Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxis

Wir haben geprüft, gemessen und sehr kritisch beobachtet. Die Frage, welche Praxen mit den Herausforderungen der Zukunft besser zurechtkommen, beschäftigt Berater schon lange. Und die Herausforderungen ändern sich gerade sehr massiv. Mann oder Frau? Wir wollen hier keinen Geschlechterstreit schüren, sondern transparent machen, was in den meisten der über 140.000 Arzt- und Zahnarztpraxen in Deutschland Tatsache ist.

Doch zuvor ein nicht unbedeutender Fakt in dieser Thematik: Die Anzahl der männlichen Praxismitarbeiter ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Demnach waren 2018 2,5 % der MFA-Auszubildenden Männer (Ärztezeitung). Im zahnmedizinischen Bereich lag 2017 der Wert bei 1,9 % (ZM online). In Summe sind das 1.005 bzw. 243 männliche Praxismitarbeiter in den jeweiligen Bereichen MFA und ZFA. Das bedeutet: Selbst als Praxisberater trifft man äußerst selten auf männliche Praxismitarbeiter. Allerdings immer häufiger auf Praxen, die von einer Frau geführt werden, wie die Zahlen es widerspiegeln.

Mann oder Frau – ziehen sich Gegensätze an?

Was bedeutet der große Frauenanteil nun für die InhaberInnen? Männer bestechen in der Praxisführung durch klare Ansagen und die Kunst des Erinnerns. Frauen dagegen beziehen die MitarbeiterInnen meist stärker in die Abläufe und Vorhaben (Ziele) mit ein und verschriftlichen Beschlüsse und Regeln. Ich gebe Ihnen zwei Beispiele aus dem Praxisalltag:

1. In der männergeführten Praxis wird viel häufiger über das Thema Urlaub gesprochen. Der männliche Chef versucht sich die Urlaubszeiten der MitarbeiterInnen zu merken und ist immer wieder überrascht, wenn jemand nicht da ist. In der frauengeführten Praxis existiert eine Tabelle, anhand derer die Chefin den Überblick behält. Einige nutzen eines unserer Praxistools, um immer sicherzustellen, dass ausreichend Personal in der Praxis ist und trotzdem jeder frei und eigenständig seinen Urlaub planen kann. Die eine Frage ist, was ist effizienter, aber viel wichtiger – wie finden das die MitarbeiterInnen?

2. „Zum wiederholten Male haben sich Patienten bei mir beschwert. Wir müssen die Kommunikation am Telefon verbessern. Ab jetzt bitte alle etwas freundlicher.“ Genau so lautete die spontane Ansprache eines männlichen Praxisinhabers an seine MitarbeiterInnen. Das Thema Freundlichkeit am Empfang ist in vielen Praxen eine „Problemzone“. Eine Praxisinhaberin ist anders vorgegangen. Sie hat eine der regelmäßigen Teambesprechungen genutzt und die MitarbeiterInnen zu der Patientenkritik befragt. Gemeinsam hat man festgestellt, dass tatsächlich Schulungsbedarf dazu besteht und sich die MitarbeiterInnen wünschen würden, schlagfertiger und konfliktfreier in schwierigen Situationen reagieren zu können. Die entsprechende Schulung „Patientenkommunikation“ hat die Chefin mit einem Teambuildingevent verbunden. „Wir sind mit der gesamten Praxis einen Tag Stand-up-Paddeln gewesen.“ Welche Maßnahme nachhaltiger ist, liegt auf der Hand.

Tatsächlich ist es so, dass sich ein sehr großer Anteil von Praxismitarbeiterinnen in Praxen, die von einer Frau geführt werden, wohler fühlt und zunehmend gezielt nach solchen Praxen sucht.

Was sind die Ursachen dafür?

Praxisinhaberinnen sind näher an ihren Teams als ihre männlichen Kollegen. Sie fühlen sich in ihre MitarbeiterInnen hinein und sind eher auf einer Wellenlänge mit ihnen. Das schweißt ein Team zusammen und ist ein großer Vorteil für alles, was in der Praxis passiert. Objektiv betrachtet ist das jedoch kein Geschlechter-Phänomen und kann von Männern ebenso umgesetzt werden. Ich empfehle Ihnen darüber nachzudenken. Denn nicht nur die Mitarbeitergewinnung und -bindung hängt davon ab, sondern auch der Praxiserfolg und die Patientenzufriedenheit.

Praxis-Life-Balance schlägt die 60-Stunden-Woche in allen Disziplinen

In einer Befragung von 862 PraxismitarbeiterInnen 2019 ergab sich ein eindeutiges Ergebnis: Harmonie, Wertschätzung für die Arbeit bzw. durch Chef/Chefin und die klare Forderung nach mehr oder besseren Strukturen.

Diese drei Dinge sind DIE Praxis-Erfolgsfaktoren in den kommenden Jahren, die es zu bedienen gilt. Die Zeiten, wo sich die Praxiskräfte mit untertariflichen Gehältern, unbezahlten Überstunden, Kolleginnenstreit und cholerischen Chefs herumplagen, sind vorbei bzw. führen zu einer messbar schlechteren Qualität der PraxismitarbeiterInnen. Zudem haben wir zu unserem eigenen Erstaunen folgendes gemessen: Viele frauengeführte Praxen sind mittlerweile wirtschaftlich überdurchschnittlich erfolgreich, wenn man den erzielten Gewinn ins Verhältnis zur Arbeitszeit bringt.

Ob man sich nun eine Scheibe von diesen Praxen abschneidet oder selbst diese zukunftsorientierte Veränderung einläutet – das Ergebnis für Sie wird sein: eine ausgewogene Praxis-Life-Balance und einen höheren Gewinn pro Stunde, garantiert.