Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxisführung

Ein Hausarzt in Neu-Ulm braucht Polizeischutz, weil er Jugendliche ab zwölf Jahren gegen Corona impft. Eine Notärztin aus Essen kämpft gegen Covid-Leugner – und wird mit einem Shitstorm der Extraklasse überzogen.

Dass Ärzte, die ihren Beruf nach bestem Wissen und Gewissen ausüben, Kritik aushalten müssen, ist nichts Neues. Gynäkologen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen oder auch nur darüber informieren, berichten schon lange von massivem Gegenwind, manche erhalten gar Morddrohungen.

Seit Beginn der Pandemie aber, so scheint es, ist die Stimmung besonders aufgeladen – und der Arzt ein willkommenes Ziel für Hetze aller Art.

Richtig reagieren, wenn der Shitstorm tobt

„Sturm der Entrüstung in einem Kommunikationsmedium des Internets, der zum Teil mit beleidigenden Äußerungen einhergeht“ – so definiert der Duden einen Shitstorm. Besonders häufig bricht er bei Themen los, die emotional aufgeladen sind. Ob Medizin, Religion oder die richtige Ernährungsform: Wer je erlebt hat, wie Veganer und Fleischesser, aber auch Impfgegner und -befürworter im Netz übereinander herfallen, dessen Glaube an das Gute im Menschen kann durchaus ins Wanken geraten.

Doch was ist zu tun, wenn man als Arzt, der wissenschaftliche Erkenntnisse wiedergibt, plötzlich zum Ziel unflätiger Beschimpfungen wird?

Ruhe bewahren – aber nicht zaudern

Der erste Schritt in einer solchen Konstellation ist es, die Meinungshoheit auf der eigenen Seite wiederzuerlangen. Wer als Privatperson unterwegs ist, für den ist es oft am einfachsten, den eigenen Post nebst Kommentaren zu löschen. Eine weitere Möglichkeit ist es, Hater zu sperren oder auszublenden.

Allerdings sind diese beiden Vorgehen kein Garant für eine Beruhigung der Lage. Denn was ein echter Hater ist, der hat den Screenshot des Ursprungsposts wahrscheinlich schon großflächig geteilt und treibt seine Agenda an anderer Stelle voran.

In einer solchen Situation bleibt den Betroffenen oft nur eines. Warten, bis der Sturm vorüberzieht und die Meute sich einem neuen Opfer zuwendet. Ärzte, die genügend Zeit (und das Durchhaltevermögen) haben, können auch versuchen, mit ihren Hatern ins Gespräch zu kommen und die eigene Position durch sachliche Argumente zu untermauern. Eine zielführende Diskussion mit Trollen sollte aber niemand erwarten.

Straftaten sind ein Fall für die Polizei

Eindeutig ist die Handlungsempfehlung bei Äußerungen, die strafrechtlich relevant sind: Beleidigungen, extremistische Parolen oder gar Morddrohungen sollten Ärzte ausnahmslos zur Anzeige bringen. Und zwar sowohl bei der Polizei als auch bei der jeweiligen Online-Plattform. Facebook, Twitter und Youtube bieten entsprechende Funktionen an.

Zudem besteht die Möglichkeit, bestimmte Äußerungen auf der Plattform https://hassmelden.de einzutragen.

Wie man mit (kriminellen) Hatern umgeht, macht dieser Tage unter anderem der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach vor. Auch er hat in den vergangenen Wochen und Monaten einiges einstecken müssen, weil in der Corona-Krise (weiterhin) zur Vorsicht mahnt. Seine Warnungen und die Wiedergabe medizinischer Fakten haben ihn zum prädestinierten Feindbild von Verschwörungstheoretikern und Querdenkern gemacht. Das meiste, so der Politiker und Epidemiologie, ignoriere er zwar. Gewaltaufrufe oder Morddrohungen bringt Lauterbach jedoch konsequent zur Anzeige.
Diesem Beispiel folgt nun auch Christian Kröner, jener Hausarzt aus Neu-Ulm, der Kinder gegen Corona impft. Er hat nach eigenen Angaben inzwischen mindestens 25 Anzeigen bei der Polizei erstattet.