Berufshaftpflichtversicherung für Ärzte: Gesetzgeber macht Mindestdeckungssumme zur Pflicht
A&W RedaktionÄrzte und Ärztinnen müssen sich ausreichend mit einer Berufshaftpflicht gegen Schadensansprüche im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit versichern. Doch niemand kontrollierte bislang, ob und in welchem Umfang sie es wirklich taten. So mancher Niedergelassene sparte deshalb gerne an der Versicherung und damit an der falschen Stelle. Dem möchte der Gesetzgeber jetzt einen Riegel vorschieben und eine Mindestversicherungssumme vorschreiben.
Wie in jedem anderen Berufsfeld kann auch bei Ärzten und Ärztinnen nie ganz ausgeschlossen werden, dass ihnen mal ein Fehler unterläuft. Ist so ein Fall eingetreten, hat der Patient unter Umständen Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadenersatz. Um das Risiko zu verringern, dass der Mediziner nicht in der Lage ist, der finanziellen Verpflichtung nachzukommen, ist eine Berufshaftpflichtversicherung für Mediziner vorgeschrieben. Paragraf 21 der Musterberufsordnung (MBO) verpflichtet sie, sich hinreichend gegen Haftpflichtansprüche im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit zu versichern. Angestellte Ärzte werden häufig von Klinik oder Krankenhaus entsprechend abgesichert. Niedergelassene Ärzte und Ärztinnen müssen sich selbst um ausreichenden Versicherungsschutz kümmern.
Berufshaftpflichtversicherung wird nicht kontrolliert
Anders als bei manchen Freiberuflern ist der Abschluss einer Haftpflichtversicherung für ärztliche Leistungen aber keine zwingende Voraussetzung für die Berufserlaubnis. Ein Rechtsanwalt bekommt ohne den Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung beispielsweise keine Zulassung für seine Anwaltstätigkeit. Bei einer Kündigung ohne Neuabschluss kann ihm nachträglich die Zulassung entzogen werden. Selbstständige Ärzte und Ärztinnen kamen bisher hingegen auch ohne Berufshaftpflichtversicherung gut durch – jedenfalls bis zum ersten Schadensfall.
Praxis kann ohne Versicherung gegründet werden
Trotz der theoretischen Verpflichtung einer Berufshaftpflichtversicherung konnte sich ein Heilberufler bisher in einer Praxis niederlassen, ohne eine entsprechende Police abgeschlossen zu haben. Das war für den ärztlichen Freiberufler deshalb so einfach, weil niemand das Vorliegen des Versicherungsschutzes vor Aufnahme der Tätigkeit kontrolliert hat. So konnten sich niedergelassene Ärzte theoretisch zwar die Prämien sparen, allerdings im Schadensfall mit harten privaten Konsequenzen rechnen. Fehlt dem Arzt oder der Ärztin die notwendige Berufshaftpflichtversicherung, muss der Schaden mit eigenen finanziellen Mitteln beglichen werden. Das Risiko, dass der Arzt hierzu nicht in der Lage ist, wird somit eigentlich auf den ohnehin schon geschädigten Patienten verlagert bzw. auf dessen Kranken- oder Pflegeversicherung.
Höhe der Berufshaftpflicht nicht klar geregelt
Doch auch Ärzte, die eine Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen haben, sind häufig nicht ausreichend versichert. Tatsächlich sieht Paragraf 21 MBO lediglich die berufsrechtliche Verpflichtung vor, für einen hinreichenden Versicherungsschutz zu sorgen. Wie der Begriff „hinreichend“ zu verstehen ist, hängt vom jeweiligen Fachgebiet und den damit verbundenen fachspezifischen Risiken ab. Vor 25 Jahren wurde noch eine Deckungssumme von ein bis zwei Millionen Mark für ausreichend gehalten. Heute werden für viele Fachgruppen, insbesondere für die operativen Fächer, Mindestdeckungssummen für Personenschäden in Höhe von 2,5 bis fünf Millionen Euro empfohlen. Reicht die Absicherung nicht aus, haftet der Arzt mit seinem Privatvermögen für den Rest.
Deckungssumme oft zu niedrig
Für Sachschäden empfehlen viele Versicherungs-Unternehmen Deckungssummen in Höhe von mindestens 150.000 Euro. Für Vermögensschäden (etwa Unterhaltsansprüche für „familienplanungswidrig“ geborene Kinder) Deckungssummen in Höhe von mindestens 50.000 Euro. Tatsächlich kann aber schon ein Medikationsfehler oder eine lückenhafte Dokumentation zu einer Schadenersatzforderung in Millionenhöhe führen.
Absicherung regelmäßig anpassen
Eine Unterversicherung ergibt sich häufig auch dadurch, dass bestehende Verträge nicht angepasst werden. Sofern ein Versicherungsmakler eingeschaltet war, muss dieser zwar den Mediziner über Neuigkeiten in der Rechtsprechung, die seinen Versicherungsschutz als nicht mehr ausreichend erscheinen lassen, kurzfristig informieren. Ob der Makler bei einem Verstoß gegen diese Pflicht den daraus folgenden Schadenersatzanspruch befriedigen und ihn von den Ansprüchen des geschädigten Patienten freistellen kann, ist dann allerdings das Risiko des versicherten Arztes. In bestimmten Konstellationen trifft auch den Versicherer die Verpflichtung, den Arzt oder die Ärztin über einen besseren Versicherungsschutz zu informieren. Man muss davon ausgehen, dass der Arzt einen umfassenden Berufshaftpflichtversicherungsschutz anstrebt. Besser ist es, wenn der Arzt seine Berufshaftpflichtversicherung, die er evtl. schon zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn abgeschlossen hat, selbst regelmäßig überprüft und anpasst.
Fehlende Berufshaftpflicht hat Konsequenzen
Soweit der Niedergelassene trotz der berufsrechtlichen Pflicht keine Haftpflichtversicherung abschließt, führt dies – anders als etwa beim Rechtsanwalt – nicht zum Verlust seiner ärztlichen Approbation. Soweit aber wegen einer fehlenden Haftpflichtversicherung ein festgestellter Schaden nicht reguliert werden kann, ist es möglich, dass die Approbationsbehörde einschreitet oder berufsrechtliche Sanktionen gegen den Arzt verhängt werden.
Der Gesetzgeber schreibt künftig Mindestsumme vor
Das Problem für Ärzte und Patienten hat inzwischen auch der Gesetzgeber erkannt und will Vertragsärzten, Vertragspsychotherapeuten und Zahnärzten künftig nicht nur den Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung vorschreiben, sondern auch eine Mindestversicherungssumme vorgeben. Das Bestehen des Berufshaftpflichtversicherungsschutzes wird damit zur vertragsärztlichen Pflicht erhoben. Der entsprechende Gesetzesentwurf schreibt eine Mindestsumme von drei Millionen für Personen und Sachschäden fest. GKV, Bundesärztekammer und die KVen können aber auch höhere Mindestversicherungssummen vereinbaren, falls sich – je nach Facharztgruppe, Leistungsspektrum und Hierarchiestufe – ein höheres Haftungsrisiko ergibt.
Berufshaftpflichtversicherung kann nach Schadensfall kündigen
Was sich aber vermutlich nicht ändern wird: Jeder Schadensfall berechtigt sowohl den Versicherer als auch den Versicherten – nach der Schadensregulierung – zur Kündigung des Vertrages. In einem solchen Fall ist der Mediziner verpflichtet, bei einem anderen Versicherer eine neue Haftpflichtversicherung – selbst auch zu höheren Prämien – abzuschließen.
Meldung muss schon im Schadenfall erfolgen
Der Arzt ist außerdem weiterhin verpflichtet, dem Versicherer einen Schaden, das Haftpflichtansprüche begründen könnte, unverzüglich und schriftlich zu melden. Diese Anzeigepflicht besteht bereits dann, wenn der versicherte Arzt Kenntnis von Umständen erlangt, die geeignet sind, Haftpflichtansprüche gegen ihn auszulösen. Er darf nicht erst abwarten, ob aufgrund eines Schadensereignisses tatsächlich Schadensersatzansprüche erhoben werden.
Unternehmen braucht alle Informationen
Auch wenn ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Arzt eingeleitet wird, muss der Haftpflichtversicherer hiervon umgehend informiert werden. Im Rahmen der Sachbearbeitung hat der versicherte Arzt Mitwirkungspflichten. Er muss dem Versicherer alle Unterlagen und Informationen übermitteln, die dieser zur Prüfung der möglichen Ansprüche benötigt. In diesem Zusammenhang greift die ärztliche Schweigepflicht nicht.
Ausübung der Schweigepflicht entfällt
Eine nicht unverzügliche Meldung des Schadensereignisses kann für den Arzt erhebliche negative Auswirkungen haben. So verliert der Versicherungsnehmer im Regelfall einen Teil seines Versicherungsanspruchs, den er dann aus dem eigenen Vermögen begleichen muss. In Einzelfällen kann aber auch vollständige Leistungsfreiheit des Versicherers die Folge der Verletzung der Mitwirkungspflichten sein.
Schadenfall melden, oder nicht?
Potenziell geschädigte Patienten haben keinen Anspruch auf Nennung des Berufshaftpflichtversicherers des Arztes. Dies ist von Bedeutung, wenn ein Arzt Interesse daran hat, einen erkennbar unbegründeten Anspruch selbst abzuwehren. In einem solchen Fall muss die Berufshaftpflichtversicherung nicht involviert werden und kann daher auch nicht von der Möglichkeit einer Vertragskündigung oder Prämienanpassung Gebrauch machen. Im Falle der erfolglosen Verteidigung gegen den Anspruch kann daraus jedoch folgen, dass der Versicherer eine Leistung für den Versicherungsfall zu Recht vollständig ablehnt. Wichtig ist daher, dass der Arzt selbstkritisch den geltend gemachten Anspruch prüft, bevor er entscheidet, ob die Berufshaftpflichtversicherung involviert wird. Im Zweifelsfall sollte die Versicherung informiert werden.