Ärztin verurteilt: „Werbeverbot“ für Abtreibungen durch OLG bestätigt
A&W RedaktionDie Verurteilung der Gießener Ärztin Kristina Hänel wegen „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche ist rechtskräftig. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat ihre Revision verworfen. Damit bestätigt sich, dass die Reform des §219a im Jahr 2019 keine Rechtssicherheit für Ärzte und Ärztinnen gebracht hat.
Nach jahrelangem juristischen Tauziehen ist das Urteil gegen die Allgemeinmedizinerin Kristina Hänel jetzt rechtskräftig. Die Gießener Ärztin war 2017 zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt worden. Nach Ansicht der Richter hatte sie gegen das Verbot verstoßen, Schwangerschaftsabbrüche öffentlich anzukündigen oder zu bewerben. Die Ärztin hatte auf ihrer Website Patientinnen darüber informiert, dass der Eingriff in ihrer Praxis möglich sei. Sie wurde dafür von Abtreibungsgegnern angezeigt.
Ausführliche Informationen nicht erwünscht
In ähnlichen Fällen wurden die Verfahren eingestellt, nicht jedoch hier: Wie das Amtsgericht Gericht erklärte, habe die Homepage der Angeklagten nicht nur darüber informiert, dass Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden, sondern auch ausführliche Informationen über das „Wie“ enthalten. Damit könne sich die Angeklagte nicht auf die in § 219a Abs. 4 StGB geregelte Ausnahme von der Strafbarkeit berufen.
Gegen das Urteil legte die Ärztin Berufung ein. Diese wurde jedoch verworfen. Die hiergegen eingelegte Revision führte zur Aufhebung des Urteils und erneuten Beurteilung durch das Landgericht auf Basis der inzwischen geänderten Rechtslage. Das Landgericht änderte das angefochtene Urteil tatsächlich ab. Es setzte eine Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 100 Euro fest.
Schwangerschaftsabbrüche als Dienstleistung angeboten?
Die dagegen gerichtete Revision wurde vor dem OLG nun abgeschmettert. Die Ärztin habe den Tatbestand des § 219 a StGB n.F. in objektiver und subjektiver Hinsicht erfüllt. Sie habe auf ihrer Homepage über eine eigene Schaltfläche offeriert, in ihrer Praxis Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen und die hierfür verwendeten Methoden sowie den konkreten Ablauf erläutert. Dies erfülle objektiv die Voraussetzungen des Anbietens von Diensten zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen.
Die Gießener Ärztin berief sich bei ihrer Verteidigung wiederholt auf die Berufsfreiheit von Ärzten und Ärztinnen und auch auf das Recht auf Information für schwangere Frauen. Ihr Fall löste bundesweit erneute Proteste gegen das sogennannte “Werbeverbot” für Schwangerschaftsabbrüche aus. Immerhin: Die hohen Wellen, die der Fall schlug, trugen dazu bei, dass Anfang 2019 eine Ergänzung des Paragrafen 219a erreicht wurde. Dieser untersagt das Anbieten und Bewerben von Abtreibungen nur noch aus finanziellem Vorteil und “in grob anstößiger Weise”.
Die Kritiker, denen die Reform nicht weit genug ging, weil sie weiterhin keine Rechtssicherheit für Ärzte und Ärztinnen bot, haben Recht behalten, wie der Fall zeigt. Das letzte Wort dazu ist allerdings noch nicht gesprochen: Die verurteilte Ärztin kündigte direkt nach Bekanntwerden des Urteils auf Twitter an, gegen das Urteil Verfassungsbeschwerde einzulegen.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 22.12.2020, Az. 1 Ss 96/20
(vorausgehend Landgericht Gießen, Urteil vom 12.12.2019, Az. 4 Ns – 406 Js 15031/15)