Praxisaufgabe: Was vertraglich, steuerlich und rechtlich auf Sie zukommt
A&W RedaktionSchwere Erkrankung, Tod oder kein Nachfolger – für eine Praxisaufgabe gibt es viele Gründe. Für alle möglichen Fälle gilt: Eine vorausschauende Planung hilft, die vertraglichen, steuerlichen und (berufs-)rechtlichen Aspekte auszubalancieren.
Tritt der Ernstfall ein, muss schnell ein Nachfolger für die Praxis gesucht und ein Kaufvertrag abgeschlossen werden. Ist die Praxis in einem für Neuniederlassungen gesperrten Gebiet, ist zudem der Vertragsarztsitz auszuschreiben; über den Nachfolger entscheidet der Zulassungsausschuss. Ist der Praxisinhaber gestorben, können seine Erben den Antrag auf Ausschreibung stellen. Bis zur Übertragung auf einen Nachfolger kann die Praxis des Verstorbenen nach Genehmigung für ein bis zwei Quartale von einem Vertreter fortgeführt werden. „Wichtig ist, sich sehr schnell einen Überblick über alle Praxisverträge, etwa Telefon- oder Leasingverträge mit Laufzeiten und Kündigungsfristen, zu verschaffen“, erklärt Daniela Groove, Rechtsanwältin bei Ecovis in München. Können die Verträge nicht von einem Nachfolger übernommen werden oder findet sich kein Nachfolger, sind alle Praxisverträge zu kündigen.
Wen Sie unbedingt informieren müssen
Die ärztlichen Aufzeichnungen sind – wenn keine längeren gesetzlichen Vorschriften bestehen – nach Abschluss der Behandlung noch für zehn Jahre aufzubewahren. Dabei ist sicherzustellen, dass unberechtigte Dritte nicht auf die Unterlagen zugreifen können. Bei einer Praxisaufgabe sind außerdem einige Stellen zu informieren. Dazu gehören zum Beispiel:
- die Landes(zahn)ärztekammer
- die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung
- das Versorgungswerk
- die Versicherungsunternehmen
- die Berufsgenossenschaft
„Die bestehende Berufshaftpflichtversicherung sollte auf jeden Fall in eine Nachhaftungsversicherung umgestellt werden, um späteren Schadensersatzansprüchen von Patienten begegnen zu können“, rät Groove.
Was bei Miete und Leasing zu beachten ist
Wird eine Praxis aufgegeben, ist meist schnelles Handeln gefordert, um Kündigungsfristen nicht zu verpassen. Ein zeitlich unbefristeter Mietvertrag für die Praxisräume kann grundsätzlich spätestens am dritten Werktag eines Kalendervierteljahres zum Ablauf des nächsten Kalendervierteljahres gekündigt werden. Leasingverträge, die in der Regel nach Wochen oder Monaten bestimmt sind, sind spätestens drei Tage vor dem Tag zu kündigen, an dem der Vertrag enden soll. Zeitlich befristete Miet- oder Leasingverträge können nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. „Die Aufgabe der Praxis reicht hierfür nicht aus“, sagt Rechtsexpertin Groove, „etwas anderes gilt nur dann, wenn der Mieter oder Leasingnehmer verstorben ist.“ Dann lassen sich Miet- und Leasingverträge innerhalb eines Monats nach Kenntnis vom Tod des Mieters oder Leasingnehmers außerordentlich mit derselben Frist kündigen, die für unbefristete Verträge gilt.
„Bestehende Verträge sollten aber frühzeitig geprüft werden, denn sowohl die Fristen zur ordentlichen Kündigung als auch die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung bei Tod des Mieters kann im Vertrag abweichend geregelt sein“, rät Groove.
Arbeitsverträge kündigen oder nicht?
Bei einer Betriebsstilllegung, also wenn die Praxis mangels Nachfolge restlos und endgültig aufgelöst wird, können die bestehenden Arbeitsverhältnisse gekündigt werden. „Für jeden Arbeitnehmer ist dabei die richtige Kündigungsfrist zu ermitteln, um rechtzeitig bis zur Aufgabe der Praxis alle Arbeitsverhältnisse zu beenden. Zu prüfen ist auch, ob es Sonderkündigungsschutz aufgrund von Elternzeit oder Schwerbehinderung gibt“, sagt Anne-Franziska Weber, Rechtsanwältin bei Ecovis in München.
Die Dauer der Kündigungsfristen kann sehr unterschiedlich sein, da sich die gesetzliche Frist nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit richtet. Gerade bei langjährigen Mitarbeitern kann die Kündigungsfrist bis zu sieben Monate zum Ende eines Monats betragen. Von den gesetzlichen Kündigungsfristen darf nicht abgewichen werden. Ausnahme: Vertraglich sind längere Fristen vereinbart. Wird die Praxis an einen Nachfolger übertragen, gelten die Sonderregeln des Betriebsübergangs. „Arbeitsverhältnisse lassen sich dann nicht kündigen. Der Käufer tritt nämlich in alle Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen ein“, erklärt Weber.
Steuerliche Möglichkeiten ausschöpfen
Muss ein Arzt seine Praxis aufgeben und stilllegen, kann das steuerlich begünstigt werden. Das geht aber nur, wenn die ärztliche Tätigkeit endgültig eingestellt und alle wesentlichen Grundlagen, etwa die Praxisräume, in einem einheitlichen Vorgang innerhalb eines kurzen Zeitraums (rund 36 Monate) in das Privatvermögen überführt werden, an verschiedene Erwerber verkauft werden oder teilweise verkauft und teilweise in das Privatvermögen überführt werden.
Liegen diese Voraussetzungen vor, dann ist im ersten Schritt ein steuerlich nicht begünstigter Übergangsgewinn zu ermitteln (siehe Beispielrechnung). Die in einem zweiten Schritt ermittelte Differenz aus dem Buchwert des Praxisvermögens und dem Aufgabepreis ist der steuerlich begünstigte Praxisaufgabegewinn. Für diesen Gewinn kann ein einmaliger Freibetrag von 45.000 Euro gewährt werden. Dieser ist zu kürzen, soweit der Aufgabegewinn 136.000 Euro übersteigt. Um den Freibetrag zu erhalten, muss der Arzt das 55. Lebensjahr vollendet haben oder im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig geworden sein. Der sich danach ergebende Aufgabegewinn kann dann entweder im Rahmen der „außerordentlichen Einkünfte“ nach der „Fünftel-Regelung“ (dabei wird ein einmaliges hohes Einkommen steuerlich auf fünf Jahre verteilt) oder mit einem ermäßigten Steuersatz besteuert werden.
Erben und verpachten
Stirbt der Arzt, kann der Erbe die Praxis entweder selbst weiterführen oder sie vorübergehend verpachten. Erhält der Erbe bei Weiterführung die Bewilligung vom Zulassungsausschuss und erfolgt die Übertragung des Praxisvermögens voll unentgeltlich, führt dies nicht zur Aufdeckung der stillen Reserven. Sie sind sonst wie bei einer Praxisaufgabe zu versteuern.
„Die Übertragung unterliegt zwar grundsätzlich der Erbschaftsteuer. Unter bestimmten Voraussetzungen kann aber bis zu 100 Prozent des vererbten Praxisvermögens steuerlich verschont bleiben“, sagt Ecovis- Steuerberaterin Annette Bettker in Rostock. Bei einer Praxisverpachtung wird normalerweise angenommen, dass eine Praxisaufgabe vorliegt und deshalb stille Reserven zu versteuern sind.
Ausnahme: Der Erbe ist noch dabei, die für die Praxisfortführung erforderliche freiberufliche Qualifikation zu erlangen. „Aufgrund der rechtlichen Konsequenzen und unterschiedlichen steuerlichen Vor- und Nachteile ist daher die Praxisnachfolge frühzeitig zu planen“, empfiehlt Ecovis-Expertin Bettker.
Quelle: Ecovis.de