Erfolgreiche Mitarbeitergespräche: Worauf es bei der Kommunikation zwischen Arzt und MFA ankommt
A&W RedaktionEine gute Kommunikationskultur ist nicht nur wichtig für den wirtschaftlichen Erfolg einer Arztpraxis. Je weniger Sand im Getriebe, desto besser funktioniert auch die Patientenversorgung.
Kennen Sie den Spruch? „Ich wollte Mitarbeiter und es kamen Menschen.“ Für eine gelingende Teamarbeit ist die Arbeit mit dem Einzelnen unerlässlich. Dazu dienen informelle und formelle Rückmeldungen, letztere im Rahmen sogenannter Mitarbeitergespräche. Mindestens einmal pro Jahr werden in diesem Rahmen Erwartungen kommuniziert, die persönliche und fachliche Entwicklung gefördert, Ziele gesteckt und überprüft. Diese institutionalisierte Kommunikationsform ist für die strategische Entwicklung des Personals und der Praxis unerlässlich (Mentzel et al. 2003). Den Rest des Jahres spielt allerdings vor allem die zeitnahe, direkte Kommunikation die wesentliche Rolle für den Praxisablauf. Deshalb soll hier zunächst auf sie eingegangen werden. Wesentlich für einen reibungsarmen Ablauf ist eine vertrauensvolle Beziehungsebene zwischen Chef und Mitarbeitern sowie unter den Mitarbeitern selbst.
Ursachenerforschung statt Schuldzuweisung
Nehmen wir an, einer MFA unterläuft ein Fehler. Wird sie versuchen, ihn aus Angst zu vertuschen? Oder kann sie sich darauf verlassen, dass sie gleich sachliche Unterstützung bei der Lösung des Problems erfährt, wenn sie es meldet? Um einen Fehler schnellstmöglich zu korrigieren und erneuten Fehlern bestmöglich vorzubeugen, braucht es eine offene Kommunikationskultur. Begleiten Sie die MFA in einem solchen Fall bei der eigenen Ursachenerforschung und unterstützen Sie sie bei der Suche nach einer Lösung. Das kostet nur im ersten Moment mehr Zeit. Langfristig kann sie sich so zu einer rundum verantwortungsvollen und umsichtigen Mitarbeiterin mit Weitblick entwickeln, die Ihnen viele weitere Störungen im Praxisablauf erspart. Handelt es sich allerdings um ein komplexes Problem wie mangelnde Patientenorientierung, ist ein strukturiertes Vorgehen von Vorteil. Dazu dienen eigens anberaumte Kritikgespräche, deren Aufbau Thema des zweiten Teils dieser Fortbildung sein wird.
Mehr Erfolg durch bessere Beziehungen
Ein mitarbeiterorientierter Führungsstil gilt Arbeitspsychologen als wichtiges Element eines gesunden Unternehmens. Die Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA), gefördert durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, betont die Vorteile: Die Mitarbeiter denken mehr mit, bringen bessere Leistung, sind weniger gestresst und seltener krank. Dahinter liegt die Erkenntnis, dass die Beziehungsebene stets auch bei vermeintlich reinen Sachinformationen mitschwingt (Schulz von Thun 1981), und sei es unbewusst durch Tonfall, Mimik und Gestik. Eine freundliche Kommunikationskultur prägt die Atmosphäre der Praxis und sorgt dafür, dass auch Patienten sich spontan wohl fühlen und eher Vertrauen fassen als bei einer angespannten Stimmung.
Konfliktfähigkeit ist ein Balanceakt
Grundsätzlich gibt es zwei Arten der Kommunikation, die das Verhältnis zwischen Chef und Angestellten belasten. Zum einen ein ausgesprochen autoritärer Führungsstil, der über Angst zu einem Stocken des Informationsflusses von den Mitarbeitern zum Praxisinhaber führen kann. Insbesondere lautes Schreien führt beim Adressaten leicht zu einer inneren Distanzierung. Das kann darin münden, dass die MFA nur noch Dienst nach Vorschrift leistet, vielleicht sogar innerlich bereits kündigt. Ihre volle Leistung steht der Praxis dann nicht mehr zur Verfügung, und schon gar kein Quäntchen mehr. Zwar gibt es im Alltag Situationen, die Direktive verlangen. Die eigene Position in der Hierarchie muss dabei aber nicht lautstark betont werden. Schließlich sind die Kompetenz und Entscheidungshoheit des Arztes und Arbeitgebers unbestritten.
Wenn Wichtiges ungesagt bleibt
Am anderen Ende des Spektrums liegt die Konfliktscheuheit. Sie kann dazu führen, dass Dinge vornehmlich zwischen Tür und Angel angesprochen werden. Dabei bleiben allerdings wichtige Aspekte der Botschaft oft ungesagt, eine umfassende Klärung der Situation ist so oft nicht möglich, die Wahrscheinlichkeit erneuter Fehler steigt. Konfliktscheuheit kann auch dazu führen, dass Unangenehmes aufgeschoben wird bis zur Eskalation – also bis zu dem Moment, wo das Fass überläuft und die sich schon länger ärgernde Person kaum noch anders kann, als zu explodieren. Das führt unter Umständen wieder zur selben Problemstellung wie beim extrem autoritären Stil. Zeitnahe, konstruktive Konfliktgespräche sind nur scheinbar aufwendig. Unterm Strich sparen sie viel Zeit und Ärger. Grundsätzlich gilt für jede Art der Kommunikation: Ein Mensch kann überhaupt nur etwas annehmen, wenn er sich wertgeschätzt und ernstgenommen fühlt. Ist dies nicht der Fall, fahren sofort psychologische Abwehrmechanismen hoch, etwa trotzige Reaktanz oder eben die innere Distanzierung. Ein echtes Durchdringen ist dann kaum noch möglich.
Rückmeldungen in beide Richtungen
Feedback vom Vorgesetzten ist durchaus gewünscht! Eine Umfrage der Personaldienstleistungen Amadeus Fire (2015) zeigt, dass mehr als 50 Prozent der Angestellten bedauerten, zu selten Rückmeldungen vom Chef und von den Kollegen zu erhalten. Insbesondere zur Arbeitsmotivation, zur eigenen Person, zum Verhalten und zur Leistung wurde mehr Feedback gewünscht. Mehr als 50 Prozent der Befragten schätzten das Feedback ihres Vorgesetzten, empfanden es als nützlich und als Unterstützung zur Weiterentwicklung. Besonders gut kamen bei den Mitarbeitern Gespräche an, bei denen auch sie dem Chef Rückmeldung geben. Diese trugen zu einer hohen Zufriedenheit bei.
Das bedeutet für die zeitgemäße Personalführung, dass Mitarbeitergespräche keine reine Top down-Qualität haben. Vielmehr geht es um Austausch. Wissen die Mitarbeiter im Vorfeld um eine solche Chance, können sie ihre Ideen und konstruktive Kritik vorbereiten, die Chefs sonst aufgrund ihrer Unsicherheit vielleicht entgehen könnten. Sprechen Sie deshalb einen solchen Hinweis bei der Terminvereinbarung für ein Mitarbeitergespräch aus. Gehen Sie dann selbst in die Vorbereitung. Machen Sie sich einige Notizen: Wie nehme ich zum Beispiel diese Mitarbeiterin wahr? Was erwarte ich von ihr? Wie zufrieden bin ich mit ihrer aktuellen Leistung und wie läuft die Zusammenarbeit mit den Kollegen? Wie kann ich ihre Entwicklung fachlich und persönlich unterstützen? Welche Schwächen hat sie und wie könnten wir sie abbauen? Wie viel Führung braucht sie? Planen Sie das Gespräch bedürfnisorientiert. Analysieren Sie dazu im Vorfeld: Was ist das wichtigste Ziel dieses Gesprächs? Dieses sollte wie ein Leuchtturm über dem gesamten Verlauf stehen, um ein übermäßiges Aufhalten mit weniger Wichtigem zu vermeiden. Geht es primär darum, Stärken weiterzuentwickeln? Oder bedarf es hauptsächlich eines Motivationsgesprächs, um einem Leistungsabfall entgegenzuwirken?
Blicken Sie bilanziert zurück
Es geht um Leistung und Entwicklung; jedoch auch darum, Stolpersteine und Sand im Getriebe des Praxisablaufs zu erkennen, um am Ende eine optimale Versorgung für Patienten zu gewährleisten. Allerdings ist dieser Gesprächsanlass nicht die „Stunde der Abrechnung“ für die gesammelte Kritik des letzten Jahres. Für diese beraumen Sie jeweils zeitnah eigene Kritikgespräche ein. Ebenso handelt es sich nicht um eine Applausstunde, sondern um ein ernsthaftes Bemühen um Weiterentwicklung. Defizite und Leistungen werden also ausgewogen bilanziert. Eröffnen Sie das Gespräch positiv, um die Offenheit Ihrer Mitarbeiterin zu sichern. So haben Sie mehr Möglichkeit, Einblicke in die Vorgänge beim Personal zu erlangen, als es Ihnen bei mentaler Abschottung der MFA möglich wäre. Blicken Sie gemeinsam auf die Aufgaben, Ziele und Ergebnisse des letzten Jahres zurück. Zeigen Sie auf, welchen Anteil Ihre Mitarbeiterin am Praxiserfolg hat – das motiviert. Geben Sie dem Informationsfluss von unten nach oben Raum: Wie nimmt Ihre Mitarbeiterin den Praxisablauf wahr, sieht sie irgendwo Verbesserungspotential? Wie fühlt sie sich im Team? Lenken Sie sie mit Fragen. So signalisieren Sie, dass Ihnen an ihrer Sichtweise gelegen ist und erfahren mehr über ihren Alltag, Denkweise und Verhalten. Bitten Sie Ihre Mitarbeiterin um Selbsteinschätzung. Wo sieht sie ihre Stärken, wo ihre Schwächen? Begegnen Sie dieser Einschätzung mit Ihrer Wahrnehmung, um Selbst- und Fremdbild anzunähern. Je größer die Abweichung, desto wichtiger ist dieser Teil des Gesprächs.
Finden Sie versteckte Potentiale
Erforschen Sie, ob es bisher ungeahnte Potentiale gibt. Was motiviert Ihre Mitarbeiterin? Gibt es Fähigkeiten, die sie gerne einbringen würde, die aber gerade nicht abgerufen werden? Wie möchte sie sich fachlich entwickeln? Gibt es einen neuen Aufgabenbereich, den sie gern unterstützen würde? Diese Frage ist wichtig, um Monotonie vorzubeugen. Selbstverständlich müssen gegebenenfalls die Zuständigkeiten der MFA genau mit allen geklärt werden, um Konflikten vorzubeugen. Überlegen Sie gemeinsam mit der Mitarbeiterin, wie Sie ihre Entwicklung unterstützen können. Das fördert die Loyalität. Machen Sie einen Plan: Vereinbaren Sie passende Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen und definieren Sie gemeinsam die Aufgaben und Ziele für das kommende Jahr. Die Ergebnisse dieses Gesprächs werden in einem vertraulichen Protokoll festgehalten, das die Mitarbeiterin unterschreibt und somit die Verbindlichkeit ihrer Vereinbarungen anerkennt.
Das Lob ist ein starker Anreiz
- Studien, etwa von Gallup und Stepstone (2011) zeigen, dass Lob unter den Dingen rangiert, die sich Mitarbeiter am meisten wünschen – neben mehr Information.
- Während Bonuszahlungen oft nur zeitlich begrenzt wirken, entfaltet das Lob nachhaltigere Wirkung.
- Loben Sie im Alltag möglichst mindestens ebenso häufig, wie Sie kritisieren. Loben Sie zeitnah, kurz und knackig, und nennen Sie den konkreten Grund: „Super, wie Sie den Patienten beruhigt haben!“
Wann Kritik das Praxisklima sogar verbessert
Kaum etwas ist so sensibel wie ein Kritikgespräch. Gleichwohl bleibt es uns in keiner zwischenmenschlichen Beziehung erspart, schon gar nicht in der Arztpraxis, wo Fehler oder Fehlverhalten teilweise schwerwiegende Folgen haben können. Dennoch wird das Kritikgespräch oft gescheut, denn es wird ein Bruch mit allen Konsequenzen befürchtet: schlechte Laune, noch schlechtere Arbeit, möglicherweise eine Kündigung und dann die leidige Suche nach dem ewig knappen Personal. Die gute Nachricht lautet: Konstruktive Kritik zur rechten Zeit kann die Motivation und die Leistung Ihrer Mitarbeiter sogar erhöhen und das Praxisklima verbessern! Denn Sie klären damit Ihre Erwartungen an die Mitarbeiter. Gemeinsam wird nach Ursachen für Fehler und Verbesserungsmöglichkeiten gesucht. Das beugt künftigen Problemen vor und stärkt das Wir-Gefühl sowie das Vertrauen. Kritik sollte zeitnah und konkret ausgesprochen werden. Sie ist aber nicht dazu da, um sich abzureagieren. Explosive, harsche Worte führen oft zu einer inneren Distanzierung des Rezipienten, mit negativen Auswirkungen auf seine Performance – und möglicherweise auf die des gesamten Teams. Insbesondere lautstarke Kritik vor anderen, womöglich garniert mit einem persönlichen Angriff, führt zu einem Gesichtsverlust der kritisierten Person.
Sprechen Sie Fehler sachlich an
Beinahe unwillkürlich wird die Person versuchen, dies zu kompensieren, indem sie Sympathisanten für sich gewinnt. Die Mobilisierung unter den Mitarbeitern führt unter Umständen zu Auf- und Ablehnung, zur Gruppenbildung und Spaltung. Entsprechend leidet die Zusammenarbeit. Eine Variante des persönlichen Angriffs sind sarkastische Kommentare, die allgemein nicht in den professionellen Kontext gehören. Denn durch ihre abwertende Qualität wirken sie sich kaum weniger verheerend aus („Das haben Sie ja wieder suuuper gemacht, nur weiter so!“).
Wenn es etwas zu kritisieren gibt, schieben Sie das Gespräch nicht auf die lange Bank. Das würde die Beziehung zur Mitarbeiterin mehr belasten als ein zeitnahes Ansprechen. Konflikte haben die Tendenz, sich im Laufe der Zeit immer mehr von der Sach- auf die Beziehungsebene zu verlagern (Kock et al. 2019). Ohne rechtzeitige Intervention verhärten die Fronten. Beinahe wird egal, was der ursprüngliche Auslöser war. Eine einvernehmliche Lösung ist dann sehr erschwert. Im frühen Stadium hingegen lässt sich ein Konflikt oft rasch, sachlich, effektiv und zur allseitigen Zufriedenheit lösen. Bei langem Zögern häufen sich unter Umständen die Fehltage, mitunter auch eine Nachlässigkeit – eine zähe Phase für alle in der Praxis.
Gespräche nicht aufschieben
Um dem vorzubeugen, laden Sie die Mitarbeiterin zeitnah zum Gespräch ein. Eine sehr umfangreiche und dezidierte Anleitung zu dessen Verlauf finden Sie in dem Werk „Wir müssen reden. Mitarbeitergespräche in der Arzt- und Zahnarztpraxis“ von Stephan F. Kock und anderen. Hier einige wichtige Punkte: Benennen Sie konkret einen zeitnahen Termin mit Datum, Uhrzeit und Treffpunkt. Sorgen Sie für eine ungestörte Atmosphäre. Steigen Sie trotz Ihres Ärgers positiv in das Gespräch ein, um eine kooperative Ebene zu schaffen, kommen Sie aber ohne große Umschweife zur Sache: „Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, ich möchte mit Ihnen über XY sprechen.“ Handelt es sich um eine selbstbewusste Mitarbeiterin, können Sie gleich mit den Tatsachen fortfahren. Eine unsichere Person stabilisieren Sie für das Gespräch, indem Sie zunächst eine Anerkennung aussprechen für das, was gut läuft. Benennen Sie dann aber zügig das Fehlverhalten. Weisen Sie auf die Subjektivität Ihrer Wahrnehmung hin, indem Sie in der Ich-Form sprechen. Benennen Sie im ruhigen Ton ihre subjektive Reaktion auf das Geschehen, etwa „Darüber bin ich enttäuscht.“ Geben Sie gleich danach der Mitarbeiterin Raum, um ihre Sicht der Dinge darzustellen. Hören Sie dabei aktiv zu: „Verstehe ich Sie folgendermaßen richtig? Sie haben XY gemacht, weil Ihnen für Z die Ressourcen fehlten?“ Stellen Sie sicher, dass sich Ihre Mitarbeiterin über die Folgen ihres Verhaltens im Klaren ist. Vereinbaren Sie Maßnahmen zur Korrektur oder Schadensbegrenzung. Überlegen Sie gemeinsam, wie sich künftig ähnliche Ereignisse vermeiden lassen.
Involvieren Sie die kritisierte Person
Eine aktive Involvierung bleibt länger hängen als eine bloße Ansage und erhöht die Bereitschaft, das angemessenere Verhalten umzusetzen. Visualisieren Sie dessen positive Auswirkungen auf den Praxisablauf und auf den gemeinsamen Erfolg. Vereinbaren Sie ein Folgegespräch, um die Verbesserung zu kontrollieren und gegebenenfalls weitere Anpassungen vorzunehmen. Signalisiert Ihre Mitarbeiterin Kooperationsbereitschaft, schließen Sie mit Zuspruch ab: „Ich glaube, wir haben hier gemeinsam einen guten Weg gefunden. Vielen Dank.“ Ein wichtiges Gesprächsergebnis halten Sie in einer Notiz mit Datum und Unterschriften beider Gesprächspartner fest, um eine Gedankenstütze – und falls bei weiterer Eskalation notwendig – eine rechtliche Basis zu haben. Ihre Mitarbeiterin erhält die Kopie (Fleischer 2012).
Beachten Sie die unterschiedlichen Charaktere
Obwohl unterschiedliche Charaktere verschieden kritikfähig sind, gibt es doch einige Möglichkeiten, Kritik annehmbarer zu gestalten. Dazu gehört zunächst die Selbstreflektion. Zum Vermitteln des eigenen Eindrucks hilft es, im Vorfeld zu evaluieren, was man eigentlich wie genau weiß und was ein situativ geprägter, subjektiver Eindruck sein könnte. Reflektieren Sie: Was ist passiert, wer hat dazu in welchem Umfang beigetragen? Sind Ihnen alle erdenklichen Verknüpfungen und Akteure bekannt? Ist diese Situation erstmalig aufgetreten oder bereits häufiger? Falls letzteres: Woran könnte das liegen? Waren der Mitarbeiterin Ihre Erwartungen vollumfänglich und detailliert bekannt? Hat sie die nötigen Informationen, Fähigkeiten und Ressourcen, um Ihre Ansprüche zu erfüllen? Bekommt sie regelmäßig Feedback zu ihren Leistungen? Ist sie sich ihres Verhaltens bewusst?
Bennenen Sie den blinden Fleck
Kritisches Feedback kann Mitarbeiter auf ihren blinden Fleck aufmerksam machen. Das sogenannte Johari-Fenster bewusster und unbewusster Persönlichkeitsanteile wurde in den 1950er Jahren von den Sozialpsychologen Joseph Luft und Harry Ingham entwickelt.
Es verdeutlicht die Unterschiede zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung. Das Johari-Fenster ist in vier Bereiche gegliedert: öffentlich, geheim, blinder Fleck und unbekannt. Öffentlich ist alles, was der Mensch bewusst von sich zeigt, etwa seine Umgangsformen oder Eigenschaften wie Ehrgeiz. Als „geheim“ wird alles bezeichnet, was eine Person wissentlich vor anderen verbirgt, etwa eine herausfordernde private Situation. Zum „blinden Fleck“ gehören Verhaltensweisen und Merkmale, die der aussendenden Person nicht bewusst sind, die andere jedoch bemerken. „Unbekannt“ sind Anteile, die weder der Person noch ihrem Umfeld bewusst sind. Mittels wertschätzendem Feedback bekommen Einzelne im Team mehr Kenntnis ihrer bisherigen blinden Flecken. Das trägt zur persönlichen Entwicklung sowie zu einer positiven Gruppendynamik bei.
Korrigieren Sie die Beziehungsebene
Leider begegnet nicht jeder einer Kritik aufgeschlossen. Für den Fall, dass Ihre Mitarbeiterin einen Vorfall bestreitet, sollten Sie bereits vorher möglichst viele Fakten zusammentragen. Verschanzt sie sich hinter Rechtfertigungen, weisen Sie auf ihre Verantwortung hin (Kohfink 2015) und setzen sie den Fokus auf das positive Ziel dieses Gesprächs. Betonen Sie die gemeinschaftliche Linie, die Sie verfolgen möchten. Machen Sie ihr dennoch die Ernsthaftigkeit der Lage anhand der Folgen für die Praxis klar. Möglicherweise haben Sie auch den Eindruck, Sie stoßen auf taube Ohren, die Mitarbeiterin schaltet auf „Durchzug“. Eine Variation dessen ist die sofortige, totale Unterwerfung, ohne dass die Mitarbeiterin ihre Sicht der Dinge schildern möchte: „Ja, Sie haben total Recht, kommt nie wieder vor“. Beides kann auf eine Störung auf der Beziehungsebene hinweisen, möglicherweise auf mangelndes Vertrauen oder eine fehlende Identifikation mit Ihrer Praxis. Fordern Sie Ihre Mitarbeiterin in diesem Fall erneut auf, ihre Sicht auf die Ereignisse zu schildern, um ins gemeinsame Arbeiten zu kommen. Vielleicht besteht auch ein Problem innerhalb der Kolleginnen. Ist eine unzufrieden mit ihrer Rolle oder fühlt sich von anderen ausgebremst? Unter Umständen können Sie dann ein Treffen mit den anderen Angestellten moderieren, um den Austausch und die gemeinsame Suche nach Lösungen zu katalysieren.
Vermeiden Sie unnötige Verunsicherung
Jemand, der kritisiert, befindet sich kommunikativ in einer überlegenen Position. Das verleiht Macht – im Guten wie im Schlechten. Auch enttäuschtes Schweigen ist eine Form der Kommunikation. Es hat zur Folge, dass die Mitarbeiterin verunsichert wird. Das auslösende Fehlverhalten wird von ihr vielleicht nicht als Ursache für die Verstimmung identifiziert, sodass sie es weiter fortsetzt – und den Ablauf sowie die Stimmung zunehmend belastet. Wird eine Person hingegen „fertiggemacht“, führt dies ebenfalls zu Unsicherheit. Unter Umständen arbeitet sie danach weniger zuverlässig und langsamer als zuvor. Bleiben Sie mit Ihrer Kritik beim aktuellen Vorfall. Die geballten Unzufriedenheiten der letzten Monate würden überfordern und könnten der Mitarbeiterin das Gefühl vermitteln, „nichts richtig machen zu können“. Was bereits besprochen und verbessert wurde, wird nicht mehr aufgewärmt. Wer vieles nachträgt, kommt schlecht weiter. Erst wenn die Mitarbeiterin trotz wiederholter Entwicklungs- und Kritikgespräche bereits angesprochenes Fehlverhalten weiterhin zeigt, wird es schließlich Zeit, auf mögliche Konsequenzen hinzuweisen.
Signalisieren Sie Zuversicht
Fokussieren Sie bei Ihren Mitarbeitergesprächen, auch beim Kritikgespräch, die positive Entwicklung Ihrer Mitarbeiterin. Das stärkt die Beziehungsebene, fördert die Motivation, die Bindung und die Identifikation der Mitarbeiterin mit der Praxis. Signalisieren Sie, dass Sie ihr bei ihren Bemühungen den Rücken stärken und dass Sie ihr die Verbesserung zutrauen. Sie wird Ihnen mit hoher Wahrscheinlichkeit offener und vertrauensvoller begegnen und größeren Einsatz zeigen.