Gescheiterter Praxisverkauf: Nur lebende Praxen lassen sich nachbesetzen
Judith MeisterEine gute Work-Life-Balance ist eine schöne Sache. Ärzte, die ihre Arbeitszeit reduzieren, sollten aber mit Augenmaß agieren. Andernfalls kann es bei einem geplanten Praxisverkauf Probleme geben.
Manche Mediziner wissen vor Arbeit weder ein noch aus. Andere drücken ihren Einsatz auf einen kaum noch messbaren Wert. So auch ein praktischer Arzt aus Hamburg. Er war seit dem Jahr 1994 zugelassen. Zuletzt arbeitete er als Umweltmediziner. Auf seine Tätigkeit verwendete er aber nur noch etwa zwei Stunden pro Woche. Damit erbrachte er nur gerade einmal vier Prozent der Leistungen der insgesamt drei Umweltmediziner in Hamburg.
Im Oktober 2017 beantragte der Arzt beim Zulassungsausschuss die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens gem. § 103 IIIa SGB V. Das Gremium lehnte dies ab. Es argumentierte damit, dass die Praxis nicht nachbesetzungsfähig sei. Der Kassensitz des Mannes wurde eingezogen, der geplante Verkauf der Praxis platzte.
Vor diesem Hintergrund verlangte der Mediziner von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) eine Entschädigung wegen der Einziehung seines Kassenarztsitzes. Diese lehnte ab. Der Arzt klagte – zunächst mit Erfolg.
Was macht eine fortführungsfähige Praxis aus?
Das Sozialgericht Hamburg verurteilte die beklagte KV, dem Arzt eine Entschädigung von rund 15.000 Euro zu zahlen (Az. S 27 KA 90/19). Vor dem Landessozialgericht (LSG) Hamburg hatte das Urteil allerdings keinen Bestand (Az. L 5 KA 13/20). Das Gericht bestätigte vielmehr die Rechtsauffassung der KV und befand: Ein Entschädigungsanspruch setze stets voraus, dass tatsächlich ein Nachbesetzungsverfahren durchgeführt werde. Das wiederum erfordere, dass die Praxis von einem Nachfolger weitergeführt werden soll. Voraussetzung dafür sei eine fortführungsfähige Praxis. Eine solche habe es im konkreten Fall allerdings nicht gegeben.
Zwar hatte der Umweltmediziner Praxisräume unterhalten und eine Website betrieben. Nach dieser hat er seine Praxis für Umweltmedizin und seine betriebsärztliche Tätigkeit zum 1. Juli 2018 aus Altersgründen aufgegeben. Interneteinträge in Arztdatenbanken belegten aber, dass die Praxis nur montags und mittwochs von 15 bis 17 Uhr geöffnet war. Diese Angaben entsprachen denjenigen des Klägers gegenüber dem Zulassungsausschuss. Dort hatte er angegeben, dass er durchschnittlich an zwei Tagen in der Woche eine umweltmedizinische Sprechstunde anbiete.
Zu wenig Sprechstunden, kein Anspruch auf Entschädigung
Entsprechend kärglich waren auch die wirtschaftlichen Ergebnisse der Praxis: In den Quartalen 2/2015 bis 1/2016 hatte der Mann gerade einmal 37 Patienten pro Quartal abgerechnet. Das waren weniger als fünf Prozent des Fachgruppendurchschnitts. Da der Arzt zudem keine medizinische Angestellte beschäftigt hatte, verneinte das LSG eine fortführungsfähige Praxis und entsprechend auch einen Anspruch auf Entschädigung.
Tipp: So verständlich es ist, am Ende der Berufstätigkeit weniger arbeiten zu wollen: Aus ökonomischer Sicht ist ein solches Vorgehen problematisch. Zum einen kann eine Reduktion der Arbeitszeit sich negativ auf den Verkaufspreis der Praxis auswirken. Zum anderen zeigt die Entscheidung des LSG Hamburg, dass ein solches Verhalten im Extremfall sogar den Bestand einer fortführungsfähigen Praxis infrage stellen kann. Eine Nachbesetzung ist dann ausgeschlossen und ein Praxisverkauf nahezu unmöglich.