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Arbeitsrecht

Zugegeben: Das Verhältnis zwischen der 54-jährige Fachkrankenschwester für Dialyse und Nephrologie und ihrem Arbeitgeber, einer großen Dialysepraxis, war nicht das Beste. Man stritt bereits über Vergütungsfragen. Außerdem hatte die Frau eine Abmahnung erhalten, weil sie sich weigerte, eine Auszubildende einzuarbeiten und ihr Privatauto immer wieder auf einem Patientenparkplatz abstellte.
Zum Eklat kam es allerdings erst, nachdem die Frau bei einer Dialyse-Patientin einen Kaliumwert von 8,11 mmol/l gemessen hatte, diese eklatante– und potenziell lebensgefährliche – Erhöhung aber weder der diensthabenden Ärztin noch der Geschäftsführerin der Praxis meldete. Wegen eines technischen Defekts wurde der Wert auch nicht in die elektronische Patientenakte übernommen.

Kritische Werte der Patientin nicht weitergegeben

Entsprechend erfuhr die Ärztin erst bei der Visite, wie hoch die am Nachmittag gemessenen Werte gewesen waren. Informantin war die Patientin selbst. Eine erneute Messung zeigte zwar, dass sich der Wert wieder normalisiert hatte. Auch informierte die MFA ihre Chefin gegen 21:10 Uhr von dem Ausreißer am Nachmittag. Die Praxisleitung betrachtete das Verhalten der Arbeitnehmerin trotzdem als nicht hinnehmbar. Sie kündigte fristlos und hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Die Frau klagte – und erzielte in der ersten Instanz zumindest einen Teilerfolg.

Fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt

Das Arbeitsgericht hielt zumindest die fristlose Kündigung für nicht gerechtfertigt. Die ordentliche Kündigung hingegen sei rechtmäßig, da die fehlende Weitergabe des erhöhten Kaliumwerts an die diensthabende Ärztin als gravierende Pflichtverletzung zu werten sei. Bei potenziell lebensgefährlichen Werten sei die Grenze überschritten, bei der eine Arzthelferin ohne Hinzuziehung des Arztes über notwendige Maßnahmen entscheiden dürfe. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über die ordentliche Kündigungsfrist hinaus sei den Praxischefs daher nicht zuzumuten.

Fristlose Kündigung grundsätzlich möglich

Die zweite Instanz, das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg, befand sogar, dass eine derartig Fehlleistung einer MFA grundsätzlich auch eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könne (5 Sa 667/20). Die insoweit der Arzthelferin anvertraute Gesundheit des Patienten sei ein sehr hohes Gut und dürfe deshalb bei einer ärztlichen Behandlung keinen vermeidbaren Risiken ausgesetzt werden. Selbst ein einziger, auf Unachtsamkeit beruhender Fehler, könne die Gesundheit des Patienten und den Ruf der Arztpraxis schmälern. Nach Auffassung des LAG hätte die MFA daher unabhängig von der eigenen Expertise den erhöhten Wert sofort an einen Arzt melden müssen.

Die außerordentliche Kündigung der Frau hatte im konkreten Fall aber trotzdem keinen Erfolg. Das Gericht befand vielmehr, dass der fristlose Rauswurf unverhältnismäßig gewesen sei. Das Argument: Die MFA hätte zunächst eine Abmahnung für ihr Verhalten und so die Gelegenheit erhalten müssen, ihr Verhalten zu ändern. Die bereits ausgesprochene Abmahnung wegen Falschparkens hingegen sei für den aktuellen Vorfall unerheblich, da sie sich auf einen völlig anderen Sachverhalt beziehe.