Kassen dürfen Ansprüche der Kliniken nicht mit eigenen Forderungen aufrechnen
Judith MeisterVerträge sind einzuhalten – auch von den Krankenkassen. Das urteilte jetzt das Bundessozialgericht und fällte damit eine für Krankenhäuser begrüßenswerte Entscheidung zum Aufrechnungsverbot.
Das Prinzip der Aufrechnung in § 387 BGB ist ebenso einfach wie effektiv: „Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen (…).“ Die Vorteile: Die Tilgung der wechselseitigen Schulden wird vereinfacht und etwaige offene Forderungen lassen sich auch durchsetzen, ohne dass dafür Gerichte eingeschaltet werden müssen. Eigentlich. Denn gerade, wenn eine Partei stets in Vorleistung treten muss, kann eine Aufrechnung Probleme bereiten. Deswegen gibt es im nordrhein-westfälischen Landesvertrag über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung eine Regelung, die die Aufrechnung gegen Vergütungsforderungen eines Krankenhauses verbietet.
Nicht jede Kasse fühlt sich allerdings an diese Regelung gebunden. Und so musste in jüngster Vergangenheit das Bundessozialgericht in Kassel entscheiden, ob die Regelung rechtens ist oder nicht.
Verstoß gegen den Grundsatz der Beitragsstabilität?
Im konkreten Fall hatte eine Klinik eine Kasse verklagt, weil diese für einen Versicherten nicht die vollständige in Rechnung gestellte Summe beglichen hatte. Zwar hatte die Kasse zunächst die geforderte Vergütung gezahlt. Später rechnete sie allerdings 34.608,59 Euro gegen unstreitige Vergütungsansprüche des Krankenhauses auf. Sie argumentierte damit, dass die Klinik eine andere Prozedur hätte codieren müssen und eine erlösrelevante Nebendiagnose zu streichen habe. Hierdurch ergebe sich eine geringer vergütete Fallpauschale.
Das Krankenhaus wollte das nicht hinnehmen und klagte auf Zahlung des noch offenen Betrages. Dabei stützte es sich auf § 15 Absatz 4 des nordrhein-westfälischen Landesvertrages über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung. Dort ist geregelt, dass die Aufrechnung von Erstattungsansprüchen mit unstreitigen Krankenhausforderungen unzulässig ist.
Die Kasse hielt dagegen. Das Aufrechnungsverbot verstoße gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 71 Absatz 1 Satz 1 SGB V) und stehe der Verpflichtung der Krankenkasse entgegen, Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben (§ 76 Absatz 1 SGB IV).
Aufrechnungsverbot ist wirksam
Vor dem BSG hatte sie damit aber keinen Erfolg. Die Kasseler Richter befanden, dass die Regelung wirksam sei. Ansprüche der Krankenkassen würden durch das Aufrechnungsverbot weder aufgegeben noch werde deren Durchsetzung vereitelt. Zudem sei das Aufrechnungsverbot vor dem Hintergrund der Vorleistungspflicht des Krankenhauses zu betrachten. Es sei zwar nicht rechtlich geboten, ein Aufrechnungsverbot zu vereinbaren. Genauso wenig sei die Regelung aber juristisch zu beanstanden.
Damit kann die Klinik den noch offenen Betrag von der Kasse verlangen (BSG, Az. B 1 KR 14/22 R).