem Nachttisch Apfelschnitze lagen, fragt aber nicht nach, ob der Junge gerade gegessen hatte und verabreicht ihm intravenös das Antibiotikum.

Das Kind beginnt daraufhin zu schreien und wird bewusstlos. Wie sich später herausstellte, hatte ein Apfelstück die Luftröhre verschlossen. Durch den Sauerstoffmangel erlitt der Junge einen hypoxischen Hirnschaden. Er wird lebenslang ein Pflegefall bleiben.

Der Fall wurde streitig und ging zunächst zugunsten des Jungen bzw. seiner Eltern aus, denen das Landgericht ein Schmerzensgeld in Höhe von einer Million Euro zusprach.

In der Berufungsinstanz allerdings wendete sich das Blatt. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt/M. verneinte nach einer weiteren Beweisaufnahme eine Schadensersatzpflicht der Klinik und des Personals. Insbesondere das Verhalten der Kinderkrankenschwester im Rahmen der Medikamentengabe sei nicht als Behandlungsfehler zu qualifizieren.

Aspirationen können „jederzeit“ auftreten

Der Senat, der sich durch einen Sachverständigen hatte beraten lassen, führte dazu aus, dass die Schwester nur die allgemein der Verminderung des Aspirationsrisikos im Behandlungsalltag zu beachtenden Vorsichtsmaßnahmen habe ergreifen müssen – und dies auch getan habe. Aspirationen könnten bei Kleinkindern in praktisch jeder Lebenslage auftreten; „aufgrund dessen kann es in jeder Klinik täglich in unzähligen Alltagssituation zu Aspirationen kommen“, so das OLG. Aufwändige und zeitraubende Sicherheitsmaßnahmen vor typischen Behandlungs- und Pflegemaßnahmen seien deshalb im Klinikalltag undurchführbar. Eine absolute Sicherheit sei weder erreichbar noch als Behandlungsstandard gefordert.

Weiterhin betonte das Gericht, dass das von der Kinderkrankenschwester dargestellte Verhalten den von den Sachverständigen herausgearbeiteten Sorgfaltsstandards entspreche. Sie habe vor der Medikamentengabe eine Zeit mit der Mutter des Kindes verbracht und den Jungen in dieser Zeit beobachtet. Kau- oder Schluckbewegungen habe sie nicht festgestellt. Der Junge habe während ihrer Anwesenheit auch keine Nahrung zu sich genommen.

Zulässige Delegation und ausreichende Ausstattung

Zudem ist anerkannt, dass die intravenöse Gabe von Antibiotika zu den Behandlungsmaßnahmen gehört, die auf Pflegepersonal übertragen werden dürfen. Die ausgebildete Kinderkrankenschwester war dafür auch hinreichend qualifiziert. Ein gesonderter Spritzenschein war nicht erforderlich.

Auch die von den Eltern gerügte unzureichende technische Ausstattung der Klinik könnte das Gericht nicht erkennen.  Vielmehr folgte es der Ansicht der gerichtlichen Sachverständigen, wonach der sichere Betrieb einer Kinderbelegstation nicht zwingend die Fähigkeit voraussetzt, notfallmäßig Lungenspiegelungen vornehmen zu können.

Ein Anspruch auf Schadenersatz und Schmerzensgeld scheidet damit aus (OLG Frankfurt am Main, Az. 8 U 127/21).