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Recht

Wenn es um medizinische Hilfeleistungen geht, ist – zumindest in Deutschland – die Rechtslage eindeutig. Wer ein Unglück beobachtet, ist per Gesetz dazu verpflichtet, den Opfern zu helfen. Das gilt nicht nur für Ärzte und Ärztinnen, sondern für jeden Bundesbürger.

Wer die Hilfeleistung nach einem Unglücksfall verweigert, macht sich laut § 323 c des Strafgesetzbuches (StGB) strafbar. Ärzte wie gewöhnliche Passanten müssen daher, im Rahmen des Erforderlichen und Zumutbaren, diejenige Hilfe leisten, die den Eintritt weiterer Schäden verhindert. Der Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung wird bestraft, aber ebenso Personen, die die Ersthelfer behindern.

§ 323c StGB: Unterlassene Hilfeleistung ist eine Straftat

Der genaue Wortlaut im Strafgesetzbuch lautet: “Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.”

Medizinische Behandlung bei einem Unglücksfall

Wie weit die zumutbaren Pflichten des Ersthelfers im Einzelfall reichen, kann allerdings variieren. Das gilt auch für medizinisch ausgebildeten Personen. Von einem praktizierenden Facharzt für Kardiologie wird bei einem Herzinfarkt sicher mehr erwartet, als von einem pensionierten Dermatologen. Von diesem wiederum mehr als von einem ärztlich noch unerfahrenem Medizinstudierende. Und auch für routinierte Mediziner kann die Situation nach einem Unglücksfall so belastend sein, dass ihnen Fehler unterlaufen – im schlimmsten Fall mit Todesfolge. Deshalb stellt die Rechtsprechung in Deutschland nicht nur Laien, sondern auch ärztliche Ersthelfer unter einen besonderen Schutz.

Besonderer Schutz – auch für Ärzte

Das zeigt etwa die Entscheidung des Oberlandesgerichts München im Fall eines Gynäkologen. Dem unterlief als Ersthelfer ein folgenreicher Fehler, der für ihn nicht nur zu einem emotionalen, sondern auch zu einem finanziellen Drama zu werden drohte (Az. 1 U 4142/05). Der Mann hatte den Badeunfall eines Kleinkindes auf dem Chiemsee beobachtet und leistete Erste Hilfe. Als seine Reanimationsversuche vergeblich blieben, brach er die Wiederbelebung ab. Er hielt das Kind für tot. Die Einschätzung war falsch. Der später eingetroffene Notarzt konnte das Kind reanimieren und veranlasste dessen Überführung in eine Klinik. Der Sauerstoffmangel nach dem Unglücksfall hatte zu diesem Zeitpunkt aber bereits einen hypotoxischer Hirnschaden bei dem jungen Patienten verursacht. Die Eltern des Kindes verlangten daraufhin Schadenersatz von dem Frauenarzt.

Das Gericht sah dafür keine Grundlage. Es entschied: Liegt bei der verunglückten Person kein Behandlungsverhältnis vor, ist er oder sie also nicht bei dem Arzt in Behandlung, gelten für den nur zufällig am Unfallort anwesenden Mediziner die gesetzlichen Pflichten, die auch jeder andere Ersthelfer zu erbringen hätte. Würde man hier die im Arzthaftungsrecht entwickelten Beweislastgrundsätze anwenden, würde dies zu einer sachlich nicht gerechtfertigten und für einen Arzt unvermeidbaren Haftungsverschärfung in Notfällen führen.

Helfen im Ausland – kein Problem, wenn die Versicherung stimmt

Wissenswert in diesem Zusammenhang: Deutsches (Straf)-Recht gilt nicht nur auf deutschem Boden, sondern auch auf Schiffen, die unter deutscher Flagge fahren, sowie in deutschen Flugzeugen.

Auch wer in ausländischen Flugzeugen Erste Hilfe bei einem medizinischen Notfall leistet, benötigt in der Regel keine Sorge vor juristischen Repressalien zu haben. Zum einen sind die Beschwerden der meisten Patienten nicht besonders schwer. Zum anderen halten die meisten Airlines inzwischen sogenannte Enthaftungserklärungen bereit, um Ärzte – außer bei grober Fahrlässigkeit oder bei Vorsatz – abzusichern.

Damit Fehler bei der Behandlung nicht teuer werden

Während unterlassene Hilfeleistung in Deutschland und vielen europäischen Ländern strafbar ist, gelten zum Beispiel in den USA andere Regeln. Die Sorge, gerade in den Vereinigten Staaten für jeden noch so kleinen Fehler mit horrenden Schadenersatzforderungen überzogen zu werden, hält viele Kollegen davon ab, so zu helfen, wie es möglich wäre.

Ein Anruf bei der eigenen Berufshaftpflichtversicherung kann dieses Dilemma lösen. Denn in der Regel zahlen selbst ältere Policen, wenn Mediziner bei Unfällen oder akuten Erkrankungen im Ausland Erste Hilfe leisten.