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Recht

Werdende Mütter, die gesetzlich versichert sind, können in Ausnahmefällen einen Anspruch darauf haben, dass ihnen ihre Kasse ein nicht zugelassenes Medikament bezahlt.  Selbst wenn es darum geht, das ungeborene Kind vor einer gefährlichen Infektion zu schützen, bleibt es allerdings dabei, dass die Anforderungen hoch sind. Die Grundsätze der Arzneimittelzulassung gelten insoweit auch bei Risiken in der Schwangerschaft.

Eine Off-Label-Vorordnung zulasten der Kasse ist daher nur denkbar, wenn ein tödlicher oder besonders schweren Verlauf wahrscheinlich ist. Das hat der erste Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in einem Urteil entschieden. (Az. B 1 KR 7/22 R).

CMV als Risikofaktor in der Schwangerschaft

Im konkreten Fall hatte sich eine Schwangere mit dem für sie ungefährlichen Zytomegalievirus (CMV) infiziert. Es bestand jedoch ein Ansteckungsrisiko für das ungeborene Kind, mit potenziell schwerwiegenden Folgen bis hin zum Abgang.

Um die Ansteckungsgefahr zu reduzieren, beantragte die Schwangere bei ihrer Kasse die Versorgung mit Cytotect CP Biotest. Das Medikament ist in Deutschland nur zugelassen, um im Rahmen einer immunsuppressiven Therapie eine Virusinfektion zu verhindern. Eine europäische Arzneimittelzulassung fehlt, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bei Schwangerschaften sind nicht abschließend erforscht.

Die Kasse lehnte die Übernahme der Kosten daher ab. In der Folge zahlte die Schwangere die Behandlung selbst, verklagte die Versicherung jedoch auf Erstattung ihrer Kosten in Höhe von 8753,55 Euro.

Kein extremer Fall, der eine Ausnahme rechtfertigt

In der ersten Instanz hatte die Frau mit ihrem Anliegen Erfolg. Die zweite Instanz verneinte hingegen einen Anspruch auf Erstattung der Therapiekosten. Und auch das Bundessozialgericht entschied nun zugunsten der gesetzlichen Krankenversicherung.

Dabei führten die Kasseler Richter aus, dass der Staat zwar das Leben und die körperliche Unversehrtheit der Versicherten und, bei Schwangeren, auch die des ungeborenen Kindes schützen müsse. Dennoch gelte das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, wonach Kassenpatienten nur Anspruch auf Leistungen haben, die im gesetzlichen Katalog vorgesehen sind. Allein in extremen, gesetzlich geregelten Ausnahmefällen könne von dieser Regel abgewichen werden.

Die genauen Voraussetzungen hierfür normieren die Paragrafen 2 Abs. 1a und  27 Abs. 1 SGB V.

Um von den Vorgaben dieser Normen zu profitieren, müsse sich ein Versicherter in einer notstandsähnlichen Situation befinden, so das Gericht. Es müsse also eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen tödlichen oder besonders schweren Krankheitsverlauf bestehen. Das sei mit Blick auf das ungeborene Kind bei statistischer Betrachtung der Abortsfälle wegen des Zytomegalievirus aber nicht der Fall. Die Wahrscheinlichkeit der Geburt eines gesunden Kindes überwiege hier deutlich.