Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxisführung

In vielen Arztpraxen trägt man heutzutage eine einheitliche Praxiskleidung, die auf die Corporate Identity abgestimmt ist. Hellgrüne Poloshirts korrespondieren mit einem Interieur, das ebenfalls hellgrüne Akzente trägt, genauso wie die Visitenkarten und Rechnungen. Optisch wirkt das modern. Aber wie sich die Kleidungswahl wirklich auf die Wahrnehmung der Patienten auswirkt, brachte eine vor Kurzem veröffentlichte US-Studie ans Tageslicht.

Weißer Kittel vermittelt Kompetenz

Befragt wurden 487 Männer und Frauen im Mai und Juni 2020. Sie sollten beurteilen, welche Personen sie als professionelle, erfahrene und freundliche Ärzte einschätzen. Dafür wurden ihnen Fotos von Frauen und Männern vorlegt, die unterschiedliche Kleidung trugen. Zur Wahl standen: weißer Kittel, graue Fleecejacke oder schwarze Softshelljacke. Darunter trugen die Arzt-Models entweder einen Kasack oder Geschäftskleidung.

Das Ergebnis war eindeutig: Ärzte und Ärztinnen, die einen weißen Kittel anhatten, schnitten am besten ab. Ein weißer Kittel wurde signifikant mit „der Arzt hat mehr Erfahrung“ gleichgesetzt. Die Fleecejacke landete auf Platz zwei, gefolgt von der Softshelljacke. Eine ähnliche Bewertung zeichnete sich im Bereich Professionalität ab. In der fünfstufigen Likertskala (von 0 = am negativsten bis 5 = am positivsten) erreichte der weiße Kittel im Schnitt 4,9 Punkte, die Softshelljacke 3,3 Punkte und die Fleecejacke 3,2 Punkte. Auch bei der Freundlichkeit konnte die traditionelle Uniform punkten. Ärzte in einem weißen Kittel erschienen den Probanden freundlicher als jene in Fleece- oder Softshelljacken.

Grafik Arztkleidung

Modetipp für Ärztinnen und Ärzte

So kann man einen Modetipp für Ärztinnen und Ärzte aus der Studie extrahieren: Wer besonders professionell, erfahren und freundlich wirken möchte, kombiniert seriöse Businesskleidung mit einem weißen Kittel darüber. Dieses Outfit verbanden die meisten Probanden vor allem bei Hausärzten mit höchster Kompetenz. Auch die dermatologischen Kollegen sind mit dieser Kleiderwahl vorne mit dabei. Chirurgen sollten dagegen Anzug beziehungsweise Kostüm lieber im Schrank liegen lassen. Sie wirken in Kasack und weißem Kittel am professionellsten.

Die Kleiderfrage scheint zudem besonders für Ärztinnen Auswirkungen zu haben. Denn hier konnte die Untersuchung einen signifikanten Geschlechterunterschied identifizieren. Selbst, wenn Ärzte und Ärztinnen das gleiche Outfit trugen, wurden die männlichen Kollegen grundsätzlich als professioneller eingeschätzt. Das galt für den weißen Kittel genauso wie für die Fleece- und Softshelljacke.

Frauen wird die Arztrolle seltener zugetraut

Aber nicht nur bei der wahrgenommenen Kompetenz schnitten Frauen schlechter ab. Prinzipiell wurde ihnen auch seltener zugetraut, überhaupt Ärztin zu sein. Selbst im Top-Outfit (weißer Kittel, Businesskleidung) trauten ihnen nur 71,7 Prozent der Befragten zu, Ärztin zu sein. Während immerhin 88,3 Prozent dies bei den Männern glaubten. Im logischen Umkehrschluss wurden Frauen in dieser Kleidung auch häufiger für eine medizinisch-technische Assistentin (8,0 %) oder eine Arztassistentin (11,5 %) gehalten. Bei Männern lag die Zahl bei 3,3 beziehungsweise 2,3 Prozent.

Trugen die Models einen Kasack, veränderte sich die Wahrnehmung der Probanden leicht. Bei dieser Kleiderwahl gingen die Probanden meist davon aus, einen Chirurgen vor sich zu haben – bei den männlichen Beispielen waren es 49,5 Prozent, bei den weiblichen 40,7 Prozent. Trotzdem tauchte auch hier die genderabhängige Misinterpretation des Berufs wieder auf. Frauen im Kasack wurden von 33,1 Prozent der Studienteilnehmer als Krankenschwester eingestuft, bei den Männern waren es nur 27,3 Prozent.

Genderspezifische Vorurteile halten sich

Eine Studie aus Japan aus dem Jahr 2014, die ebenfalls die Bedeutung der Kleiderwahl bei Ärzten beleuchtete, kam zu einem ähnlichen Ergebnis. So fanden 73 Prozent der Patienten, dass Businesskleidung für Ärztinnen ohne weißen Kittel unpassend sei, während dies nur 24 Prozent bezüglich Ärzten äußerten. Zusammenfassend kann man sagen: Auch im Jahr 2021 halten sich noch immer genderspezifische Vorurteile in der Patientenwahrnehmung. Kein Wunder, dass viele Ärztinnen im Laufe ihres Berufslebens bereits damit konfrontiert waren, dass Patienten ihnen nicht glaubten, Ärztin zu sein.

Die Geschichte des Weißen Kittels

Der Blick in die Geschichte zeigt: Der weiße Kittel wurde erst vor zirka 150 Jahren zur „Uniform für Ärzte“. Davor trugen sie meist lange schwarze Gehröcke, um Würde und Autorität auszudrücken. Dies änderte sich erst, als im 19. Jahrhundert die Bedeutung der Hygiene entdeckt wurde. Man stellte fest, dass sich viele Krankheiten vermeiden ließen, wenn Ärzte ihre Hände, die Instrumente und ihre Kleidung wuschen. Zudem fand man heraus, dass Krankheitserreger durch große Hitze abgetötet wurden. Die schwarzen Gehröcke konnte man damals allerdings nicht heiß waschen, weil sie dabei ihre Farbe verloren. So begannen Ärzte weiße Kleidung zu tragen, die sich besser waschen ließ. Zudem symbolisiert die Farbe Weiß auch Reinheit und Vollkommenheit.