Fallstricke beim Verkauf einer Arztpraxis vermeiden: Steuerexperten geben Tipps
Dennis Janz LL.M.Das Alter des Praxisinhabers, ein Umzug aus privaten oder beruflichen Gründen, eine Ehescheidung: Es gibt mannigfaltige Gründe, warum ein Arzt seine Praxis aufgibt oder veräußert. Steuerberater Dr. Thilo Schnelle* und Dennis Janz* erklären im Detail, auf welche Fallstricke Ärzte dabei unbedingt achten sollten.
Aufbauend auf einem Bericht des Landesrechnungshofes Niedersachsen aus dem Jahr 2010 hat auch der Bundesrechnungshof im April 2014 die Finanzverwaltung zur nachhaltigen Prüfung der Heilberufe, insbesondere Haus-, Fach- und Zahnärzte angemahnt. Deutliche Botschaften sind dem zu entnehmen: Die Vollständigkeit der Einnahmen der Ärzte sind stärker zu überprüfen sowie die umsatzsteuerrechtliche Einordnung der Leistungen auch im Hinblick auf eine Praxisveräußerung zu hinterfragen.
Die Beratung von Ärzten und Zahnärzten anlässlich ihres Ausscheidens oder ihres Eintritts aus bzw. in eine vertragsärztliche Praxis stellt für den Berater ein sehr komplexes Beratungsgebiet dar. Der sein Ausscheiden planende Arzt oder Zahnarzt kann nicht früh genug damit beginnen, einen Nachfolger zu suchen und mit diesem zumindest die Eckdaten der Praxisübernahme zu verhandeln. Hierzu gehört insbesondere der Zeitpunkt der Übernahme und die Fixierung des Kaufpreises. Zur Ermittlung des Kaufpreises finden sich in der Beratungspraxis verschiedene Bewertungsmethoden. In der Praxis sehr stark verbreitet ist die sog. Bundesärztekammermethode, die aber auch in ihrer neuen Ausgestaltung nicht zu überzeugen vermag.
Da ärztliches Berufs- beziehungsweise Vertragsarzt- und Steuerrecht an vielen Stellen nicht aufeinander abgestimmt sind, ist es wichtig, potenziellen rechtlichen Risiken durch eine vorausschauende Nachfolgeplanung rechtzeitig vorzubeugen.
Vertragsarztrecht
Das Zulassungsrecht als Teil des Vertragsarztrechts regelt die Einzelheiten der Teilnahme von Ärzten, Psychotherapeuten, Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und Zahnärzten an der Versorgung der Versicherten der Krankenkassen.[1]
Die entgeltliche Übernahme einer Arztpraxis ist grundsätzlich zulässig. Sie verstößt zudem weder gegen die guten Sitten noch gegen das Berufsrecht.[2] An der vertragsärztlichen Versorgung nehmen nach § 95 Abs. 1 S. 1 SGB V zugelassene
Ärzte und zugelassene Medizinische Versorgungszentren sowie ermächtigte Ärzte und ermächtigte Einrichtungen teil. Gesetzlich geregelt ist die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung in den §§ 95 bis 122 SGB V sowie in der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV). Die vertragsärztliche Versorgung erfolgt durch zugelassene Ärzte und Medizinische Versorgungszentren sowie ermächtigte Ärzte und ermächtigte ärztlich geleitete Einrichtungen.
Praxisverkauf auch in gesperrten Planungsbereichen möglich
Um Praxisinhabern, die ihre vertragsärztliche Tätigkeit aufgeben wollen, eine wirtschaftliche Verwertung ihres Vertragsarztsitzes zu ermöglichen, hat der Gesetzgeber die Praxisveräußerung auch in gesperrten Planungsbereichen ermöglicht. Endet die Zulassung eines Vertragsarztes in einem zulassungsbeschränkten Planungsbereich durch Tod, Verzicht oder Entziehung und soll diese Praxis von einem potenziellen Nachfolger fortgeführt werden, hat die Kassenärztliche Vereinigung (KV) auf Antrag des Vertragsarztes oder seiner Erben nach § 103 Abs. 4 S. 1 SGB V diesen Vertragsarztsitz in den für ihre amtlichen Bekanntmachungen vorgesehenen Blättern unverzüglich auszuschreiben und eine Liste der eingehenden Bewerbungen zu erstellen.
Wichtig an dieser Stelle im Zusammenhang mit der Praxisveräußerung ist der Umstand, dass wenn sich mehrere Kandidaten um den ausgeschriebenen Vertragsarztsitz beworben haben, hat der Zulassungsausschuss nach wie vor den Nachfolger nach pflichtgemäßem Ermessen auszuwählen und dabei die berufliche Eignung, das Approbationsalter und die Dauer der ärztlichen Tätigkeit seit der Approbation zu berücksichtigen. Ferner ist in die Entscheidung mit einzubeziehen ob der Bewerber Ehegatte, Lebenspartner, Kind, angestellter Arzt (auch Job-Sharing) oder Berufsausübungsgemeinschaftspartner ist.
Übernahme des Kassensitzes ohne Zustimmung des Zulassungsausschusses nicht möglich
In zulassungsbeschränkten Gebieten allerdings ist die Übernahme durch den Erwerber der Arztpraxis eines solchen Kassensitzes und der damit verbundenen kassenärztlichen Zulassung nicht ohne weiteres realisierbar, denn der Zulassungsausschuss hat über die Zulassung im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens zu entscheiden. Dies schränkt die Fungibilität einer Praxisübertragung erheblich ein, weil der Erwerber keine Rechtssicherheit darüber hat, ob er die Zulassung für den übernommenen und vermutlich eingepreisten Kassensitz erhält.
Entsprechend ist es wichtig, sich im Vorfeld einer solchen Praxisveräußerung oder eines Praxiserwerbs mit den gesetzlichen Möglichkeiten einer optimalen Praxisübernahme zu befassen. Drei Vorgehensweisen haben sich mittlerweile durchgesetzt: Die Bereitschaft zur dreijährigen Anstellung (Modell I), die Gründung eines eigenen MVZ (Modell II) und die Sitz-Ausschreibung mit kalkulierbarem Verlauf (Modell III).
Hinweis:
Es sollte dringend beachtet werden, dass in einem möglichen, bereits geschlossenen Kaufvertrag zwischen dem abgebenden Arzt und seinem Wunschnachfolger Rücktrittsklauseln zu vereinbaren sind, falls der Fall eintritt, dass der Zulassungsausschuss einen anderen Bewerber auswählt als der abgebende Arzt.
Bewertung von Arztpraxen
Basierend auf einer wissenschaftlichen Studie des Jahres 2016 ist – auch in Hinblick auf den demographischen Wandel – davon auszugehen, dass jeder vierte Arzt in den kommenden fünf Jahren die Abgabe seiner Arzt- bzw. Zahnarztpraxis plant.[3] Aus dieser beruflichen Entscheidung vieler Praxisinhaber resultiert nunmehr eine Nachfolgeproblematik für den Berufstand des Arztes im allgemeinen, da eine Vielzahl der betreffenden Ärzte die Suche nach einem potenziellen Praxisnachfolger als problematisch einschätzt. Im Rahmen der Nachfolgeplanung und Sicherstellung der finanziellen Existenz des Praxisveräußerers spielt der Verkauf der Arzt- bzw. Zahnarztpraxis oftmals eine bedeutende Rolle zur Sicherstellung der finanziellen Mittel (neben dem Versorgungswerk), sodass sich regelmäßig die Frage nach dem Kaufpreis stellt. Dies setzt eine betriebswirtschaftliche Bewertung der Arztpraxis sowohl für den Veräußerer als auch den Erwerber voraus.
Der Wert der Arzt- bzw. Zahnarztpraxis ist dabei sowohl für den bisherigen Praxisinhaber als auch für den künftigen Erwerber von Interesse. Der Veräußerer möchte im Vorfeld einer Verhandlung erfahren, welche Konzessionsgrenze er beachten muss, welchen Mindestpreis er folglich aus ökonomischer Sichtweise heraus fordern könnte bzw. müsste. Der potenzielle Praxiserwerber möchte demgegenüber Gewissheit darüber erfahren, welchen Preis er maximal für die Eigentumsübertragung der Praxis zahlen darf, ohne sich ökonomisch zu verschlechtern. Im Fokus der anstehenden Bewertung einer Arzt- bzw. Zahnarztpraxis steht somit die Ermittlung von verschiedenen Entscheidungswerten, die den Parteien in einer vertraglichen Verhandlung bezüglich der Übereignung der Praxis als betriebswirtschaftliche Eingrenzungen dienen.
Für die Bewertung von Arzt- bzw. Zahnarztpraxen im Rahmen der Veräußerung gibt es grundsätzlich keine rechtlich verbindliche Methode. Die Rechtsgrundlage hierfür leitet sich aus dem Urteil des BGH vom 24.10.1990 ab.[4] Bei der Bewertung von Arzt- bzw. Zahnarztpraxen kommt daher in der Praxis – je nach Adressat – eine Vielzahl von unterschiedlichen Bewertungsmethoden zum Einsatz. Zu unterscheiden sind insbesondere die traditionellen „Praktikermethoden“, wie die sog. Bundesärztekammermethode. Hiervon abzugrenzen sind demgegenüber die aus der betriebswirtschaftlichen Unternehmensbewertungslehre entwickelten Methoden, z.B. die sog. Ertragswertmethode.
Überwiegend handelt es sich bei den potenziellen Praxiserwerbern um junge, bis dato angestellte Ärzte oder Zahnärzte, welche die eigene Vermögensbildung noch nicht abgeschlossen haben und so auch den Großteil eines Kaufpreises fremdfinanzieren müssen. Vergleiche zwischen den Kapitalmarktzinsen von Investments am Finanzmarkt mit Renditen aus der Investition in eine die Existenz sichernde Arzt- oder Zahnarztpraxis sind aus diesem Grund nicht opportun.
Den übernehmenden Arzt oder Zahnarzt interessiert überwiegend die Verdienstaussicht nach der erfolgreichen Praxisübernahme und nach Abzug etwaiger Finanzierungskosten. Daneben fließen Erwägungen wie Erreichbarkeit der Praxis, Ausbaumöglichkeiten, zeitliches Engagement und Bereitschaft des abgebenden Arzt- oder Zahnarztes zur überleitenden Tätigkeit in die Überlegungen ein.
Die Unterschiede zwischen den Bewertungsmethoden
Die Ärztekammermethode ist die unter dem praktischen Gesichtspunkt einer einfachen und schnellen Ermittlung des Praxiswerts konzipierte Methode. Sie hat jedoch wesentliche Nachteile, insbesondere kann durch die Wahl des Umsatzes als Maßstab für den Erfolg einer Arzt- bzw. Zahnarztpraxis nicht der völlig unterschiedlichen Kostenstruktur der zu bewertenden Praxis Rechnung getragen werden. Deshalb führt diese Methode nicht zu einer zutreffenden Bestimmung des künftigen Erfolgs als wesentliche Komponente des Praxiswerts. Die Bundesärztekammermethode bleibt somit auch in ihrer Neufassung abzulehnen. Sie bleibt eine pauschale Multiplikatormethode. Es bleibt daher für uns nicht nachvollziehbar, weshalb überhaupt ein Arzt- bzw. Zahnarztgehalt zum Abzug kommen soll.
Ertragswertmethode und DCF-Methode setzen den Unternehmenswert grundsätzlich mit dem Zukunftserfolgswert gleich, d.h. sie knüpfen an den Ertrag an und berücksichtigen damit die sich aus der unterschiedlichen Kostenstruktur ergebende unterschiedliche Ertragsfähigkeit von Arzt- bzw. Zahnarztpraxen. Sie sind deshalb der Ärztekammermethode vorzuziehen.
Da, die DCF-Methode erkennbar nicht für nicht börsennotierte Unternehmen konzipiert worden ist, bedürfte es für die Anwendung der DCF-Methode auf die Bewertung von Arzt- bzw. Zahnarztpraxen einer Fortentwicklung der Methode und der Aufbereitung der datenmäßigen Basis durch Zusammenstellung des entsprechenden statistischen Materials.
Da der Ansatz des DCF-Verfahrens zur Ermittlung des Wertes von Arzt- bzw. Zahnarztpraxen noch nicht möglich ist, erscheint die modifizierte Ertragswertmethode als geeignete Methode für die Bewertung von Arzt- bzw. Zahnarztpraxen. Sie ist u.E. deutlich der Ärztekammer-Methode vorzuziehen. Die mit der Ertragswertmethode erzielbaren Ergebnisse sind stärker als die Ergebnisse der Ärztekammer-Methode auf die individuelle Rendite der einzelnen Arzt- oder Zahnarztpraxis abgestellt. Die Ertragswertmethode ist im Gegensatz zur DCF-Methode außerdem ohne Weiteres in die tägliche Beratungspraxis umsetzbar. Allerdings muss insb. bei der Bemessung des Kapitalisierungszinssatzes, in dem sich auch die mit der Praxisübernahme verbundenen Risiken widerspiegeln, eine Anpassung im Hinblick auf die Besonderheiten einer Arzt- bzw. Zahnarztpraxis verglichen mit einem mittelgroßen oder großen gewerblichen Unternehmen vorgenommen werden.
Der Erfolg einer Praxis ist in größerem Maße von dem Know-how und der Persönlichkeit des Praxisinhabers als der Erfolg eines mittelgroßen oder großen gewerblichen Unternehmens von dem Betriebsinhaber abhängig. Deshalb ist der Inhaberwechsel mit größeren Risiken verbunden als der Wechsel des Betriebsinhabers eines originär gewerblichen Unternehmens. Das schlägt sich bei der Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes in einem erhöhten Risikozuschlag nieder. Folglich kommt von den vorgestellten Bewertungsverfahren zurzeit u.E. nur die modifizierte Ertragswertmethode für die Bewertung von Arzt- bzw. Zahnarztpraxen in Betracht.
Fallstricke bei der Veräußerung- und Erwerb von Arztpraxen
Nach § 1 Abs. 1a UStG unterliegen die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht der Umsatzsteuer.[5] Eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird.[6] Danach ist es für die Annahme einer Geschäftsveräußerung grundsätzlich erforderlich, dass der Veräußerer dem Erwerber alle wesentlichen Grundlagen seines Unternehmens oder seines gesondert geführten Betriebs übereignet.
Ob eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliegt, ist durch das Finanzamt des Veräußerers zu beurteilen.[7]
Das Zurückbehalten einzelner wesentlicher Grundlagen ist unschädlich, wenn diese an den Erwerber vermietet oder verpachtet werden[8], sodass der Erwerber das Unternehmen oder den gesondert geführten Betrieb ohne großen finanziellen Aufwand fortsetzen kann.[9]
Probleme mit dem Mietvertrag beim Praxisverkauf
Ist für eine wirtschaftliche Tätigkeit kein besonderes Geschäftslokal oder kein Lokal mit einer für die Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit notwendigen festen Ladeneinrichtung erforderlich (hier ist dies die Arztpraxis), bzw. verfügt der Erwerber selbst über eine geeignete Immobilie, in die er sämtliche übertragenen Sachen verbringen und in der er die betreffende wirtschaftliche Tätigkeit weiterhin ausüben kann, kann eine Geschäftsveräußerung auch ohne Übereignung des Grundstücks vorliegen.
Muss der Erwerber zur Fortführung der betreffenden wirtschaftlichen Tätigkeit über dasselbe Geschäftslokal verfügen, das dem Veräußerer zur Verfügung stand, muss dieses zu den übertragenen Bestandteilen gehören. Es reicht aber auch aus, wenn das Geschäftslokal dem Erwerber mittels eines Mietvertrags zur Verfügung gestellt wird. Da der Arzt bzw. durch die Zulassung die Arztpraxis für den Versorgungsbereich bestimmt ist, stellt diese u. E. immer eine wesentliche Betriebsgrundlage dar.
Allein aus dem Umstand, dass der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wurde und jederzeit kurzfristig gekündigt werden kann, kann nicht geschlossen werden, dass der Erwerber den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil nicht fortführen, sondern sofort abwickeln will.[10]
In der Praxis ist es häufig zu beobachten, dass sich die Praxisinhaber – aus verschiedenen persönlichen Gründen – zunächst nicht von der Praxis als Gesamtheit trennen, sondern nur von einem Teil, z. B. der hälftigen Kassenarztzulassung. Dies geschieht in der Regel gegen ein Veräußerungsentgelt. In der Beratungspraxis werden in Umsatzsteuersonderprüfungen (siehe Forderung Bundesrechnungshof) diese Fälle immer häufiger aufgegriffen und zu steuerlichen Fallstricken für die betroffenen Ärzte.
Umsätze bei Geschäftsveräußerungen unterliegen nicht der Umsatzsteuer
Rechtssystematisch unterliegen grundsätzlich die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nach § 1 Abs. 1a UStG nicht der Umsatzsteuer. Eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung liegt nach dem UStG vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb (Teilbetrieb) im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übertragen wird.[11]
Wichtig dabei ist, dass ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb (Teilbetrieb) vorliegt, wenn der veräußerte Teil des Unternehmens vom Erwerber als selbstständiges wirtschaftliches Unternehmen[12] fortgeführt werden kann, dies liegt aber in aller Regel bei der Veräußerung einer Kassenarztzulassung oder hälftigen Kassenarztzulassung eben nicht vor. Nach ertragsteuerrechtlicher Begründung i. S. des § 18 Abs. 3 S. 1 EStG gehört zu den Einkünften aus selbstständiger Arbeit auch der Gewinn, der bei der Veräußerung des Vermögens oder eines selbstständigen Teils des Vermögens oder eines Anteils am Vermögen erzielt wird, das der selbstständigen Arbeit dient. In diesem Fall gilt § 16 Abs. 2 bis 4 EStG entsprechend.[13] Der Veräußerungsgewinn wird – soweit er hiernach nicht steuerfrei – mit den ermäßigten Sätzen des § 34 Abs. 1 EStG versteuert.[14] Nach der Rechtsprechung des BFH, kann die Veräußerung eines selbstständigen Teils des Vermögens im Sinne von § 18 Abs. 3 EStG in der Form einer Teilpraxisveräußerung nur dann in Betracht kommen, wenn ein freiberuflich tätiger Steuerpflichtiger mehrere selbstständige, wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten mit verschiedenen Kundenkreisen ausübt.[15] Handelt es sich hingegen um eine einheitliche gleichartige Tätigkeit, so schließt die Eigenart der selbstständigen Arbeit und die Betonung der Betätigung (im Gegensatz zum Kapitaleinsatz) im Allgemeinen die Annahme aus, dass Teile der Praxis eine so weitgehende organisatorische Selbstständigkeit erlangt haben, dass sie Teilbetrieben im gewerblichen Bereich gleichgestellt werden können.
Aus der Sicht des Umsatzsteuergesetzes war diese Sichtweise bis zum Jahre 2009 auch für den veräußernden bzw. erwerbenden Arzt kein problematischer Sachverhalt, da die Überlassung eines sog. Praxiswerts eine nach § 4 Nr. 28 Buchst. a UStG steuerfreie Lieferung eines Gegenstandes sein konnte.[16] Der § 4 Nr. 28 Buchst. a UStG verlangte ferner, dass der Unternehmer die gelieferten oder entnommenen Gegenstände ausschließlich für eine nach den Nummern 7 bis 27 (oder nach Buchst. b) steuerfreie Tätigkeit verwendet hatte. Die Verwendung eines Gegenstands für eine – hier in Betracht kommende – nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfreie Tätigkeit als Arzt setzt grundsätzlich voraus, dass der Gegenstand zur Ausführung der Umsätze aus freiberuflicher Tätigkeit eingesetzt wurde; das ist auch dann der Fall, wenn er nur Auswirkungen hinsichtlich dieser Tätigkeit hat. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 28 UStG ist auf die Lieferung von Gegenständen beschränkt, für die der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1a UStG ausgeschlossen ist oder die der Unternehmer ausschließlich für nach § 4 Nr. 8 bis 27 UStG umsatzsteuerfreie Tätigkeit verwendet hat.[17]
Die EuGH Rechtsprechung aus dem Jahre 2009 änderte diese Grundlage zum § 4 Nr. 28 UStG in Bezug auf die Kassenarztzulassung jedoch erheblich. Denn in seinem Urteil C-242/08 (Swiss Re Germany Holding) vom 22.10.2009 hatte der EuGH ausgeführt, dass die Übertragung von (in diesem Fall) Lebensrückversicherungsverträgen eine sonstige Leistung und keine Lieferung darstellt. Bei diesen Verträgen handele es sich nach Auffassung des EuGH zum einen nicht um körperliche Gegenstände i. S. d. Artikels 5 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie[18]. Zum anderen sei die Übertragung von Verträgen als Abtretung eines unkörperlichen Gegenstands nach Artikel 6 Abs. 1 Unterabs. 2 1. Anstrich der 6. EG-Richtlinie[19] und damit als sonstige Leistung zu beurteilen.
Das Urteil hatte dementsprechend auch gravierende Auswirkungen auf die umsatzsteuerrechtliche Einordnung einer Übertragung anderer immaterieller Wirtschaftsgüter, wie z. B. eines Firmenwerts oder eines Kundenstamms. Die Übertragung solcher immateriellen Wirtschaftsgüter ist nun ebenfalls als sonstige Leistung im Sinne des § 3 Abs. 9 S. 1 UStG zu qualifizieren. Unter dem Geschäfts- oder Firmenwert ist ein immaterielles Gesamtwirtschaftsgut zu verstehen, das den Inbegriff einer Anzahl von im Einzelnen nicht messbaren Faktoren wie Kundenkreis (Patientenkartei), Ruf des Unternehmens, Absatzorganisation usw. bildet und das deshalb auch dann nicht zerlegt werden kann, wenn die den Geschäftswert ergebenden Faktoren im Laufe der Zeit wechseln.[20]
Problem:
Da in aller Regel der Erwerber der Kassenarztzulassung ein Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes ist, der in seiner Person selbst umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen durchführt, dürfte dieser nicht vorsteuerabzugsberechtigt sein. Dies hat zur Folge, dass eine echte finanzielle Mehrbelastung von 19 % USt eintritt.
Jobsharing kann Ärzten einige Vorteile ermöglichen, gerade in Bezug auf die Überleitung der Kassenarztzulassung: Grundsätzlich bietet es Ärzten die Möglichkeit in Teilzeit zu arbeiten, die Praxisöffnungszeiten zu erweitern sowie umfassendere Leistungen anzubieten.
Allerdings kann es sein, dass der Arzt Gewerbesteuer auf sämtliche Einnahmen zahlen muss. Grundsätzlich erzielen Ärzte freiberufliche Einkünfte nach § 18 EStG. Da insbesondere bei Freiberuflern die persönliche Arbeitsleistung unverzichtbares (steuerrechtliches) Tatbestandsmerkmal ist, vertritt der BFH die sog. Vervielfältigungstheorie.[21] Nach dieser Theorie ist ein Gewerbebetrieb anzunehmen, wenn die berufstypische Tätigkeit durch eine Beschäftigung fachlich vorgebildeter Hilfskräfte ersetzt und / oder vervielfältigt wird. Allerdings steht die Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte der Annahme einer selbstständigen Tätigkeit nur dann nicht entgegen, wenn der Tätige weiterhin leitend und eigenverantwortlich handelt.
Hauptabgrenzung zwischen gewerblichen und freiberuflichen Einkünften ist nach der Auffassung des BFH die persönliche, eigenverantwortliche und weisungsfreie Behandlung von Patienten. Letztendlich bedeutet dies die persönliche Leistungserbringung des Praxisinhabers gegenüber den Patienten mit Einschränkung der erlaubten Delegation der Leistungserbringung auf (andere) Mitarbeiter.
Kurz: Der Praxisinhaber behandelt den Patienten persönlich, es sei denn er delegiert die Aufgabe an MFA. Allerdings muss der Arzt nicht alles selbst machen, um die Qualifizierung als Freiberufler zu gefährden. Dies gilt bei der Übertragung von einfachen Tätigkeiten oder mechanischen Arbeiten an medizinische Fachangestellte, wenn sie nicht allein dem Arzt vorbehalten sind.
Dem selbstständig tätigen Arzt ist es damit möglich, Mitarbeiter einzusetzen, die zwar nicht dieselbe fachliche Vorbildung vorweisen müssen, jedoch seine Arbeit in Teilbereichen ersetzen.
In der Regel kommt es auf die Anzahl der qualifiziert beschäftigten Arbeitskräfte nicht an. Diese kann aber indizierend für die Abgrenzung zwischen freiberuflichen gegenüber gewerblichen Einnahmen wirken. Von einer leitenden Tätigkeit bei der Beschäftigung von Angestellten kann nur dann ausgegangen werden, wenn der selbstständig Tätige, also der Arzt, die Grundsätze für die Organisation des Tätigkeitsbereichs und für die Durchführung der Tätigkeiten festlegt, die Durchführung der Tätigkeiten unter Beachtung der aufgestellten Grundsätze überwacht und grundsätzlich selbst entscheidet.[22]
Nach dem neuen Vertragsarztrecht kann sich die Anstellung von Kollegen in der Praxis eines niedergelassenen Arztes als eine kostenträchtige Stolperfalle erweisen. Die Finanzämter können unter Umständen die steuerliche „Freiberufler-Privilegierung“ streichen und sämtliche Praxiseinnahmen als gewerbesteuerpflichtig einstufen.
Die Autoren:
Steuerberater Dennis Janz, LL.M., zertifizierter Berater für Steuerstrafrecht (FernUniversität Hagen) und Fachberater im ambulanten Gesundheitswesen (IHK) ist Partner der Radloff | Ploch & Partner mbB, Dortmund.
Radloff, Ploch & Partner mbB
Im Defdahl 10a, 44141 Dortmund, 0231/56 22 28-0, www.radloff-ploch.de, info@radloff-ploch.de
Steuerberater Dr. Thilo Schnelle LL.M., Fachberater für Internationales Steuerrecht und Fachberater für Restrukturierung und Unternehmensplanung (DStV e. V.).
Gertrudenstraße 36, 48149 Münster, www.schnelle-kollegen.de, info@schnelle-kollegen.de
Die Autoren veröffentlichen über den Erich-Schmidt Verlag ein Buch zu diesem Themenkomplex: “Gründung, Veräußerung und Erwerb von Arzt- und Zahnarztpraxen – Steuerrechtliche Grundlagen und Fallstricke”. ISBN: 978-3-503-18804-8. Erscheinungstermin: August 2019.
Quellen:
[1] Vgl. Schallen in Zulassungsverordnung: für Vertragsärzte, Vertragszahnärzte, Medizinische Versorgungszentren, Psychotherapeuten (C.F. Müller Medizinrecht), 9. Auflage.
[2] Vgl. BGH, Urteil vom 20.01.1965 – VIII ZR 53/63 in NJW 1965, S. 580; BGH, Urteil vom 26.10.1972 – VII ZR 232/71 in NJW 1973, S. 98 sowie spezifisch für Arztpraxen BGH, Urteil vom 19.02.1969 – VIII ZR 193/67 in Jurion und BGH, Beschluss vom 28.11.1985 – III ZR 158/84 in Jurion.
[3] Vgl. Ärztemonitor 2016, Online: http://www.kbv.de/media/sp/2016_10_20_Aerztemonitor_infas_Praesentation.pdf, abgerufen am 18.04.2019.
[4] Vgl. BGH, Urteil vom 24.10.1990 – X II ZR 101/89, BB 1991, S. 311-312.
[5] Die Veräußerung einer Arzt- oder Zahnarztpraxis dürfte i. d. R. als Umsatz im Rahmen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a UStG als nicht steuerbar gelten. Vor Einfügung des § 1 Abs. 1a UStG in das Gesetz zum 01.01.1994 fiel diese – einschl. des Praxiswerts (vgl. BFH, Urteil vom 21.12.1988 – V R 24/87, BStBl II 1989, S. 430) – unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 28 UStG, weiterführend vgl. Huschens in Küffner/Stöcker/Zugmaier, USt, § 4 UStG, Stand: 13.04.2018.
[6] Näheres regelt Abschn. 1.5 UStAE.
[7] Vgl. Oberfinanzdirektion Karlsruhe, S-7100b, Verfügung vom 19.02.2015.
[8] Vgl. Abschn. 1.5 Abs. 3 S. 2 und 3 und 24.1 Abs. 5 UStAE.
[9] Vgl. Abschn. 1.5 Abs. 4 S. 1 UStAE.
[10] Vgl. Abschn. 1.5 Abs. 3 Satz 4 UStAE.
[11] Vgl. Abschn. 1.5 UStAE.
[12] Vgl. BFH, Urteil vom 19.12.2012 – XI R 38/10, BStBl II 2013, S. 1053.
[13] Vgl. § 18 Abs. 3 S. 3 EStG.
[14] Vgl. § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG.
[15] Vgl. BFH, Urteile vom 29.10.1992 – IV R 16/91, BStBl II 1993, 182 und vom 22.12.1993 – I R 62/93, BStBl II 1994, 352 m. w. N..
[16] Vgl. BFH, Urteil vom 21.12.1988 – V R 24/87, DB 1989, 1010-1011.
[17] Die Steuerbefreiung kommt grds. auch in Betracht, wenn der Unternehmer die in Frage kommenden Gegenstände zu höchstens 5 % für steuerpflichtige Tätigkeiten verwendet, vgl. Abschn. 4.28.1 Abs. 2 UStAE.
[18] Entspricht Artikel 14 Abs. 1 MwStSystRL.
[19] Entspricht Artikel 25 Buchst. a MwStSystRL.
[20] Vgl. BFH, Urteil vom 16.09.1970 – I R 196/67, BStBl II 1971, 175).
[21] Vgl. BFH, Urteil vom 10.06.1988 – II R 118/85, NJW 1989, 1567.
[22] Vgl. BFH, Urteil 01.04.1982 – IV R 130/79, BStBl II 1982, 589 und BFH, Urteil vom 20.04.1989 – IV R 299/83, DB 1989, 1753-1755.