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Medizinrecht

Die Kosten für Medikamente können sich bei chronisch Kranken über die Jahre hinweg zu einem hohen Betrag summieren. Bei Frau B. waren es innerhalb von fünf Jahren rund zwei Millionen Euro. Die wurden der Frau von ihrer Beihilfekasse erstattet, nachdem sie Rezepte ihres Hausarztes für das Medikament Gamunex eingereicht hatte. Bei dem Medikament handelt es sich um ein unverändertes menschliches Immunglobulin G (IgG), das durch einen Arzt intravenös verabreicht werden muss. Die Kosten für eine Einzeldosis betragen ca. 26.000 €.

Allerdings hatte die städtische Beamtin nur die ersten fünf Rezepte eingelöst. Danach fälschte sie den Stempel der Apotheke und reichte das präparierte Rezept bei der Kasse ein. Über Jahre hinweg kassierte sie so das Geld für die teuren Medikamente.

Hausarzt wegen Ausstellung der Rezepte vor Gericht

Nachdem die Sache aufgeflogen war, wurde die Frau zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Nun stand aber auch ihr Hausarzt vor Gericht. Die Kasse verklagte den Mediziner und forderte  Vollstreckungskosten von 35.132,19 € , entgangenen Zinsgewinn in Höhe von 37.938,19 € und Schadenersatz in Höhe 2.035.676,57 €.

Tatsächlich sah es für den niedergelassenen Arzt auf den ersten Blick nicht gut aus. Er hatte die Rezepte ausgestellt – allerdings, ohne die Patientin zuvor zu untersuchen. Auch wurde dem Mediziner angelastet, das Verschreibungsintervall im Laufe der Zeit ohne eine vorherige Untersuchung der Patientin verkürzt zu haben. Als Grundlage für die Verschreibung des Mittels “Gamunex” lag ihm nur ein – noch an seinen Praxisvorgänger gerichteter  – Arztbrief des Hämatologen Dr. C vom 24.04.1990 sowie ein weiteres Schreiben auf dem Briefpapier dieses Arztes vom 07.01.2008 vor. Letzteres stellte sich laut Staatsanwaltschaft Köln als Fälschung heraus. Der Hausarzt verabreichte das Medikament nicht selbst an die Patientin, stellte keine Überweisungen an einen Facharzt aus und erhielt auch keine Befundberichte oder Laborergebnisse von einem Facharzt – was ihm offenbar nie auffiel.

Die Kasse warf dem Arzt deshalb vor, dass die Verordnung des Medikaments nicht indiziert gewesen sei und unterstellte ihm sogar einen Betrugsvorsatz.

Autoimmunkrankheit im Jahr 1990 erstmals diagnostiziert

Der niedergelassene Arzt beantragte im Gegenzug die Klage abzuweisen. Begründung: Ein Privatrezept sei kein Gesundheitszeugnis und die Kasse keine Behörde im Sinne des § 278 StGB. Er habe zudem nicht wider besseres Wissen gehandelt, da die Patientin – insoweit unstreitig – an einer Autoimmunkrankheit erkrankt ist, die von dem Facharzt Dr. C bereits im Jahr 1990 diagnostiziert wurde. Das zuständige Landgericht wies die Klage ab und auch die Berufung vor dem OLG Köln scheiterte (Urteil vom 16.12.2020, Az.: S U 39/20).

Wie das Gericht erklärte, sei dem Arzt kein Vorsatz nachzuweisen. Der Schaden sei der Kasse nur entstanden, weil die Patientin die Rezepte nicht einlöste, sondern verfälschte und sich so unberechtigt das Geld auszahlen ließ. Es gäbe keinen Beweis dafür, dass der Arzt dies wusste.

Um Schadensersatzansprüche der Kasse bejahen zu können, wäre es zudem erforderlich gewesen, dass der Behandlungsvertrag auch die Interessen der Beihilfestellen und kostentragenden Krankenkassen umfasst. Der Behandlungsvertrag sei aber auf die medizinische Behandlung unter Wahrung des Facharztstandes zum Wohle der Gesundheit des Patienten gerichtet, und dient damit nicht in erster Linie den Belangen der Kostenträger. Im Falle von gesetzlich Versicherten können sich Pflichten des Arztes gegenüber Krankenkassen zwar aus sozialrechtlichen Normen ergeben, solche weitergehenden Pflichten gäbe es für die unterschiedlichen Kostenträger der behandelten Privatpatienten aber nicht.

Rezept ist kein Gesundheitszeugnis

Verneint wurde ebenfalls, dass die ausgestellten Rezepte Gesundheitszeugnisse im Sinne des § 278 StGB darstellen. Nach Auffassung des Senats ist das Tatbestandsmerkmal “Gesundheitszeugnis” bei bloßen Rezepten nicht erfüllt. Rezepte geben in der Regel keine Auskunft über den Gesundheitszustand eines Patienten, sie dienen jedenfalls nicht dem Nachweis einer bestimmten medizinischen Diagnose.

Zum einen ist es dem Patienten außerdem selbst überlassen, ob er das Rezept überhaupt an die Beihilfestelle weiterreicht, zum anderen wäre die Beihilfestelle zur Erstattung nicht verpflichtet, ohne dass zuvor die Apotheke relevante Daten, wie den Kaufpreis, die PZN-Nummer, das Kaufdatum und den Apothekenstempel hinzufügt.

Soweit im konkreten Fall die Rezepte hier eine Diagnose enthielten, ändert dies nichts an dieser Einschätzung. Denn weder war der Aufdruck der Diagnose verpflichtend zur Einreichung des Rezeptes bei der Beihilfe, noch sollte mit dem Rezept die Diagnose gegenüber einer anderen Behörde bewiesen werden.

Ob die vom Hausarzt ausgestellten Rezepte objektiv unrichtig im Sinne des §§ 278 StGB waren, ließ das Gericht offen. Es sei “innerhalb der herrschenden Meinung anerkannt”, dass der Begriff der ärztlichen Untersuchung nicht in jedem Fall eine körperliche Untersuchung oder persönliche Befragung des Patienten voraussetzt. Es gäbe vielmehr Krankheitsfälle, in denen es sich entweder nach der Art der Erkrankung oder der seelischen Verfassung des Patienten für den gewissenhaften Arzt verbietet, eine körperliche Untersuchung oder eine persönliche Befragung des Patienten vorzunehmen. In solchen Fällen genügt der Arzt der Sorgfaltspflicht auch im Rahmen des § 278 StGB, wenn er sich auf andere Weise zuverlässig über den Gesundheitszustand des Patienten unterrichtet. Im vorliegenden Fall war es unstreitig, dass bei der Patientin ein Immundefekt- Syndrom in Form eines Antikörpermangelsyndroms für IgA und IgG vorlag, welches durch Dr. C im Jahr 1990 festgestellt wurde. Ob diese lebenslang bestehende Krankheit allerdings in der rezeptierten Form behandlungsbedürftig war, sei ohne sachverständige Klärung nicht feststellbar.