Fatale Irrtümer zum Thema Probezeit
Judith MeisterMythen und Halbwahrheiten zum Thema Probezeit halten sich hartnäckig. Ärzte und MFA, die einen neuen Job antreten, versuchen daher oft auf Teufel komm raus, die Probezeit zu umgehen. Doch ist das wirklich sinnvoll?
Während der ersten Monate des Arbeitsverhältnisses sollen Praxischef und neuer Mitarbeiter die Möglichkeit haben, sich kennenzulernen – und schnell und problemlos die Reißleine zu ziehen, wenn sie nicht zusammenpassen. Eine Kündigung in der Probezeit ist daher ohne Angabe von Gründen und mit einer Frist von gerade einmal zwei Wochen erlaubt.
Die Idee ist nachvollziehbar. Dennoch lehrt die Erfahrung, dass die Neuzugänge im Team oft wenig erbaut von dieser wechselseitigen Kennenlernphase sind. Viele versuchen daher, eine Probezeit in ihrem Vertrag zu vermeiden. Doch ist ein solcher Schritt wirklich sinnvoll? Und wie stichhaltig sind andere weitverbreitete Volksweisheiten zum Thema Probezeit?
Wir machen den Faktencheck.
Irrtum eins: Wenn der Arbeitsvertrag keine Probezeit vorsieht, genießen neue Praxismitglieder vom ersten Tag an den vollen Kündigungsschutz.
Dieser Irrtum ist weitverbreitet. Aber immer noch ein Irrtum. Selbst wenn der Begriff „Probezeit“ im Arbeitsvertrag nirgends vorkommt, müssen Arbeitnehmer eine gewisse Durststrecke in Sachen Kündigungsschutz überstehen. Schuld daran sind – nicht ganz ohne Ironie – die Vorgaben des Kündigungsschutzgesetzes. Das nämlich enthält eine Wartezeit von sechs Monaten für alle Arbeitnehmer, die einen neuen Job antreten. Vor Ablauf dieser Frist können der Praxisinhaber oder die Praxisinhaberin einen neuen Kollegen ohne Angabe von Gründen entlassen. Die Frist beträgt vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Monats. Die einzige Möglichkeit, diese Phase der Unsicherheit zu vermeiden, ist, eine Vertragsklausel aushandeln, wonach das Kündigungsschutzgesetz oder die im Vertrag vorgesehenen Fristen vom ersten Tag an gelten.
Irrtum zwei: Spätestens nach sechs Monaten kommt kein Arbeitgeber am strengen deutschen Kündigungsschutz vorbei.
Falsch. Selbst nach Ablauf der Wartezeit profitieren Arbeitnehmer nur dann vom Kündigungsschutzgesetz, wenn in der Praxis dauerhaft mehr als zehn Angestellte beschäftigt sind – exklusive der Auszubildenden. Allerdings sind Arbeitnehmer auch in Kleinbetrieben nicht völlig schutzlos. Willkürliche oder diskriminierenden Kündigungen sind auch hier verboten. Praxischefs dürfen daher nicht wegen des Geschlechts, der Hautfarbe, der Religion, der Abstammung oder der sexuellen Orientierung kündigen.
Irrtum drei: Eine Probezeit ist dasselbe wie ein befristetes Probearbeitsverhältnis.
Keineswegs. Will sich der Praxischef von einem Arbeitnehmer in der Probezeit trennen, muss er immer aktiv kündigen. In einem befristeten Probearbeitsverhältnis ist das anders. Hier endet der Vertrag mit Ablauf der Frist automatisch. Die Parteien müssen sogar aktiv werden, um die Zusammenarbeit fortzusetzen.
Irrtum vier: Eine Probezeit ist unzulässig, wenn man schon einmal für dieselbe Praxis gearbeitet hat.
Diese Aussage stimmt nur, wenn zwischen dem Ausscheiden und dem Wiedereinstieg weniger als ein Vierteljahr vergangen ist. Liegt die letzte Tätigkeit für die Praxis hingegen länger als drei Monate zurück, ist die normale Probezeit von bis zu sechs Monaten wieder zulässig.
Irrtum fünf: In der Probezeit besteht automatisch eine Urlaubssperre.
Dieser Irrglaube hält sich hartnäckig, ist aber falsch. Zwar können Arbeitnehmer ihren vollen Jahresurlaub immer erst dann beanspruchen, wenn ihr Arbeitsverhältnis mindestens sechs Monate alt ist. Allerdings haben sie im ersten halben Jahr ihrer Tätigkeit zumindest einen anteiligen Urlaubsanspruch. Er beträgt pro Monat ein Zwölftel des Jahresurlaubs. Sieht der Vertrag also zum Beispiel 24 Tage Jahresurlaub vor, können neue Kollegen oder MFA daher auch in der Probezeit schon zwei freie Tage pro Monat verlangen.