Personalführung: Rechtsstreit wegen Altersdiskriminierung vermeiden
Judith MeisterWer Bewerber oder Arbeitnehmer wegen ihres Alters diskriminiert, verstößt gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Das kann rechtliche Konsequenzen haben. Was niedergelassene Ärztinnen und Ärzte wissen sollten.
Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, jedem gut ausgebildeten (potenziellen) Mitarbeiter mit der gleichen Wertschätzung zu begegnen. In der Praxis ist Deutschland von diesem Ideal aber noch weit entfernt. Das belegt unter anderem eine Studie im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes: Ihr zufolge erleben Menschen es immer wieder, dass ihr Alter eine Rolle spielt und Nachteile mit sich bringen kann.
Das ist in mehrfacher Hinsicht problematisch. Nicht nur geht der Wirtschaft auf diese Weise wertvolles Wissen verloren, weil die Betroffenen sich zurückziehen oder aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Auch für Arbeitgeber, die ihr Personal verbotenerweise nach Alterskriterien auswählen, können sich Probleme ergeben. Wenn nicht ausnahmsweise ein zwingender Grund für eine Stellenbesetzung nach Alter vorliegt, verstoßen sie damit gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – und müssen bei Klagen nicht nur mit einem Reputationsverlust, sondern auch mit handfesten finanziellen Nachteilen rechnen.
Werden Arbeitnehmer am Arbeitsplatz oder während eines Bewerbungsverfahrens altersbedingt benachteiligt, gilt das als Altersdiskriminierung. Erleidet der oder die Betreffende durch eine Ungleichbehandlung im Sinne des AGG einen nachweisbaren Schaden, können sie dafür eine Entschädigung verlangen.
Diese gut gemeinte Regelung hat allerdings auch zu einer unerfreulichen Entwicklung geführt: Sogenannte AGG-Hopper bewerben sich auf (vermeintlich oder tatsächlich) diskriminierende Stellenanzeigen, nur um bei einer Ablehnung zu klagen und abzukassieren.
Umso wichtiger ist es für ärztliche Arbeitgeber, im gesamten Bewerbungsverfahren sowie im Berufsalltag auf ein diskriminierungsfreies Umfeld zu achten. Wer unsicher ist, ab wann die rechtliche Linie zur Altersdiskriminierung überschritten ist, kann sich an den folgenden Gerichtsurteilen orientieren:
Der Satz „Junges Team sucht“ ist in Ordnung
So fällte das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern vor Kurzem ein für Arbeitgeber erfreuliches Urteil. Im konkreten Fall ging es um einen Tankstellenpächter, der in einer Stellenanzeige Verstärkung für ein „junges, dynamisches Team mit Benzin im Blut“ gesucht hatte. Daraufhin hatte ein 50-jähriger Bewerber geklagt, der sich nicht angesprochen und deshalb wegen seines Alters diskriminiert fühlte. Mit seinem Ansinnen hatte der Mann aber weder in der ersten noch in der zweiten Instanz Erfolg.
Zwar führte das Gericht aus, dass Stellenanzeigen keinesfalls den Anschein erwecken dürfen, dass ältere Bewerber nicht erwünscht sind. Eine fehlerhafte Formulierung wie „Junges, dynamisches Team sucht ...“ sei daher durchaus problematisch und könne im Einzelfall Entschädigungsforderungen von abgewiesenen Bewerbern nach sich ziehen.
Trotzdem bewertete das Landesarbeitsgericht die Formulierung dieser Stellenannonce nicht als Altersdiskriminierung. Denn es folgte der Verteidigungs-Argumentation des Tankstellenpächters. Er erklärte, dass die Formulierung „Wir sind ein junges, dynamisches Team mit Benzin im Blut und suchen Verstärkung“ das Team beschreibe, nicht aber Anforderungen an den Bewerber. Das überzeugte das LAG Mecklenburg-Vorpommern, zumal das Team damals aus neun Mitarbeitern im Alter zwischen 19 und 67 Jahren bestand.
Eine „überspitzte, ironische, nicht ernsthaft gemeinte, in der Form eines Werbeslogans gehaltene Beschreibung des Arbeitsumfeldes“ reicht nach Meinung des Gerichts daher nicht aus, um Schadenersatzansprüche zu begründen. Das gelte umso mehr, wenn die weiteren Anforderungen an potenzielle Bewerber in einem weiteren Absatz klar und sachlich formuliert werden. In der betreffenden Tankstellen-Annonce sah das Gericht dies als gegeben an (Urteil vom 17.10.2023, Az. 2 Sa 61/23).
Abfindungsangebot für Ältere erlaubt
Nicht gegen das Altersdiskriminierungsverbot verstößt auch ein Angebot an bestimmte Mitarbeiter, mit einer Abfindung früher in den Ruhestand zu gehen. Das entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall eines ehemaligen Verkaufsleiters der Daimler AG. Das Unternehmen hatte seinen Führungskräften das „Konzept 60 plus“ offeriert. Es beinhaltete das Angebot, mit Vollendung des 60. Lebensjahres das Arbeitsverhältnis zu beenden und dafür im Gegenzug eine Abfindung zu erhalten. Der Verkaufsleiter sah darin aber eine Altersdiskriminierung und forderte 80.000 Euro Schadenersatz.
Doch auch er ging vor Gericht leer aus. Der Grund: Das Angebot gestand den Angesprochenen ein echtes Wahlrecht zu. Sie hatten die freie Wahl, früher auszuscheiden oder bis zum Regel-Rentenalter weiterzuarbeiten. Das BAG erklärte dazu, dem Kläger sei durch das Angebot lediglich eine zusätzliche Möglichkeit eröffnet worden, „wobei er frei darüber entscheiden konnte, ob er von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wollte“ (Urteil vom 24.06.2014, Az. 8 AZR 677/14).
Besser nicht: Digital Natives gesucht
Weniger Glück hatte Anfang des Jahres ein Sportartikelhersteller aus Baden-Württemberg. Er wurde wegen dieser Formulierung in einer Stellenanzeige verklagt: „Als Digital Native fühlst Du Dich in der Welt der Social Media, der datengetriebenen PR, des Bewegtbilds (…) zu Hause.“
Das Arbeitsgericht Heilbronn sah darin eine verbotene Altersdiskriminierung des 1972 geborenen Bewerbers. Wenn in der Stellenausschreibung explizit „Digital Natives“ gesucht werden, deute es darauf hin, dass der Arbeitgeber nur Kandidaten einstellen will, die im Kindesalter mit digitalen Medien konfrontiert worden sind. Dies schließe diejenigen aus, die vor 1980 geboren wurden. Für diese Altersdiskriminierung könne der Kläger zwar nicht die geforderte Entschädigung in Höhe von fünf Monatsgehältern verlangen. Angemessen seien aber 1,5 Monatsgehälter und damit insgesamt 7.500 Euro (Urteil vom 26.02.2024, Az. Ca 191/23).
Die Altersdiskriminierung wog so stark, dass andere Beweggründe für die Ablehnung keine Rolle mehr spielten. So war der abgelehnte Bewerber als Wirtschaftsjurist für die Stelle eigentlich auch überqualifiziert und hatte beruflich keinen Bezug zur Sportartikelbranche.
Praxisinhaber sollten sich daher besser davor hüten, solche Formulierungen in einer Stellenanzeige zu verwenden.
Häufige Vorurteile gegenüber älteren Menschen
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes untersuchte 2022, wie verbreitet negative Stereotype gegenüber älteren Menschen sind. Dafür wurden 2.000 Personen ab 16 Jahren telefonisch befragt. Die Studie „Ageismus – Altersbilder und Altersdiskriminierung in Deutschland“ ergab:
32 Prozent stimmten der Aussage zu, dass alte Menschen „Platz machen“ sollten für die jüngere Generation, indem sie wichtige berufliche und gesellschaftliche Rollen aufgeben.
51 Prozent waren für eine Regelung, wonach „Menschen nur bis zu einem bestimmten Alter, wie etwa bis 70 Jahre, politische Ämter haben dürfen“.
53 Prozent sagten, ältere Menschen trügen nicht entscheidend zum gesellschaftlichen Fortschritt bei.
40 Prozent sagten, dass junge Menschen von alten Menschen bei der Bewältigung des Klimawandels im Stich gelassen werden. Unter den jüngsten Befragten sagten das 63 Prozent.
74 Prozent überschätzten den Anteil der älteren Menschen über 70 Jahre in der Bevölkerung erheblich. Am häufigsten wurde er auf 30 Prozent geschätzt, obwohl er bei rund 18 Prozent liegt.