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Medizinrecht

Laut  OLG Hamm  kann eine Patientin von „ihrer Hausärztin 22.000 Euro Schmerzensgeld verlangen, nachdem die Hausärztin von der Patientin geschilderte Schmerzen im unteren Rücken und in der linken Gesäßhälfte unzureichend untersucht hatte. Und die Patientin 3 Tage später aufgrund einer Gewebeentzündung im Gesäßbereich (Entzündung des perirektalen und perianalen Fettgewebes) mit Verdacht auf eine bakterielle Infektionskrankheit der Unterhaut und Faszien (nekrotisierende Fasziitis) notfallmäßig operiert werden musste.

Die 1954 geborene Klägerin aus Bochum ließ sich im März 2012 von der beklagten Ärztin aus Bochum als Vertreterin ihrer Hausärztin wegen Beschwerden im Rücken- und Gesäßbereich behandeln. Die Beklagte diagnostizierte Ischiasbeschwerden, verabreichte eine Spritze und verordnete ein Schmerzmittel.

Patientin verklagt Ärztin

3 Tage später musste die Klägerin notfallmäßig operiert werden, nachdem bei ihr eine Entzündung des perirektalen und perianalen Fettgewebes mit Verdacht auf eine nekrotisierende Fasziitis diagnostiziert worden war. Dabei wurde ein Teil des Schließmuskels entfernt. In den folgenden Wochen waren 5 Nachoperationen erforderlich.

Die Klägerin hat gemeint, von der Beklagten unzureichend untersucht worden zu sein. Unter Hinweis auf fortbestehende Wundschmerzen und eine Stuhlinkontinenz sowie hierdurch bedingte psychische Belastungen hat sie Schadensersatz verlangt, unter anderem ein Schmerzensgeld von 25.000 Euro.

Das Schadensersatzbegehren der Klägerin war weitgehend erfolgreich. Nach der Anhörung eines medizinischen Sachverständigen hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm das bereits vom Landgericht zuerkannte Schmerzensgeld von 22.000 Euro bestätigt.

Beklagte ist Beschwerden nicht ausreichend nachgekommen

Die Beklagte sei den Ursachen der ihr von der Klägerin geschilderten Beschwerden nicht ausreichend nachgegangen. Sie hafte deswegen für einen Befunderhebungsfehler. Durch Betasten habe die Beklagte auch die Analregion der Klägerin untersuchen müssen. Auf ihre Anfangsdiagnose habe sie sich nicht verlassen dürfen, sondern die Möglichkeit von Erkrankungen mit schwerwiegenden Folgen berücksichtigen müssen. Der angehörte medizinische Sachverständige habe bestätigt, dass eine Gewebeentzündung im Gesäßbereich feststellbar gewesen wäre, wenn die Beklagte eine weitere Untersuchung der Klägerin veranlasst hätte.

Diese Entzündung stelle einen reaktionspflichtigen Befund dar. Sie nicht zu behandeln, wäre grob fehlerhaft gewesen, sodass der vorangegangene Befunderhebungsfehler der Beklagten eine Beweislastumkehr hinsichtlich der weiteren Entwicklung rechtfertige. Deswegen sei – auch wenn eine Operation als solche nicht zu vermeiden gewesen sei – zugunsten der Klägerin davon auszugehen, dass die erste Operation weniger schwerwiegend ausgefallen wäre, wenn sie 3 Tage früher stattgefunden hätte. Möglicherweise wäre dann der Schließmuskel nicht beeinträchtigt und die Klägerin in vollem Umfang geheilt worden. Diese Verletzungsfolgen rechtfertigten das zuerkannte Schmerzensgeld.“

Wann eine Beweislastumkehr gilt

Das rechtliche Problem für Sie als behandelnder Arzt ergibt sich in diesem Fall aus der vom Gericht angenommenen Beweislastumkehr.  Regelmäßig muss der Patient nachweisen, dass es zwischen dem angenommenen Behandlungsfehler und dem eingetretenen Schaden einen ursächlichen Zusammenhang gibt. In den meisten Fällen ist dies nicht ohne Weiteres möglich. Dies ändert sich jedoch in den Fällen der Beweislastumkehr. Dann müssen Sie nachweisen, dass eben gerade kein Zusammenhang zwischen dem Fehler und dem eingetretenen Schaden besteht. Die Rechtsprechung nimmt für folgende Fehler eine Beweislastumkehr an:

– unterlassene Aufklärung des Patienten vor Beginn der speziellen Diagnose oder Behandlung und dazu fehlender Nachweis

– unterlassene Befunderhebung

– offensichtlich falsche Behandlung, also grobe Behandlungsfehler und auch Medikationsfehler

– Keimübertragung durch Infektion in einem beherrschbaren Bereich

– Verwendung fehlerhafter Geräte, falsche oder nicht dokumentierte Geräteeinstellungen oder unterlassene Gerätewartung (abgelaufene Prüfzeichenfristen)

– unvollständige oder verfälschte Dokumentation, einschließlich nachgetragener Änderungen oder angeblich verlorener Dokumente und ungesicherter oder unregistrierter Zugang zu Änderungsmöglichkeiten in Datenbanken der Fallakten

In diesen Bereichen sollten Ihnen also besser keine Fehler unterlaufen, sonst kann es, wie diese Entscheidung zeigt, kostspielig werden.