Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Recht

Ärzte sind verpflichtet, alle Maßnahmen und Ergebnisse, die für die Behandlung ihrer Patienten maßgeblich sind, in deren Patientenakte zu dokumentieren. Und sie müssen den Patienten die Möglichkeit geben, eben jene Akte einzusehen. Bei minderjährigen Patienten haben normalerweise die Sorgeberechtigten ein Recht auf Einsicht.

Das kann in der Praxis zu Problemen führen – zum Beispiel dann, wenn die Eltern getrennt leben, aber das gemeinsame Sorgerecht ausüben. Verlangt der eine Elternteil in diesem Fall Informationen über die Behandlung seines Kindes, während der andere Elternteil eine solche Einsichtnahme verhindern will, steht der Arzt vor einem Dilemma.

So auch in einem Fall, den vor Kurzem das Amtsgericht Siegen zu entscheiden hatte (Az. 14 C 1101/20).

Vater klagt auf Herausgabe der Behandlungsunterlagen

Der Vater eines Jungen hatte den Psychotherapeuten seines Sohnes verklagt. Der Mann teilte sich mit seiner Verflossenen das Sorgerecht für das gemeinsame Kind, das nach Angaben der Mutter eine Therapie benötigte.  Der Vater willigte zwar in die Behandlung ein, erhielt aber keine näheren Informationen zum Beginn und Verlauf der Behandlung. Zudem stritten sich die Eltern seit einiger Zeit um das Umgangsrecht.

Als der Vater des damals fünfjährigen Buben den Therapeuten um Kopien der Behandlungsunterlagen bat, verweigerte dieser deren Versand. Zur Begründung bezog er sich auf die Justitiarin seines Berufsverbandes, nach deren Rechtsauffassung er dafür auch das Einverständnis der Mutter benötigte. Das allerdings habe die Frau verweigert.

Behandler dürfen Eltern Akteneinsicht nicht verweigern

Der Mann erhob daraufhin Klage vor dem Amtsgericht Siegen – und gewann. Das Urteil gestand ihm gemäß § 630g Abs. 1 S. 1 BGB das Recht auf Einsicht in die Patientenakte seines Sohnes zu. Eine solche Einsicht dürfe der Behandler nur dann verweigern, wenn therapeutische Gründe entgegenstünden oder „erhebliche Rechte Dritter“ tangiert seien. Schulbeispiel hierfür sind Fälle, in denen aufgrund der Kenntnisnahme die Gefahr einer erheblichen Selbstschädigung des Patienten anzunehmen ist. Solche Gründe hatte der Therapeut im konkreten Fall aber nicht dargelegt.

Auch Schweigepflicht stehe dem Auskunftsanspruch nicht entgegen, so das Gericht. Aufgrund der Personensorge für ihre Kinder seien Eltern befugt, über deren persönlichen Verhältnisse umfassend informiert zu sein. Andernfalls könnten sie ihr Sorgerecht nicht ausüben und ihrer Fürsorge- und Erziehungspflicht nicht nachkommen.

Zwar stehe auch einem minderjährigen Patienten gegenüber den Eltern ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu, das gegen die Rechte des Sorgeberechtigten abzuwägen sei. Im konkreten Fall ergebe diese Abwägung jedoch, dass die eines Fünfjährigen nicht ohne Beteiligung des Sorgeberechtigten möglich sei.