Schriftverkehr mit der KV: Ein Märchen ohne Happy End
A&W RedaktionEin Psychiater aus Hessen streitet sich schriftlich mit seiner KV zum Thema Videosprechstunde. Als sich die Fronten verhärten, schickt er der Mitarbeiterin dort einen vielsagenden Auszug aus einem Grimm‘schen Märchen – und findet sich wenig später vor Gericht wieder. Die Details eines ungewöhnlichen Falles.
Kann ein Zitat aus einem Märchen eine Straftat sein? Dies Frage musste unlängst das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt beantworten – und bejahte sie.
Das Gericht entschied. Eine strafbare Bedrohung mit einem Verbrechen – hier Totschlag – kann darin liegen, eine E-Mail mit einem entsprechenden Auszug aus einem Märchen an den Empfänger zu versenden (Az. 7 ORs 10/23).
Arzt auf Abwegen
Im konkreten Fall ging es um den Streit zwischen einem Facharzt für forensische Psychiatrie aus Hessen und einer Mitarbeiterin der dortigen KV. Die beiden hatten offensichtlich geraume Zeit per E-Mail über die Regelungen zur Nutzung eines Anbieters für Video-Sprechstunden diskutiert, aber nicht zueinandergefunden. Darüber war der Arzt offenbar frustriert.
Im Nachgang an die Auseinandersetzung schickte er der KV-Mitarbeiterin zunächst einige E-Mails, in denen er sich über die Bedeutung ihres Nachnamens äußerte. Im Dezember 2021 eskalierte der Streit dann endgültig.
Der Arzt schrieb der Frau eine Mail, in der es u.a. hieß: „Die falsche Magd, kommt Ihnen da was bekannt vor? In Ihrem Trauerspiel bin ich so etwas wie der „Alte König“ und helfe Ihnen gern mal auf die Sprünge”.
Es folgte ein ausgiebiges Wortlaut-Zitat aus dem Grimm’schen Märchen „Die Gänsemagd“:
„Welches Urteils ist diese würdig?“ Da sprach die falsche Braut: „Die ist nichts Besseres wert, als dass sie splitternackt ausgezogen und in ein Fass gesteckt wird, das inwendig mit spitzen Nägeln geschlagen ist; und zwei weiße Pferde müssen vorgespannt werden, die sie Gasse auf Gasse ab zu Tode schleifen.“ – „Das bist Du“, sprach der alte König, „und hast Dein eigen Urteil gefunden, und danach soll Dir widerfahren.“
Unterzeichnet war das Schreiben mit der Grußformel „Habe die Ehre“ und dem Namen des Arztes.
Diese Mail hatte Folgen.
Endgültige Entscheidung wegen Bedrohung
Das Amtsgericht sprach den Arzt wegen der Bedrohung mit einem Verbrechen schuldig. Er habe die Mitarbeiterin –bildlich mit einem Märchen gesprochen – vorsätzlich mit dem Tod bedroht. Dies habe die Frau – auch vor dem Hintergrund der bisherigen Kommunikation mit dem Arzt – ernst genommen. Sie habe daher ihren Arbeitgeber veranlasst, ihr keine E-Mails des Psychiaters mehr weiterzuleiten.
In dem Urteil des Amtsgerichts wurde der Arzt verwarnt und eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 30 Euro vorbehalten.
Das OLG bestätigte die Entscheidung. Sein Beschluss ist nicht anfechtbar.