Bewerber-Check in der Arztpraxis: Was ist erlaubt und was nicht?
Judith MeisterBewerber und Bewerberinnen richtig zu durchleuchten, ist rechtlich schwierig. Denn vieles ist verboten. Wir erklären, was Praxischefs beim Bewerber-Check tun dürfen und was nicht.
Neulich in einem Biergarten im Münchener Süden. Im Gespräch: zwei niedergelassene Ärzte. Beide versuchen gerade, neue Mitarbeiter zu finden. Beide sind frustriert. Ob MFA oder junge Kolleginnen und Kollegen: Das Bewerbungsverhalten der Millennials irritiert die beiden erfahrenen Praktiker. „Ich würde mich schon freuen, wenn ich einen aussagekräftigen Lebenslauf bekommen würde“, klagt der eine. Der andere schüttelt den Kopf. „Vergiss es. Wenn du Glück hast, kriegst du eine WhatsApp mit drei Sätzen und dem Angebot, ‚sich zu unterhalten‘.“
Nicht nur in München, in ganz Deutschland ist der Personalmangel ein Problem. Gerade im Gesundheitswesen können sich Interessierte Jobs aussuchen. Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, die ihr Team aufstocken wollen, müssen zudem bei nicht aussagekräftigen Bewerbungen kreativ werden, wenn sie mehr über den Kandidaten oder die Kandidatin erfahren wollen.
Zwar bietet das Bewerbungsgespräch die Möglichkeit, sich ein Bild von dem Bewerber zu machen und mehr über dessen Interessen, Vorstellungen und Arbeitseinstellung zu erfahren. Viele der wirklich relevanten Fragen sind aus arbeitsrechtlicher Sicht allerdings verboten. Wer sie dennoch stellt, muss davon ausgehen, dass ihr Gegenüber lügt – mit dem Segen des Bundesarbeitsgerichts.
Was Ärztinnen und Ärzte Bewerber fragen dürfen und was nicht
Grundsätzlich dürfen Praxischefs einen Bewerber oder eine Bewerberin nur zu der persönlichen Eignung und fachlichen Qualifikation in Verbindung mit dem ausgeschriebenen Job befragen. Der berufliche Werdegang, absolvierte Fortbildungen und auch Bewertungen sind daher ebenso offenzulegen wie, so vorhanden, der vorherige Arbeitsplatz und die Dauer der vorangegangenen Beschäftigung. Erlaubt sind auch Fragen zu aktuellen Lohn- oder Gehaltspfändungen und nach der Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis bei ausländischen Bewerbern.
Wer einem Bewerber in diesen Bereichen auf den Zahn fühlt, darf erwarten, dass er auf seine Frage eine wahrheitsgemäße Antwort erhält. Lügt das Gegenüber hingegen und fällt diese Lüge erst nach der Einstellung auf, darf der Arzt oder die Ärztin den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten. Die Anstellung wird damit unwirksam und der unehrliche Mitarbeiter verliert seinen Job.
Fragen an den Bewerber, die für den Job relevant sind
Anders stellt sich die Rechtslage dar, wenn (ärztliche) Arbeitgeber einen Kandidaten nach Dingen fragen, die für den Job zwar relevant sein können, die der Gesetzgeber aber als zu indiskret verboten hat. Klassisches Beispiel: die Frage nach einer bestehenden Schwangerschaft. Sie zählt eindeutig zu den verbotenen Fragen. Wird sie dennoch gestellt, gesteht die Rechtsprechung Bewerberinnen in dieser Situation ein Recht zur Lüge zu. Das heißt: Sie darf wahrheitswidrig all jene Antworten geben, von denen zu erwarten ist, dass der potenzielle Chef sie am liebsten hören will. Negative Konsequenzen für die Flunkereien braucht sie nicht befürchten.
Für Praxisinhaber und Praxisinhaberinnen bedeutet das: Fragen zur Familienplanung eines Kandidaten, zu den Rauch- und Trinkgewohnheiten oder dem Privatleben sollten ebenso tabu sein wie die politischen Einstellungen oder eine Gewerkschaftszugehörigkeit. Selbst bei Fragen zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Behinderungen sollten Ärzte sich zurückhalten. „Erkundigungen zu Krankheiten sind auch in Arztpraxen nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig, wenn der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran hat, sie zu erfahren“, warnt Randhir K. Dindoyal, Rechtsanwalt aus München. Da die Rechtsprechung in diesem Bereich restriktiv und sehr arbeitnehmerfreundlich sei, rät er zur grundsätzlichen Vorsicht bei allzu persönlichen Fragen.
Wenn Bewerber Alkohol- oder Drogenprobleme haben
Selbst die Frage nach Alkohol- oder Drogenproblemen ist nicht ohne Weiteres erlaubt. Grund: Das BAG ordnet Suchtkranke als Behinderte im Sinne des Sozialgesetzbuches ein (BAG, Az. 10 AZR 188/03). Und die stehen unter einem besonders strikten Schutz.
Wie viel Google beim Bewerber-Check ist gestattet?
Kein Wunder also, dass der eine oder andere Arbeitgeber im Vorfeld einer Einstellung versucht, auch auf andere Art und Weise an Informationen über den potenziellen Neuzugang zu kommen. Das ist in Zeiten des Internets einfacher denn je: Gerade jüngere Bewerber geben online oft viel von sich und ihrem Privatleben preis. Dennoch sollten Arbeitgeber, die das Netz nach Informationen über einen Kandidaten durchforsten, mit Augenmaß agieren. Denn wer hinter dem Rücken von Bewerbern Informationen zusammenträgt, begibt sich rechtlich in eine Grauzone. Der Grund: Dem Interesse des Arztes bzw. der Ärztin an möglichst umfassenden Informationen steht das Recht der Bewerber auf informationelle Selbstbestimmung gegenüber.
Entsprechend dürfen Praxischefs bei ihren Recherchen grundsätzlich nur öffentlich zugängliche Quellen wie etwa Presseartikel, Fernseh- oder Radiobeiträge oder eben das Internet anzapfen. Schlichtes Googeln ist also erst einmal erlaubt.
Informationen aus sozialen Netzwerken zum Bewerber nutzen?
Schwieriger ist die Rechtslage bereits, wenn es um Informationen aus sozialen Netzwerken geht. Die nämlich dürfen Arbeitgeber sich nur ansehen, wenn sie öffentlich zugänglich sind. Wer sich hingegen unter falschem Namen bei Instagram oder Facebook einloggt, um dort Interna abzugreifen, handelt rechtswidrig und darf die dort gewonnenen Informationen nicht verwenden.
Allerdings ist es in der Praxis so gut wie unmöglich zu beweisen, welche Quellen eine Praxischefin oder ein Praxischef beim Background-Check berücksichtigt hat. Das gilt zumindest dann, wenn die Datenauswertung nicht aktenkundig ist.
Dennoch bleibt die Frage, ob ein neues Arbeitsverhältnis direkt mit einem Vertrauensbruch beginnen sollte. Idealerweise sollten Arbeitgeber daher wichtige Daten nur bei den Bewerbern selbst erheben. Dies gilt umso mehr, als ein gewisses Rechtsrisiko bei allzu ausschweifenden Online-Recherchen bestehen bleibt. Wenn nämlich doch auffliegt, dass Praxisinhaber sich nicht an die datenschutzrechtlichen Vorgaben beim Background-Check gehalten haben, drohen empfindliche Bußgelder. So hat etwa die spanische Datenschutzbehörde unlängst gegen die Tochtergesellschaft eines großen Onlineversandhändlers wegen zu weitgehender Online-Recherchen ein Bußgeld von zwei Millionen Euro verhängt: Im konkreten Fall konnten Interessenten ihre Bewerbung nur dann über eine App übermitteln, wenn sie auch ein Führungszeugnis hochluden und der Übermittlung der Daten in die USA zustimmten.
Gründe für eine falsche Personalentscheidung
Wer Personal einstellt, das sich später als Fehlbesetzung entpuppt, hat nicht nur Ärger am Hals. Jede falsche Entscheidung bei der Personalwahl verursacht auch hohe Folgekosten. Nichtsdestotrotz kommen Fehlbesetzungen sehr häufig vor, wie die Arbeitsmarktstudie des Personaldienstleisters Robert Half von Mai 2022 zeigt. Demnach stellten 53 Prozent der befragten Chefs und Chefinnen Personal ein, das sich später als Fehlbesetzung erwies. Der Hauptgrund dafür war, dass sie sich mit Bewerbern zufriedengaben, deren Fähigkeiten nicht den Stellenanforderungen entsprachen (19 %). Danach folgten:
14 % überstürzten das Einstellungsverfahren.
13 % konzentrierten sich zu stark darauf, dass der Bewerber zur Unternehmenskultur passt — zulasten fachlicher Fähigkeiten.
12 % hingegen sahen einen zu langwierigen Einstellungsprozess als Ursache, da Top-Kandidaten im Laufe des Auswahlverfahrens abgesprungen sind.
12 % überprüften die Referenzen unzureichend.
10 % setzten zu viel Fokus auf die Hard Skills zulasten der Soft Skills.