Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxisführung

Mit dem neuen Digital-Gesetz will die Bundesregierung endlich schaffen, was trotz fünf großer E-Health-Gesetze bisher nicht gelungen ist: elektronische Patientenakte (ePA) und E-Rezept in die breite Nutzung bringen. Beide Anwendungen gelten als Schlüssel zur digitalen Gesundheit, kommen bislang aber kaum zum Einsatz: Weniger als 1 % der gesetzlich Versicherten speichern Gesundheitsdaten in der ePA, während nur 5 % der Ärzte aktiv E-Rezepte ausstellen.

Neben politischen Beschlüssen entscheidet vor allem die Überzeugung der Ärzte, dass sie den Versorgungsalltag einfacher und effizienter macht, über den Erfolg von Digitalisierung. Eine Umfrage von Arzt & Wirtschaft und jameda.de zeigt, dass sich nahezu die Hälfte der Ärzte mit digitalen Praxis-Tools überfordert oder alleingelassen fühlt.

Begeisterung über weniger Bürokratie oder Zweifel an der Machbarkeit: Ärzte in der Nutzenfrage gespalten

Eines ist sicher: So wie die Digitalisierung heute alle Lebensbereiche durchdringt, wird sie auch die Arbeit in der Arztpraxis verändern. Schon heute greifen viele Ärzte auf digitale Anwendungen in der Patientenversorgung und Praxisorganisation zurück. Entsprechend antworten 51,4 % der Befragten auf die Frage*, ob Digitalisierung ihre tägliche Arbeit erleichtert, mit einem »Ja«. Besonders positiv bewerten sie dabei Lösungen zur Bürokratie-Bewältigung (26,1 %), Terminorganisation (18,6 %) und Personal-Entlastung (6,3 %).

Skeptisch zeigen sich hingegen 48,6 % der Befragten, die der Digitalisierung im Alltag wenig Nutzen zusprechen und sich mehr Unterstützung wünschen. Als Grund nennen 29,4 % technische Störungen und eine doppelte Belastung durch papiergetriebene und digitale Arbeitsabläufe. 5,8 % der Befragten haben Zweifel an der Sicherheit sensibler Gesundheitsdaten und 4,2 % fürchten um die persönliche Beziehung zu ihren Patienten.

Wie aus den Zahlen hervorgeht, bewertet die Hälfte der Ärzte die Praxis-Digitalisierung also weniger per se als kritisch, sondern moniert deren Machbarkeit im Alltag: »Enormes Patientenaufkommen, anhaltender Fachkräftemangel und enge Budgetgrenzen: Wer mit diesen Herausforderungen kämpft, hat zur Nutzung digitaler Technik häufig wenig Zeit und noch weniger Nerven«, weiß der erfahrene Münchener Gastroenterologe Dr. Berndt Birkner. »Nicht selten verstellen Alltagssorgen aber den Blick auf die Chancen einer digitalen Praxis, Fehlbelastungen durch hohes Anrufaufkommen oder mangelnde Patientenselektion zu verringern.«

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Nur 30 % der Ärzte befürworten ePA und E-Rezept

Seit Ulla Schmidts Ankündigung der elektronischen Patientenakte im Jahr 2003 wurde kaum ein Gesundheitsminister müde, ihre Wichtigkeit als Datenbasis für ein modernes Gesundheitswesen zu betonen, in dem Patienten eine effektive und personalisierte Behandlung erhalten. Umso mehr ernüchtert der Blick auf aktuelle Zahlen: Noch 35 % der befragten Ärzte erwarten sich von der ePA Effizienzgewinne im Alltag, wobei sie das höchste Potenzial in zeitsparenden Entscheidungen (14,5 %), weniger Doppelmedikationen (10,9 %) und der Möglichkeit zur Fernbehandlung (9,1 %) sehen.

65 % der Befragten sind hingegen skeptisch. Sie halten die ePA für zu störanfällig (25,2 %), geben schlicht an, dass sie keine digitale Akte brauchen (14,3 %) oder sehen Datenschutzrisiken durch den Zugriff von Krankenkassen (9,24 %). Auch 20 Jahre nach der ersten Ankündigung klaffen Anspruch und Realität in puncto ePA also auseinander, was im Übrigen auch fürs E-Rezept gilt: Nur 32 % der Befragten glauben, dass die Anwendung ihre Patientenversorgung effizienter macht, bei 68 % überwiegt die Skepsis. Für die Umsetzung beider Anwendungen vergeben die Befragten durchschnittlich 1.4 von zehn Punkten.

Mehr Einfühlungsvermögen und finanzielle Unterstützung für Ärzte gefordert

Die Umfrage zeigt, dass Ärzte in der Frage nach Akzeptanz und Nutzen digitaler Lösungen gespalten sind. 51,4 % der Befragten sind von ihrem Mehrwert überzeugt. »Um die anderen mit ins Boot zu holen, gilt die Devise: zuhören, erklären und finanziell unterstützen«, folgert Dr. Birkner. »Dabei gilt Qualität vor Schnelligkeit. Digitalisierung gelingt nur, wenn sie sich an den Alltagssorgen von Ärzten orientiert. Störanfällige Technik und enge Fristgrenzen helfen da nicht weiter. Umgekehrt sind aber auch Ärzte gefordert, ihre Praxis aktiv auf digitale Prozesse umzustellen und Beratung in Anspruch zu nehmen.«

* Die Umfrage wurde im Juli 2023 unter 150 niedergelassenen Ärzten und Heilberuflern durchgeführt.