Geburtshilfe: Wann ein Amnioninfektionssyndrom einen Kaiserschnitt erfordert
Judith MeisterEin Kind erleidet während der Geburt einen Infarkt, vermutlich aufgrund eines Amnioninfektionssyndroms. Die Eltern verklagen die Klinik daraufhin wegen vermeintlicher Fehler bei der Geburtshilfe. Nun hat ein Gericht den Fall entschieden.
Das Amnioninfektionssyndrom (AIS) ist eine schwerwiegende Komplikation während der Schwangerschaft oder des Geburtsvorganges. Es tritt besonders häufig nach dem Blasensprung auf und kann für Mutter und Kind gefährlich werden. So auch im Fall des neugeborenen Sohnes einer 37-jährigen Frau.
Nachdem dessen Geburt zunächst ohne Komplikationen verlaufen war, führten die Ärzte später wegen eines eingeengten CTG und eines AIS eine Kaiserschnittentbindung durch. Zwischen der Entscheidung zur Sectio und der Geburt des Kindes lagen 30 Minuten.
Da der neugeborene Junge Fieber und leichte Anpassungsstörungen hatte und überdies unter Atemaussetzern litt, wurde er in eine Kinderklinik verlegt. Dort zeigte eine craniale Magnetresonanztomografie einen frischen Infarkt im Versorgungsgebiet des Ramus calcarinus und Ramus parietooccipitalis rechts. Die Folge: Der Junge wird sein ganzes Leben lang unter Beeinträchtigungen leiden.
Schwere Vorwürfe gegen Klinikpersonal
Die Eltern verklagten daraufhin die Klinik auf 150.000 Euro Schmerzensgeld. Sie begründeten dies unter anderem damit, dass die Frau nach ihrem Blasensprung liegend ins Krankenhaus hätte transportiert werden müssen. Das aber sei nicht der Fall gewesen.
Ferner bemängelten sie eine unzureichende Befunderhebung mit Blick auf das aufkommende AIS und die Tatsache, dass die diensthabende Hebamme mehrere Schwangere gleichzeitig betreut hatte.
Keine nachweisbaren Fehler nach Blasensprung
Das Landgericht Flensburg wies die Klage als unbegründet ab (Az. 3 O 313/20). Das Gericht folgte dabei der Einschätzung des Sachverständigen und befand: Ärzte sind nicht verpflichtet, Gebärende nach einem Blasensprung nur noch liegend zu transportieren.
Nicht zu beanstanden sei es auch, wenn eine Hebamme zeitgleich mehrere Entbindungen betreue. Ein fester Hebammen- bzw. Arzt-Schlüssel im Kreißsaal sei in Deutschland nicht vorgesehen.
Keinen Anlass zur Beanstandung boten nach Auffassung des Sachverständigen – und des Gerichts – auch die erhobenen Befunde während der Geburt. Zwar sei die CTG-Aufzeichnung für 13 Minuten unterbrochen worden. Das allein sei jedoch noch kein Behandlungsfehler. Auch, dass die Entzündungswerte der Mutter nicht direkt bei Aufnahme in den Kreißsaal erhoben wurden, entsprechen den Behandlungsstandards, da es zu diesem Zeitpunkt noch keine Hinweise auf eine Infektion gegeben habe.
Nach den Ausführungen Gutachters haben die Geburtshelfer zudem behandlungsfehlerfrei auf die Werte der kindlichen Herzkurve, die Laborwerte und die Körpertemperatur der Mutter reagiert und die gebotene Kaiserschnittentbindung in angemessener Zeit durchgeführt.
Trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Jungen bestehen daher keine Schadenersatz- oder Schmerzensgeldansprüche gegen die Klinik.